Verteidigungsministerium und NATO verstricken sich in immer mehr Widersprüche zu CTF BALTIC in Rostock

Verteidigungsministerium und NATO verstricken sich in immer mehr Widersprüche zu CTF BALTIC in Rostock

Verteidigungsministerium und NATO verstricken sich in immer mehr Widersprüche zu CTF BALTIC in Rostock

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Sowohl Boris Pistorius als auch das Verteidigungsministerium betonten im Zusammenhang mit dem neuen „maritimen taktischen Hauptquartier“ in Rostock (CTF Baltic), dass es sich dabei um ein Bundeswehr-Kommando unter deutschem Oberbefehl („keine NATO-Struktur“) handeln und damit keinen Bruch von 2+4 darstellen würde. Am 22. Oktober verkündete die NATO allerdings in einer Erklärung „NATO Establishes Commander, Task Force Baltic“ („NATO ernennt Kommandeur und richtet Befehlsstab der Task Force Baltic ein“). Die NachDenkSeiten wollten vor dem Hintergrund unter anderem wissen, ob es auch bei anderen Bundeswehrstäben üblich sei, dass diese von der NATO ernannt werden. Die Antwort überrascht dann doch. Von Florian Warweg.

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Hintergrund

Die Koordinierung zwischen dem Bundesverteidigungsministerium (BMVG) und dem NATO-Hauptquartier in Brüssel scheint noch Verbesserungspotenzial zu haben. Am 21. Oktober hatte Boris Pistorius sowohl in seiner Rede anlässlich der Eröffnung des neuen maritimen taktischen Hauptquartiers (für die NATO) in Rostock als auch in seinem späteren Pressestatement mehrfach betont, dass es sich dabei um ein deutsches Kommando ohne Einbindung in NATO-Strukturen handeln würde. Einen Tag später legte das BMVG nochmals auf der Plattform X nach und erklärte, CTF Baltic sei „ein deutsches Hauptquartier“ und die ausländischen Verbindungs- und Austauschoffiziere ständen alle unter deutschem Kommando:

So weit, so gut. Allerdings hatten sie wohl ihre Rechnung ohne das NATO-Hauptquartier in Brüssel gemacht. Denn dieses veröffentlichte ebenfalls am 22. Oktober eine Presseerklärung zur Eröffnung von CTF BALTOC in Rostock mit folgender Überschrift:

„NATO ernennt Kommandeur und richtet Befehlsstab der Task Force Baltic ein“

Weiter heißt es in der NATO-Presseerklärung:

„Formal ist die CTF Baltic ein deutsches Hauptquartier mit multinationaler Beteiligung, das zunächst von einem deutschen Admiral geleitet wird. Die Position seines Stellvertreters wird zunächst von einem polnischen Flaggoffizier besetzt, die Position des Stabschefs von einem schwedischen Stabsoffizier. Ein turnusmäßiger Wechsel ist spätestens nach vier Jahren geplant. Den Kern des Personals bildet der nationale Einsatzstab DEU MARFOR, der seit 2019 im Hauptquartier der deutschen Marine eingerichtet ist.“

Hierbei fallen mehrere Dinge ins Auge. Zum einen die Betonung von „formal ist…“ und zum anderen, dass davon die Rede ist, dass dieses Hauptquartier „zunächst von einem deutschen Admiral geleitet wird“. Dies wird in Folge auch entsprechend erklärt mit dem Verweis darauf, dass „spätestens nach vier Jahren“ die Leitung „turnusmäßig“ an Schweden beziehungsweise Polen geht. Das heißt, während Pistorius und sein Ministerium öffentlich erklärten, dass es sich bei CTF BALTIC um ein „deutsches Hauptquartier“ handle, in dem die ausländischen NATO- Verbindungs- und Austauschoffiziere unter deutschem Kommando stünden, verkündet die NATO zeitgleich, dass dies nur „zunächst“ der Fall sei und in spätestens vier Jahren ein schwedischer oder polnischer Admiral CTF BALTIC leiten werde.

Doch bereits jetzt kann man hinterfragen, inwieweit das Verteidigungsministerium öffentlich davon sprechen kann, dass die ausländischen NATO-Offiziere unter „deutschem Kommando“ stehen, wenn zentrale Führungspositionen wie die des Vize-Befehlshabers und des Stabschefs von ausländischen NATO-Offizieren ausgefüllt werden. Welchen Sinn sollte denn bitte die militärische Position eines Vize-Befehlshabers sowie eines Stabschefs haben, wenn nicht die, Befehlsgewalt über die 180 Untergebenen im CTF Baltic in Friedens- und die 240 in „Krisenzeiten“ zu haben?

