Zahlreiche Länder, darunter auch mehrere EU-Partner, werfen Israel Kriegsverbrechen und völkerrechtswidriges Agieren im Libanon vor. Vor dem Hintergrund der Libanon-Reise der deutschen Außenministerin wollten die NachDenkSeiten unter anderem wissen, ob Annalena Baerbock diese Einschätzung, etwa des EU-Partners Spanien, teilt oder ob sie das militärische Vorgehen Israels weiterhin verteidigt. Zudem war die Genozid-Klage Südafrikas Thema. Der „Völkermordvorwurf“, so die Darlegung in der BPK, sei aus Sicht der Bundesregierung weiterhin „nicht stichhaltig“. Von Florian Warweg.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 23. Oktober 2024
Frage Warweg
Zahlreiche Länder werfen Israel Kriegsverbrechen und völkerrechtswidriges Agieren im Libanon vor, darunter die libanesische Regierung selbst und auch der EU-Partner Spanien. Teilt die Außenministerin diese Einschätzung der libanesischen Regierung und auch des EU-Partners Spanien, oder plant sie, das Agieren Israels gegenüber dem libanesischen Partner zu verteidigen?
Deschauer (AA)
Herr Warweg, ich weiß nicht genau, wie ich auf Ihre Ja-oder-Nein-Frage antworten soll. Ich kann aber noch einmal darauf verweisen, dass die Ministerin gerade vor Ort ist, um für die Bundesregierung im Gespräch mit den Ansprechpartnern in einer wahnsinnig schwierigen Situation Lösungen auszuloten.
Zur Frage von Völkerrechtsverletzungen: Wie Sie wissen, ist es nicht an uns, darüber letztendlich zu befinden, sondern die Bewertung dieser Fragestellungen wird üblicherweise von unabhängigen Gerichten auf Basis von Untersuchungen vorgenommen.
Insofern möchte ich noch einmal betonen, dass die Ministerin vor Ort ist, um im Rahmen der Pendel- und Krisendiplomatie einen Beitrag dazu zu leisten, auszuloten, wie es zu einer friedlichen Lösung kommen kann.
Zusatz Warweg
Aber es ist doch von entscheidender Bedeutung für die Gespräche, die Frau Baerbock in Beirut führen wird, ob sie davon ausgeht, dass Israel im Libanon Kriegsverbrechen begeht, oder nicht. Sie wird dazu ja eine Haltung entwickelt haben, sonst ergäbe das ganze Treffen keinen Sinn.
Deschauer (AA)
Ich stimme der Annahme. die Sie in Ihrer Fragestellung aufgestellt haben, nicht zu. Ich verweise auf das, was ich sagte. Das hat Gültigkeit. Es ist nun einmal so, dass darüber letztendlich nicht von politischer Stelle befunden wird. Das tun wir hier nicht, das wissen Sie. Sie wissen auch – das habe ich, meine ich, eben schon gegenüber Herrn Towfigh Nia gesagt -, dass wir uns besorgt über das Ausmaß von militärischem Vorgehen der israelischen Seite geäußert haben. Dies tut auch die Ministerin. Gleichzeitig ist aber natürlich klar, dass Israel sein Selbstverteidigungsrecht ausüben kann und dass das Grenzen des humanitären Völkerrechts haben muss. Die Ableitung des Ganzen machen andere. Das machen unabhängige Stellen.
Zusatz Warweg
Nur eine kurze Verständnisfrage: Sie meinten, das obliege unabhängigen Gerichten. In der Endinstanz haben Sie ja recht. Aber jetzt unterstützen mindestens 13 Länder die Genozidklage Südafrikas vor dem IGH. Deutschland ist das einzige Land, das die andere Seite wählt und Israel unterstützt. Das war sehr wohl ein politischer Akt. Daher sehe ich zumindest einen gewissen Widerspruch zwischen Ihrer vorherigen Aussage und der Tatsache, dass Deutschland Israel vor dem IGH beisteht.
Deschauer (AA)
Ich denke, dann müssten wir noch einmal auf die diversen Austausche zum Thema des IGH, die wir hier schon hatten, rekurrieren. Ich denke, das alles können Sie nachlesen. Deutschland ist im IGH-Verfahren keine beteiligte Partei, sondern hat, wie das im internationalen Völkerrecht üblich ist, eine Positionierung im Grundsatz abgeben können. Das kennen Sie, das haben Sie verfolgen können. Insofern gibt es hier keinerlei Widerspruch.
Aber ja, Deutschland hat an dieser Stelle und auch vor den internationalen Gerichten klar die Haltung zum Ausdruck gebracht, dass wir den Völkermordvorwurf nicht für stichhaltig ansehen, weil es eine klare Definition gibt, was ein Genozid, ein Völkermord ist. Das ist die intentionale Zerstörung einer ethnischen, religiösen Gruppe. Das können wir hier nicht erkennen. Wir sind, denke ich, auch nicht das einzige Land, das sich entsprechend geäußert hat.
Ich verweise aber noch einmal auf den ausführlichen Austausch zum IGH, den wir und auch der Regierungssprecher hier schon hatten. Das alles können Sie nachlesen.
Leserbriefe zu diesem Beitrag finden Sie hier.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 23.10.2024