Außenministerin Annalena Baerbock hatte in einem Interview mit dem Wochenmagazin Stern, in dem sie explizit als Außenministerin interviewt wurde, behauptet, die Erfolge des BSW seien „Produkt russischer Propaganda“ und die Partei stände „autokratischem Denken näher als dem Grundgesetz“. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, wie Frau Baerbock diesen Bruch mit ihrer Neutralitätspflicht als Ministerin rechtfertigt („parteiergreifende Stellungnahmen zulasten einzelner politischer Parteien muss die Regierung unterlassen“), und wie Kanzler Scholz mit diesem wiederholten Bruch der Neutralitätspflicht durch seine Minister, namentlich Baerbock und Habeck, umgeht. Die Antworten waren für ein paar Lacher gut. Von Florian Warweg.
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Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 16. Oktober 2024
Frage Warweg
Die Außenministerin hat in einem Interview mit dem „Stern“, in dem sie explizit als Außenministerin interviewt wurde, behauptet, die Erfolge des BSW seien Produkt russischer Propaganda und die Partei stände autokratischem Denken näher als dem Grundgesetz. Da würde mich interessieren: Wie rechtfertigt die Außenministerin diesen Bruch mit der Neutralitätspflicht als Ministerin?
Fischer (AA)
Das Schöne an der Ministerin ist ja, dass sie verschiedene Elemente in sich vereinigt: Sie ist Ministerin, sie ist Parlamentsabgeordnete, sie ist Mutter, sie ist Mitglied der Grünen. In dieser Funktion gibt sie Interviews, in diesem Rahmen hat das Interview stattgefunden und entsprechend stehen auch Ihre Worte für sich.
Zusatzfrage Warweg
Wie gesagt, Sie wurde in diesem Fall explizit als Außenministerin interviewt. – Herr Hebestreit, die parteipolitische Äußerungsbefugnis von Bundesministern ist klar eingegrenzt. Wenn ich kurz zitieren darf: „Die Äußerungsbefugnis einzelner Minister ist auf ihre Ressortzuständigkeit zu beschränken. Einseitig parteiergreifende Stellungnahmen zulasten einzelner politischer Parteien muss die Regierung unterlassen.“
Da würde mich interessieren: Wie geht denn der Kanzler mit diesem wiederholten Bruch der Neutralitätspflicht seiner Minister um? Plant er, Gespräche mit den Ministern, namentlich Habeck und Baerbock, zu führen, um diese wieder auf den Pfad der ministeriellen Tugend zu führen?
Regierungssprecher Hebestreit
Herr Warweg, Kollege Fischer hat schon deutlich gemacht, dass unsere Chefinnen und Chefs mehrere Funktionen auf sich vereinen. Sie haben jetzt versucht, das einzuschränken, indem Sie gesagt haben, die Außenministerin sei ausschließlich in ihrer Funktion als Außenministerin befragt worden. So einfach ist das aber nicht, sondern es sind eben unterschiedliche Positionen: als Bundestagsabgeordnete, als Wahlkreisabgeordnete, als Grünenpolitikerin und als Regierungsmitglied. Der Teil, der das Neutralitätsgebot angeht, bezieht sich explizit auf uns, die wir hier oben sitzen. Wir sind Regierungsbeschäftigte und äußern uns ausschließlich als Regierungsbeschäftigte. Deswegen dürfen wir uns da gar nicht groß einlassen. Deswegen gibt es Themen, über die ich mich wahnsinnig gerne intensiver auch mit Ihnen unterhalten würde. Das darf ich in meiner Funktion aber nicht. Darunter leiden manchmal Sie, darunter leide auch ich, aber das gehört sich so.
Ein Spitzenpolitiker hat mehrere Hüte auf, und je nachdem, was er gefragt wird, muss er auch auskunftsfähig sein. Ich stelle mir ein Interview vor, dass Sie mit der Außenministerin führen, Sie fragen etwas, und sie sagt unter Berufung auf das Neutralitätsgebot, darüber wolle sie mit Ihnen nicht sprechen. Insofern ist das etwas, bei dem es immer wieder um eine Abwägung geht, und diese Abwägung sieht auch der Bundeskanzler sehr genau und äußert sich auch.
Wir wissen auch, dass es ein Gerichtsurteil hinsichtlich der früheren Bundeskanzlerin gegeben hat, die sich nämlich auf einer Auslandsreise, hinsichtlich der das Verfassungsgericht nicht unterstellt hat, dass sie dort die unterschiedlichen Hüte wechseln kann, explizit zu einem Thema geäußert hat. Dabei wurde mit Verweis auf das Neutralitätsgebot nahegelegt, das künftig besser sein zu lassen. Daran halten wir uns auch. Aber in einem Printinterview, in einem Fernsehinterview oder in ähnlichen Interviews sind diese Bereiche nicht so klar voneinander zu trennen. Deswegen ist es genau richtig, was Herr Fischer gesagt hat, nämlich dass sich auch die Regierungsmitglieder, wenn sie eben mehrere unterschiedliche Hüte aufeinander vereinen, unterschiedlich äußern können. Dabei kommt es immer auf den Ort und auf die Zeit an.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 16.10.2024