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 23. Oktober

Frage Warweg
Die NATO hat in ihrer jüngsten Presseerklärung vom 22. Oktober zur Öffnung der CTF Baltic getitelt „NATO Establishes Commander, Task Force Baltic“, also: NATO setzt Stab für CTF Balic ein. Der Verteidigungsminister hat allerdings am 21. Oktober anlässlich der Einweihung besagter Kommandozentrale sehr explizit gesagt, dies sei ein rein deutsches Hauptquartier. Ihr Haus hat gestern via X noch einmal nachgelegt und erklärt, die ausländischen Soldaten stünden alle unter deutschem Kommando. Da würde mich zunächst interessieren: Ist es bei deutschen Hauptquartieren und Dienststellen auch sonst üblich, dass die NATO diese einsetzt? Könnten Sie uns da einmal aufklären?

Collatz (BMVg)
Sehr gerne. – Wir haben ja schon gestern einiges an diplomatischen Dingen wahrgenommen. Nun ist es so, dass der russische Propagandaapparat eben tun muss, was Putin vorgibt. Wir haben da deutlich mehr Freiheiten, und ich kann die Fakten hier gerne noch einmal zusammenfassen, um diese Freiheiten dann auch gut zu nutzen.

Sie haben die NATO-Pressemitteilung richtig zitiert: „Establishes Commander“. Genauso haben wir das ja auch bezeichnet, nämlich dass wir die Aufgabe „Commander Task Force“ für die NATO wahrnehmen und dann auch einen Teil des Marinekommandos in Rostock zur Erfüllung dieser Aufgabe beauftragen. Es ist also eine Aufgabe, die das Marinekommando in Rostock wahrnimmt; es ist keine NATO-Struktur.

Zu Ihrer Frage, ob das üblich ist: Ja, in fast jedem größeren Kommando befinden sich Austauschoffiziere, Verbindungsoffizierinnen, die auf einem bestimmten Status dann diese Aufgaben wahrnehmen. Es ist auch eindeutig so, dass das nach dem 2-plus-4-Vertrag statthaft ist. Der 2-plus-4-Vertrag – darauf zielt die Kritik ja häufig ab – regelt eben nur die Stationierung von Truppenkörpern unter ausländischem Kommando in dem ehemaligen Gebiet der DDR, und das ist hier eindeutig nicht der Fall.

Beide Fragen kann ich also ganz eindeutig beantworten: Der Vorwurf, es gebe hier einen Verstoß gegen den 2-plus-4-Vertrag, ist falsch; das ist Fake News. Es ist gelebte Praxis, dass in deutschen Hauptquartieren, die sich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR befinden, Austauschoffiziere mit integriert werden. Es ist gängige Praxis im gesamten NATO-Bündnis, dass wir uns ständig auf dem Laufenden halten und dazu auch Personal austauschen, um die gegenseitige Praxis in den militärischen Dingen eben auch kennenzulernen und uns gegenseitig auf dem Laufenden zu halten.

Die NATO hat das eben beschrieben mit „Establish Commander“. Da ist es wichtig, Commander nicht mit Command zu verwechseln. Das ist eben eine Aufgabe, die wir für die NATO übernehmen. Auch das ist richtig und gut. – Ich hoffe, damit zur Klärung beigetragen zu haben.

Zusatzfrage Warweg
Just in dieser Pressemitteilung der NATO wird auch erwähnt, dass die Gesamtführung des Kommandos alle vier Jahre zwischen Schweden, Polen und Deutschland wechselt. Da würde mich noch interessieren: Wenn in vier Jahren ein polnischer oder ein schwedischer Admiral die Führung des CTF übernimmt, wäre das in der Logik der Bundeswehr dann auch weiterhin ein deutsches Hauptquartier unter deutschem Befehl?

Collatz (BMVg)
Sie haben es eben wieder falsch wiedergegeben, wenn ich das so direkt sagen darf. Es wechselt nicht das Command, sondern der oder die Commander. Das heißt, es zeigt eine Nation an, die Aufgabe zu übernehmen, und dann geschieht ein Wechsel, so wie das routinemäßig in der NATO immer geschieht. Das ist keine Rotation von Kräften und keine Rotation von Strukturen, sondern es ist eine Rotation in der Wahrnehmung der Aufgabe. So kann es sein, dass, wenn Schweden in vier Jahren diese Aufgabe übernimmt, Schweden dann sagt: Wir würden das gerne von unserem Teil des Hauptquartiers – von mir aus in Stockholm – aus wahrnehmen. Es ist nicht an den Ort gebunden. Es ist eine Aufgabe, die von einer Nation für die NATO übernommen wird. Es ist keine Errichtung eines Hauptquartiers, einer Struktur, eines Truppenkörpers. Das versuchte ich deutlich zu machen. Wenn es dazu Fragen gibt, dann stellen Sie die hier gerne, damit wir das hier abräumen können.

Anmerkung der Redaktion: Nach der Frage auf der Bundespressekonferenz zu der NATO-Pressemitteilung „NATO Establishes Commander, Task Force Baltic“ wurde diese kommentarlos auf der NATO-Seite gelöscht.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 23.10.2024