Chinas wachsende Macht im Mittleren Osten

Chinas wachsende Macht im Mittleren Osten

Chinas wachsende Macht im Mittleren Osten

Ein Artikel von Ramon Schack

Die Volksrepublik China steigt auch im Nahen und Mittleren Osten zum Global Player ersten Ranges auf, während der Einfluss des Westens – vor allem des europäischen Westens – zunehmend schwindet. Von Ramon Schack.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Im Juli dieses Jahres haben in Peking die palästinensischen Fraktionen Hamas und Fatah eine Erklärung zur Beendigung ihres jahrelangen Konflikts unterzeichnet. Dadurch wurde ein Schritt in Richtung einer möglichen Lösung der tiefen Kluft zwischen den beiden Seiten eingeleitet, während der Krieg im Gazastreifen weiter tobt.

Palästinenser in Peking

Bei diesen Gesprächen in Peking hatten sich 14 palästinensische Gruppierungen, darunter die Hamas, miteinander versöhnt. Diese diplomatische Offerte der Volksrepublik stand im völligen Gegensatz zu der verfehlten und gescheiterten Strategie der europäischen NATO- und EU-Staaten, die sich in den letzten Jahren dazu herabließen, lediglich die außenpolitischen Interessen der USA zu vertreten. Peking ist in der Region als Global Player nicht unbekannt. Bis in die 1970er-Jahre war das Verhältnis von China und den Staaten des Nahen Ostens durch den antikolonialen Kampf verbunden und den Versuch Chinas, allen voran Mao Zedongs, das Führungsland der vom US-Imperialismus und dem westlichen Kolonialismus geschädigten Welt zu bekämpfen.

Ab den 1990er-Jahren, mit dem Ende des Kalten Krieges, hat man dann einen betont neutralen Kurs vertreten, was nicht immer vollständig funktionierte. In den letzten Jahren, nach dem Scheitern der strategischen Entwürfe im Nahen Osten, stieg der Einfluss der Volksrepublik China vor Ort – besonders durch die von Peking eingeleitete Entspannungsinitiative zwischen den beiden regionalen Hauptakteuren Iran und Saudi-Arabien. Washington hatte diesbezüglich jede Glaubwürdigkeit verloren, konnte also die Rolle des honest broker, des „ehrlichen Maklers“ nicht mehr vertreten, da die Beziehungen der Supermacht zu Saudi-Arabien und zu Israel extrem einseitig waren und sind. Die Volksrepublik hingegen konnte und kann glaubwürdig klarmachen, dass es für alle Akteure von Vorteil ist, eine Großmacht zu haben, die sich nicht einseitig positioniert, sondern mit allen Akteuren gute Verbindungen pflegt. Während der Westen unter der Führung der USA die Spannungen gegenüber Iran, Russland und der Volksrepublik eskalieren lässt, stilisiert sich Peking als gesprächsbereiter Hegemon.

Special Relations zwischen Teheran und Peking

Bei dem chinesischen Engagement im Nahen Osten stehen neben Iran und Saudi-Arabien, Ägypten und der Türkei die Golf-Emirate und Katar im Fokus. Von einer Art Special Relations sind aber die Beziehungen zu Teheran geprägt. Schon zu Zeiten des Shahs, als Teheran als westlicher Alliierter in der Region fungierte – wenn auch nicht so unterwürfig wie heute manche europäische Alliierte –, pflegten die Volksrepublik und das Kaiserreich engen Kontakt. Nach der Revolution von 1979 änderten sich die strategischen Kontakte nicht grundlegend, vor allem deshalb nicht, weil in Peking die neue Regierung in Teheran weniger als religiös-fundamentalistisch, sondern mehr als antiwestlich wahrgenommen wurde. Der Niedergang des US-Einflusses kam dem verstärkten chinesischen Engagement vor Ort natürlich entgegen.

China als „Weltmacht im Zentrum internationaler Beziehungen“

Allerdings liegt der Politik Pekings weit weniger ein strategischer Plan zugrunde, als man im Westen häufig unterstellt, sondern die chinesische Regierung verfolgt das Ziel, bis zur Mitte des Jahrhunderts wieder ein „Reich der Mitte“, also die Weltmacht im Zentrum internationaler Beziehungen zu werden. Um dieses Ziel zu erreichen, werden diverse Methoden ausprobiert, wobei die Seidenstraßen-Initiative eine sehr wichtige ist. Es wäre jedoch ein Irrtum anzunehmen, dass Peking dabei blind in die Fußstapfen Washingtons tritt. Chinas Definition einer Weltmacht ist grundsätzlich eine andere. Vor allem spielt hierbei der Zusammenbruch der UdSSR, aus dem man in der Volksrepublik wichtige Lehren zu ziehen glaubt, eine ebenso wichtige Rolle wie der graduelle Abstieg der USA. Aus beiden Phänomenen versucht man in Peking, die richtigen Schlüsse zu ziehen, um geostrategisch erfolgreich agieren zu können. Als Gründe für beide Entwicklungen erkennt man eine gewisse imperiale Überdehnung, flankiert von dem Prozess, in regionale Konflikte hereingezogen zu werden, was man auf chinesischer Seite tunlichst zu vermeiden sucht.

Wichtig ist dabei: China möchte eine neue Rolle formulieren und nicht die nächsten USA werden. Man hat sich genau angeschaut, warum die Sowjetunion zerfallen und der Abstieg der USA in den vergangenen Jahren erfolgt ist. Einen Grund dafür sieht man darin, wirtschaftlich wie politisch in regionale Konflikte hereingezogen zu werden. Also versucht man, das zu vermeiden. Dabei geht es vornehmlich darum, die wirtschaftliche Einbindung in die Welt und auch die große wirtschaftliche Abhängigkeit, die in vielen Regionen inzwischen gegenüber China besteht, in eine politische Rolle zu überführen. Die Volksrepublik kauft beispielsweise Öl von Konkurrenten wie Saudi-Arabien und Iran, betreibt aber weiter Handel mit Israel und investiert in dessen Hightech-Sektor – trotz der propalästinensischen Rhetorik. Diese diplomatische Flexibilität kommt den Gegebenheiten der Region entgegen und stärkt Pekings Einfluss.

Die Pekinger Erklärung

Das Treffen der 14 palästinensischen Gruppierungen, darunter die islamistische Hamas, welches in Peking nach Angaben von Chinas Außenminister Wang Yi zu der Einigung führte, eine nationale Interimsregierung der „Versöhnung“ für den Gazastreifen nach dem Krieg einzurichten, ist auch unter diesen Aspekten zu betrachten. In der sogenannten „Pekinger Erklärung“ sei deshalb die Bildung einer „nationalen Interimsregierung zur Versöhnung” vereinbart worden, ließ das Außenministerium Pekings verlautbaren. Diese Übereinkunft war sicherlich eher von symbolischer Bedeutung, ließ aber die Anerkennung der Volksrepublik in der Region wachsen, wie Gedaliah Afterman, der Vorsitzende des Asia-Israel Policy Program am Abba Eban Institute for Diplomacy der Reichman University in Israel, feststellt. So viel ist aber sicher: Chinas Unterstützung für die Palästinenser wird als Mittel angesehen, das Ansehen der Volksrepublik in der außerwestlichen Welt zu steigern, während gleichzeitig das der USA sinkt.

Titelbild: Shutterstock / Oleg Elkov

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