Indonesiens neuer Präsident – Einheit in der Vielfalt

Indonesiens neuer Präsident – Einheit in der Vielfalt

Indonesiens neuer Präsident – Einheit in der Vielfalt

Ein Artikel von Ramon Schack

Im Rahmen einer glamourösen Feier in Indonesiens neuer Hauptstadt Nusantara wurden Prabowo Subianto als neuer Präsident und Gibran Rakabuming Raka als sein Vize vereidigt. Nusantara liegt im Herzen der Insel Borneo, auf der sich die Territorien Indonesiens, Malaysias und des Sultanats Brunei befinden. Die sich immer noch im Bau befindliche Kapitale wurde von Prabowos Vorgänger Joko Widodo in Auftrag gegeben, der auch der Vater des neuen Vizepräsidenten ist. Von Ramon Schack.

In früheren Zeiten wurden unter dem Stichwort „Transmigrasi“ Millionen Menschen aus den übervölkerten Regionen des Inselreiches in die Peripherie umgesiedelt. Dadurch sollte die extrem hohe Bevölkerungsdichte auf Java verringert, aber auch die javanische Kultur als Staatskultur auf dem gesamten Archipel verbreitet werden. Das Ergebnis war suboptimal, weshalb man jetzt dazu übergegangen ist, die Hauptstadt von Java nach Borneo zu verlegen.

Wirtschaftsboom und Regionalmacht

Indonesien entwickelt sich zu einer wichtigen Wirtschaftsmacht in Südostasien. Das Land verzeichnet ein stetiges Wirtschaftswachstum und zieht ausländische Investoren an. Seit geraumer Zeit strebt die Regierung eine Diversifizierung seiner Exporte an, um die Abhängigkeit von Rohstoffen zu verringern. Jakarta investiert in Infrastruktur und Technologie, auch um seine Produktionskapazitäten zu erweitern. Die nationale Währung, die indonesische Rupiah, hat wachsenden Einfluss als regionale Währung. Dadurch wird die Abhängigkeit vom US-Dollar intensiviert und stärkt Indonesiens Position im internationalen Finanzsystem.

Land der Superlative

Indonesien ist ein Land der Superlative: Es handelt sich um den größten Inselstaat der Welt sowie mit über 275 Millionen Einwohnern nicht nur um die viertbevölkerungsreichste, sondern demographisch auch um die größte islamische Nation der Welt. Flankiert von dem Versprechen, die Wirtschaft und die militärische Stärke Indonesiens auszubauen, ist der Ex-General Prabowo Subianto vor einigen Tagen als neuer Präsident des südostasiatischen Landes vereidigt worden. Der 73-Jährige beschwor in seiner Antrittsrede die nationale Einheit.

Prabowo – ein Mann von gestern?

Ferner versprach Prabowo, die Wirtschaft und die militärische Stärke Indonesiens auszubauen. Unter der Präsidentschaft des Ex-Generals werden massive Investitionen im Militärbereich prognostiziert. Der bisherige Verteidigungsminister und Ex-Militärkommandant Prabowo wird weniger als Mann des Aufbruchs wahrgenommen. Zwischen 1967 und 1998 wurde der Inselstaat von dem Diktator Suharto regiert. Damals war Prabowo, der Schwiegersohn Suhartos, ein einflussreicher General.

Indonesiens Staatsgebiet erstreckt sich über 5.000 Kilometer vor den Toren Australiens und ist ein aufstrebender Global Player. Der neue Präsident wird in gewissen westlichen Medien sorgenvoll mit Menschenrechtsverletzungen aus der Suharto-Ära in Verbindung gebracht. Dabei wird fast nie erwähnt, dass jener Suharto, unter dem der jetzige Präsident Karriere machte, ein enger Verbündeter des Westens war und im Auftrag Washingtons den Staatsgründer Sukarno aus dem Amt putschte.

Sukarno gilt heute noch als jener legendäre Vater der Unabhängigkeit, welcher einst die Achse Peking-Pjöngjang-Jakarta schmieden wollte, um die Unabhängigkeit seines aus dem niederländischen Kolonialreich entlassenen Staatsgebildes zu gewährleisten. Dieses Vorhaben stand den Vorstellungen Washingtons entgegen, wo man sich dem „Rollback“ verpflichtet fühlte, also der Umkehrung der Ausbreitung des Kommunismus in Asien. Das hatte schon in Vietnam zu kriegerischen Auseinandersetzungen geführt, die 1975 mit dem letzten Triumph des Kommunismus im 20. Jahrhundert enden sollten.

Das Massaker von 1965 wirkt nach

Mit Unterstützung der CIA entmachteten willfährige Generäle den Staatspräsidenten Sukarno und verursachten mithilfe islamistischer Kräfte ein Massaker, welches zur totalen Vernichtung der starken kommunistischen Partei und ihrer Mitglieder führte sowie die einflussreiche chinesische Minderheit schwächte. Millionen von Menschen fielen dem Blutrausch zum Opfer, als die Massenmorde sich von Java über das ganze Archipel ausbreiteten. Bis 1998 war es verboten, überhaupt über diese Ereignisse zu sprechen. Erst nach dem Sturz des prowestlichen Diktators Suharto fand ansatzweise eine Aufarbeitung des Massakers statt.

Wie auch Jahrzehnte später in Afghanistan waren die USA an der Entstehung radikalislamischer Kräfte beteiligt, deren Folgen sich erst Jahrzehnte später zeigen sollten. Bis zum Sturz des „lächelnden Generals“, wie Suharto genannt wurde, stützte Washington sich auf die indonesischen Streitkräfte. Die Militärs hatten sich 1965 bei den Massenmorden bezüglich des angeblichen kommunistischen Umsturzversuches „bewährt“.

Die Interessen der USA: Einfluss und Energie

Die „special relations“ der indonesischen Offiziere zu ihren Verbündeten USA und Australien sind jedoch ins Gegenteil umgeschlagen, seit die UNO mithilfe australischer Blauhelme die Unabhängigkeit von Osttimor erzwang. Bei dieser Unterstützung einer Unabhängigkeitsbewegung der ehemals portugiesischen Mikrokolonie und ihrer melanesischen Bevölkerung, die überwiegend katholischen Glaubens ist, sei es den USA vor allem um die reichen Erdölfunde in der Meeresstraße von Timor gegangen und um die Errichtung einer US-Marine-Basis bei Dili, behauptet man heute in Jakarta. Diese Erfahrungen mit dem einst verbündeten Hegemonen aus Washington dürften auch den neuen Präsidenten nachhaltig prägen.

Indonesien und die BRICS-Staaten

Jakarta prüft daher die Möglichkeit, dem BRICS-Zahlungssystem beizutreten, ohne allerdings Vollmitglied der aufstrebenden Staatengemeinschaft zu werden. Diese Haltung verdeutlicht das Streben, die wirtschaftliche Abhängigkeit von westlichen Institutionen zu verringern. Gleichzeitig bleibt Indonesien distanziert gegenüber einer zu engen Bindung an China oder Russland. Die Regierung in Jakarta sucht nach einem ausgewogenen Ansatz, der die Beziehungen zu allen wichtigen Wirtschaftspartnern aufrechterhält. Unter dem neuen Präsidenten dürfte Indonesiens langjährige Tradition der Blockfreiheit und der außenpolitischen Autonomie fortgesetzt werden.

Titelbild: Der indonesische Präsident Prabowo Subianto begrüßt die Öffentlichkeit während der 79. Jahrestagung der indonesischen Nationalstreitkräfte in Monas, Jakarta – Quelle: Shutterstock / Donny Hery