Eröffnung des neuen Hauptquartiers für die NATO in Rostock: „Vereint stehen wir, vereint kämpfen wir“

Eröffnung des neuen Hauptquartiers für die NATO in Rostock: „Vereint stehen wir, vereint kämpfen wir“

Eröffnung des neuen Hauptquartiers für die NATO in Rostock: „Vereint stehen wir, vereint kämpfen wir“

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Am 21. Oktober wurde mit großem Pomp das neue maritime taktische Hauptquartier für die NATO (CTF Baltic) von Verteidigungsminister Boris Pistorius und in Präsenz Dutzender ausländischer NATO-Offiziere in Rostock eingeweiht. Die NachDenkSeiten waren neben einem knappen Dutzend anderer Medien sowohl für den Festakt im Marinekommando als auch für die Besichtigung der neuen NATO-Kommandozentrale („Sperrzone Klasse 2“) akkreditiert. Eine teilnehmende Beobachtung in fünf Akten von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Inhaltsverzeichnis:

Akt 1: Protestkundgebung, lästernde Kollegen und Sprengstoffspürhunde für „Medienvertretende“

Von meinem Hotel in unmittelbarer Nähe zum Heimstadion von Hansa Rostock sind es nur wenige Meter bis zur Kopernikusstraße 1, dem Standort des „Marinekommando Rostock“ und seit Oktober nun auch die Adresse von CTF Baltic, dem maritimen taktischen Hauptquartier für jenes westliche „Verteidigungs“-Bündnis, das zumindest dem Namen nach gar nichts mit der Ostsee zu tun hat.

Zunächst nehme ich verwundert wahr, dass aus der Richtung des Marinekommandos die Stimme von Reinhard Mey mit „Nein, meine Söhne geb’ ich nicht“ erklingt. Das Geheimnis lüftet sich, sobald ich die Kopernikusstraße erreiche: Eine noch recht überschaubare Anzahl an Friedensaktivisten hat sich anlässlich der Einweihung vor dem Haupttor unter dem Motto „Die Ostsee muss ein Meer des Friedens sein“ versammelt (später wird diese Zahl noch laut Eigendarstellung der Organisatoren auf 270 Teilnehmer anwachsen).

Da es in der Presseeinladung des Verteidigungsministeriums hieß, dass man „bis spätestens 10 Uhr“ eintreffen solle, weil danach ein Einlass nicht mehr möglich sei, verzichtete ich darauf, die Protestierenden anzusprechen, und machte mich direkt auf den Weg zum Eingang der Kaserne. Ein Feldjäger hielt mich jedoch auf und wies mich darauf hin, dass der Treffpunkt für die Journalisten der dem Marinekommando vorgelagerte Parkplatz sei. Dort warteten auch schon einige Kollegen, vornehmlich vom ÖRR, die gerade dabei waren, über die Zusammensetzung und Transparentauswahl der Friedensaktivisten auf der anderen Straßenseite zu lästern.

Bald trafen dann auch drei Offiziere der Presseabteilung des Marinekommandos ein, darunter die mir schon von der Bundespressekonferenz bekannte Fregattenkapitänin Christina Routsi, die mittlerweile Leiterin des Presse- und Informationszentrums der Marine und Sprecherin des Inspekteurs der Marine ist. Unter all den Uniformträgern fiel der in Zivil gekleidete Haupt-Pressereferent Marcel van Nguyen ins Auge, laut eigener Darstellung Ansprechpartner für Marine im Allgemeinen und Angelegenheiten des Marinekommandos. Während mich die drei Offiziere wie auch der Pressereferent direkt mit festem Händedruck und professioneller Freundlichkeit begrüßten, umging die Leiterin des Presse- und Informationszentrums der Marine diesen Schritt. Ich zeigte ihr gegenüber allerdings auch kein großes Begrüßungsengagement, zu viel offene Antipathie hatte sie mir dafür schon in der BPK gezeigt.

Dann gab es eine kurze Ansprache vom Pressereferenten Nguyen, der kurz den geplanten Ablauf referierte – „gegen 11.45 Uhr kommt der Minister mit dem Hubschrauber …“ – und dann die Journalisten aufforderte, ihre Gepäckstücke und Kameras in parallelen Reihen aufzustellen, damit diese von den Feldjägern mit spezialisierten Hunden auf Sprengstoff kontrolliert werden können. Kaffee und Softdrinks und kleine Knabbereien ständen zur Verfügung.

