Russische Sabotage: Wollen unsere Geheimdienste uns eigentlich für dumm verkaufen?

Russische Sabotage: Wollen unsere Geheimdienste uns eigentlich für dumm verkaufen?

Russische Sabotage: Wollen unsere Geheimdienste uns eigentlich für dumm verkaufen?

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Wenn ich an Sabotage gegen Deutschland denke, fällt mir zuerst der Terroranschlag gegen Nord Stream ein. Die deutschen Geheimdienste legen aber das Hauptaugenmerk auf ein brennendes DHL-Päckchen, für das Russland verantwortlich gemacht wird, was aber wohl noch gar nicht belegt ist. Die Urteile der Geheimdienste werden durch Ideologie überlagert. Das kann zu irregeleiteter Politik führen. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

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Die Chefs der Nachrichtendienste BND, Verfassungsschutz und MAD haben am Montag im Bundestag von Aktivitäten russischer Geheimdienste berichtet, wie etwa dpa in einem von zahlreichen Medien nachgedruckten Artikel vermeldet. „Wir beobachten ein aggressives Agieren der russischen Nachrichtendienste“, erklärte demnach etwa Thomas Haldenwang, Chef des Verfassungsschutzes. Besonders Spionage und Sabotage durch russische Akteure hätten in Deutschland zugenommen – und zwar „sowohl quantitativ als auch qualitativ“. Einen Eindruck vom Vortrag der Geheimdienstchefs kann man sich auch in den „Tagesthemen“ vom 14. Oktober machen.

Geheimdienst-Drama im Parlament

Meiner Meinung nach war dieser Vortrag im Parlament eine absurde und dramatisierende Veranstaltung. Das macht sich schon daran fest, dass der Aufklärungswille der deutschen Geheimdienste beim gravierenden Terror-Anschlag gegen die deutsch-russischen Nord-Stream-Pipelines in Richtung Null geht, zumindest dem Eindruck nach. Wenn dann gleichzeitig erheblich weniger gravierende und zusätzlich nebulöse Vorfälle, deren russische Urheberschaft außerdem wohl noch gar nicht abschließend geklärt ist, zur großen Gefahr aufgeblasen werden, dann sind Zweifel an der Motivation unserer Geheimdienstchefs angebracht. Aufsehen erregt momentan vor allem ein angebliches russisches Attentat auf ein Flugzeug mit einem brennenden DHL-Paket.

Allgemein: Ein Attentat (Nord-Stream) wiegt nicht das andere Attentat (DHL-Paket) auf, auch soll hier kein Whataboutism betrieben werden. Zusätzlich wird betont, dass mutmaßlich alle mächtigen Staaten (auch Russland) in zugespitzten Situationen zum letzten Mittel der Sabotage greifen könnten, was diese Praxis nicht rechtfertigt. Deutschland ist mutmaßlich erheblich stärkerer Einflussnahme von anderen Seiten ausgesetzt als von russischer Seite. Trotzdem gibt es sicherlich auch russische Versuche der Einflussnahme und auch diese Versuche sollten vereitelt werden. Diese Feststellungen haben aber zunächst noch nichts mit konkreten Vorwürfen zu tun.

Aber auch wenn der konkrete aktuelle Vorwurf für sich betrachtet wird: Eignet sich der Paket-Vorfall für antirussische Panikmache? Denn auch bei dem nun stark betonten Vorfall mit einem sich entzündenden DHL-Paket ist eine russische Urheberschaft noch gar nicht gesichert – wenn die gesichert wäre, kann man davon ausgehen, dass wir Bürger das Tag und Nacht zu hören bekommen würden, weil so ein schwerwiegender russischer Angriff (zu Recht!) eine Steilvorlage für schärfste Reaktionen wäre – und Russland mit so einem Attentat laut einigen Beobachtern prinzipiell sogar einen NATO-Bündnisfall hätte auslösen können. In der Leipziger Volkszeitung heißt es dazu:

In Sicherheitskreisen hieß es, man wundere sich, dass der Fall bisher nicht mehr öffentliche Aufmerksamkeit gefunden habe. Denn wenn man davon ausgehe, dass es sich um ein geplantes Attentat auf ein Flugzeug gehandelt habe, dann sei der Fall nah am Nato-Bündnisfall. Ein Bündnisfall tritt nach Artikel 5 des Nato-Vertrages immer dann ein, wenn ein Nato-Partner angegriffen wird und die anderen Nato-Staaten zum Beistand verpflichtet sind. Ein Sprecher des Generalbundesanwalts in Karlsruhe sagte der LVZ am Montag: ‚Die Bundesanwaltschaft führt Ermittlungen zu Paketsendungen, die im Juli während ihres Transports über das DHL-Frachtzentrum in Leipzig in Brand geraten sind. Weitere Auskünfte werden derzeit aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht erteilt.’“

Auch der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Konstantin von Notz (Grüne), bestätigte gegenüber Medien, das es sich bei der Paket-Sache um einen noch unbestätigten Verdacht handele: „Wenn sich der Verdacht bestätigt, dass es sich hier um eine gezielte Sabotageaktion handelt, dann haben wir es mit einem hochdramatischen und gravierenden Vorfall zu tun.“ Ja: Aber auch nur dann.

„Der BND braucht deutlich mehr operative Beinfreiheit“

Viele Medienberichte sprechen von einem „mutmaßlich von Russland initiierten Brand eines Luftfrachtpakets am Flughafen Leipzig/Halle“ – worauf sich diese Mutmaßungen stützen, wird nicht deutlich. Trotzdem heißt es:

In Sicherheitskreisen wird davon ausgegangen, dass der Vorfall im Zusammenhang mit russischer Sabotage steht.

Nun müssen Geheimdienste naturgemäß nicht alle Quellen etc. offenlegen, die sie zu einem Urteil führen. Damit man ihnen aber dennoch Glauben schenkt, muss Vertrauen vorhanden sein, was bei vielen Bürgern mutmaßlich nicht mehr der Fall ist. Angesichts der schrägen momentanen Prioritäten der Geheimdienste (unter vielem anderen bei der Untätigkeit bezüglich Nord-Stream) sollten handelnde Politiker sehr gründlich überlegen, bevor sie auf Basis solcher Darstellungen durch Geheimdienste praktische Politik folgen lassen.

Eine Motivation für die hier beschriebenen Dramatisierungen könnte die Forderung nach mehr Befugnissen sein, die sowohl MAD-Chefin Martina Rosenberg als auch BND-Chef Bruno Kahl formulierten. So sagte Kahl, er mache sich ernsthafte Sorgen angesichts der starken Einschränkung der Befugnisse der deutschen Nachrichtendienste. Der BND brauche „deutlich mehr operative Beinfreiheit“, um seinen Auftrag effektiv erfüllen zu können.

Ideologie und Geheimdienste – Eine gefährliche Mischung

Eine nachdenkliche Distanz gegenüber fragwürdigen Analysen von Geheimdiensten ist also wichtig, aber bei vielen aktuell verantwortlichen Politikern ist sie offenbar nicht vorhanden – das belegen Äußerungen von Politikern, die in den „Tagesthemen“ zitiert werden.

Die Kombination aus mutmaßlich nicht nur sachlich, sondern zum Teil ideologisch motivierten Geheimdiensten einerseits und vermutlich ebenso geprägten Politikern andererseits kann sehr gefährlich sein.

Titelbild: Screenshot Tagesschau

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