In der Wartezeit verschaffte ich mir via Smalltalk einen groben Überblick über die anwesenden Journalisten. Die meisten stammen aus dem ÖRR-Umfeld (NDR, ARD und ihre Landesmedienanstalten von SWR bis NDR, DLF, ZDF), daneben dpa, TableMedia und Deutsche Welle. Von den regionalen Medien schien nur die Schweriner Volkszeitung präsent zu sein. Auffällig: Von den großen privaten Print- und TV-Medien war kaum jemand vor Ort. Fehlanzeige bei Spiegel, Süddeutsche, Focus, FAZ, RTL, Sat1 etc. Auch die Springer-Medien fehlten komplett, was mich dann doch überraschte. Dafür waren zwei Journalisten von Epoch Times anwesend.

Ebenso auffällig war die vollkommene Abwesenheit ausländischer Medien. Als ich dazu den Pressereferenten befragte, antwortete der mir, dass auch ihn das Desinteresse etwas verwundert. Zumindest die internationalen Nachrichtenagenturen Reuters und AP hätten sich angemeldet, wären aber schlussendlich nicht erschienen.

Nachdem die Sprengstoffprüfung ohne anschlagende Hunde absolviert war, wurden die Gepäckstücke noch entsprechend gekennzeichnet und dann ging es im Bus (!) die 300 Meter zum Marinekommando. Die Vertreterin von TableMedia sprach mich derweil auf meinen Tweet zur Eröffnung der NATO-Kommandozentrale an – der sei ja viral gegangen – und fragte, was ich von dem dazu veröffentlichten Faktencheck der Deutschen Welle halte.

Akt 2: Warten auf Pistorius und Grüße der iranischen und chinesischen Marine

Nach vielleicht zweiminütiger Busfahrt erreichten wir das Marinekommando, in dem der Festakt zur Einweihung stattfinden soll.

Während sich die Kamerafrauen und -männer um die besten Plätze schlugen, ließ ich meinen Blick schweifen, und dieser blieb an einer prominent platzierten Vitrine im Hauptsaal des Marinekommandos hängen. Ich trat näher. Was ich sah, überraschte mich dann doch.

Dort befanden sich Geschenke von befreundeten Marineverbänden. Allerdings wirkte der Inhalt, als wäre ich bei einer Zusammenkunft von Marineverbänden der BRICS-plus-Staaten und nicht in einem NATO-Land der „Zeitenwende“. Zentral positioniert fand sich eine Erinnerungsplakette der chinesischen Volksmarine, übereicht von Admiral Wu Shengli. Darunter die der iranischen Marine, übergeben von Admiral Khanzadi. Daneben sah ich noch zahlreiche weitere Plaketten aus Ländern des globalen Südens wie Indien, Libanon und Pakistan. Auch die russische Marine war, zumindest in der Vitrine des Marinekommandos, noch nicht gecancelt. Plaketten der westlichen „NATO-Partner“ waren sichtbar in der Unterzahl.

Meine weitergehende Analyse des Inhalts der Glasvitrine wurde dann allerdings von den zu Dutzenden hereinströmenden NATO-Offizieren der Ostsee-Anrainerstaaten unterbrochen, ich wurde auf das für die Journalisten vorgesehenen Halbrund im Saal verwiesen.

Die Wartezeit vertrieben sich die anwesenden NATO-Vertreter mit Smalltalk, außer – und das fiel in der Schar der munter plaudernden Militärs wirklich auf – der dunkelhäutige Vertreter der französischen Marine. Er war der Einzige, der von niemandem angesprochen wurde und die ganze Zeit verloren herumstand. Hier wäre es, so dachte ich mir, Aufgabe der Gastgeber gewesen, etwas integrativer tätig zu sein.

Kurz danach nahmen die unteren Grade stehend Haltung an, und die höheren Offiziersgrade nahmen auf den für sie reservierten Sitzen Platz – darunter die Crème de la Crème der deutschen Marine wie auch anderer Waffengattungen und hochrangige militärische Vertreter der Ostsee-Anrainerstaaten. Dazu gesellten sich englische und französische Offiziere, auch wenn diese Stand 21. Oktober 2024 noch über keinen bekannten Zugang zur Ostsee verfügen. In der uns zur Verfügung gestellten Pressemappe ist von „bereits durch die 12 Partnernationen entsandten Soldatinnen und Soldaten“ die Rede. Allerdings umfassen die gesamten Ostseeanrainerstaaten, inklusive Russland, nur neun Länder.

Akt 3: Pistorius, Schwesig und die Schlacht bei Trafalgar

Dann war es endlich (?) so weit. Der Hubschrauber aus Berlin war gelandet, und Verteidigungsminister Boris Pistorius erschien in Begleitung des Generalinspekteurs der Bundeswehr, General Carsten Breuer, sowie der SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig. Nicht anwesend war die Oberbürgermeisterin von Rostock, Eva-Maria Kröger (DIE LINKE). Auf Nachfrage erklärte mir der Marine-Pressereferent, dass sie sehr wohl eingeladen war, aber „aus terminlichen Gründen“ nicht kommen konnte. Nun ja, dachte ich bei mir, vielleicht weiß die OB auch, dass sie mit einer Teilnahme an dieser Veranstaltung in Rostock mit hoher Wahrscheinlichkeit keine einzige Stimme gewonnen hätte – wohl eher im Gegenteil.

Als Erste trat Ministerpräsidentin Schwesig ans Rednerpult und betonte in passablem Schulenglisch (alle Reden wurde auf Englisch gehalten), wie wichtig das Marinekommando und das neue Hauptquartier für die Stadt Rostock als Wirtschafts- und damit Arbeitsplatzfaktor seien. Sie schloss mit dem an die NATO-Vertreter im Raum gerichteten Satz: „Feel at home.“

Dann, es ist mittlerweile 12:20 Uhr, trat der deutsche Verteidigungsminister ans Rednerpult und brachte die erwarteten Phrasen: „side by side“, „our shared values“ etc. Er schloss mit der wohl durchaus als Drohung zu verstehenden Aussage, dass die Etablierung eines maritimen Hauptquartiers für die NATO in Rostock „nur ein Beginn“ sei:

Als Letzter erklomm der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan Christian Kaack, die Bühne und begann seine Rede mit dem Hinweis, dass heute ja der Jahrestag der entscheidenden Seeschlacht von Trafalgar (fand am 21. Oktober 1805 zwischen der englischen und französischen Marine statt) und die Eröffnung der NATO-Kommandozentrale CTF Baltic in Rostock just an diesem Tag wohl kein Zufall sei. Trafalgar hätte den Beginn einer neuartigen maritimen Angriffstaktik begründet, so Kaack, der darauf aufbauend zur Bedeutung von CTF Baltic in Rostock überleitete. Seine Rede schloss er mit dem Ausruf:

„United we stand, united we fight!“ (Vereint stehen wir, vereint kämpfen wir)

Dem folgten die offizielle Kommandoübergabe sowie die Enthüllung des CTF-Baltic-Wappens, dem Coat of Arms:

Abschluss fand das Ganze mit dem Singen der deutschen Nationalhymne, wobei sich die anwesenden deutschen Marineoffiziere dabei ähnlich „singfreudig“ zeigten wie die Spieler der deutschen Nationalmannschaft. Dies fand ich, mit wenig Bezug zu dieser Hymne, persönlich eher sympathisch – aber zugleich überraschend, mit wie wenig Inbrunst und Textsicherheit hier die Elite der deutschen Marine die Hymne ableierte.

Akt 4: Pistorius’ Versuch, die NachDenkSeiten zu diffamieren

15 Minuten später fand dann noch der Programmpunkt „Pressestatement BM Pistorius + Q&A“ statt. Das Statement entsprach ziemlich genau seinen vorherigen Darlegungen, nur halt diesmal in seiner Muttersprache. Danach gab es die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Die ÖRR-Vertreter erkundigten sich in bekannt kritischer Manier, wie man denn dem Russen noch besser in der Ostsee Einhalt gebieten kann. Vom Reporter der Schweriner Volkszeitung kam die Frage, was der Minister denn den vor den Toren protestierenden Aktivisten gerne mit auf den Weg geben würde. Auf die Frage der NDS, welcher Rechtsrahmen denn für die im CTF Baltic tätigen ausländischen NATO-Soldaten gelte, gerade auch im Falle von Straftaten – da sowohl NATO-Truppenstatut als auch Aufenthaltsvertrag für ausländische Soldaten in Ostdeutschland keine Geltung haben –, versuchte Pistorius zunächst, die NDS mit der Aussage zu diffamieren „Da ich ja weiß, für wen Sie fragen …“ – nur, um danach einräumen zu müssen, dass er keine Antwort auf die Frage hat und diese nachliefern müsse:

Akt 5: Letzter Programmpunkt „Besichtigung Operationszentrale CTF BALTIC für die Medienvertretenden“ sowie „Operation authentische Fotos“

Nachdem der „Da ich ja weiß, für wen Sie fragen“-Minister wieder seines Weges gegangen war, stand dann der Besichtigung des „Herzstücks“, wie es einer der Presseoffiziere formulierte, nichts mehr im Wege – nun gut, außer einer erstaunlich ungesicherten Glastür mit der Aufschrift „Militärischer Sicherheitsbereich – Sperrzone Klasse II“:

Diese durchquerten wir ungehindert und betraten die Operationszentrale CTF BALTIC. Dort erklärte uns Fregattenkapitänin Christina Routsi umgehend, dass wir durchaus Fotos schießen dürften – aber nur von der dafür vorgesehenen Position aus – und dass uns dann zwei Kapitäne Rede und Antwort stehen, „allerdings nur Unter 3“. Unter 3 bezeichnet im journalistischen Jargon Informationen, die man nur für den eigenen Informationsstand als Hintergrund erhält, die man aber weder direkt noch indirekt zitieren oder sonst wie veröffentlichen darf. Auch Ton- und Filmaufnahmen sind bei Unter 3 eigentlich ausgeschlossen. Um so verwunderter war ich, als ich bemerkte, dass der neben mir stehende ARD-Kameramann seine Kamera einfach weiterlaufen ließ. Ein anderer Vertreter einer ARD-Landesrundfunkanstalt ließ ebenfalls die ganze Zeit während des Gesprächs „Unter 3“ ungestört seinen Mikrofonstab über den Offizieren hängen; auch das macht eigentlich nur Sinn, wenn man weiterhin aufnimmt.

Sei‘s drum, dachte ich mir, allerdings nicht ganz ohne Neid, denn würde ich jetzt genauso mein Handy zücken und filmen wie der ARD-Kollege, hätte die Leiterin des Presse- und Informationszentrums der Marine mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit direkt interveniert – und das mit vollem Recht. Zudem bedauerte ich, dass man die Aussagen eines Marine-Kapitäns zu Nord Stream nicht zitieren darf, denn die hatten es in sich. Aber es gibt ja Gründe für „Unter 3“. Sehr wahrscheinlich haben ja aber wie dargelegt die Kollegen von der ARD dies in Bild und Ton festgehalten. Man weiß ja nie …

Fregattenkapitänin Routsi wollte dann, man merkte ihr die Unruhe an, die wild filmende und fotografierende Journalistenmeute lieber früher als später aus der Operationszentrale wieder heraus haben, ergab sich dann aber dem Wunsch eines weiteren ÖRR-Reporters. Dieser bat abschließend darum, ob sich die diensthabenden Offiziere nicht mal hinsetzen und so tun könnten, als würden sie tatsächlich arbeiten, das würde dann doch authentischer wirken. Gesagt, getan. Die Leiterin des Presse- und Informationszentrums der Marine gab die entsprechenden Anweisungen, und statt in ihren Ausgehuniformen herumzustehen, setzten sich nun die deutschen, polnischen und schwedischen Stabsoffiziere – mehr Nationen konnte ich aus meiner eingeschränkten Perspektive nicht identifizieren – auf ihre Bürostühle und taten so, als würden sie vor ihren abgeschalteten Bildschirmen irgendwas arbeiten. Ich fragte mich zwar, ob das jetzt wirklich viel „authentischer“ wirke, fotografierte aber ebenfalls eifrig mit:

Dann wurden wir wieder ans Tor geführt und mit Handschlag verabschiedet.

Vorhang zu und Happy End?

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Titelbild & Fotos: © Florian Warweg

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