Strengere Meldepflichten und kein Geld: Das Feindbild Arme rückt wieder in den Fokus der Politik

Strengere Meldepflichten und kein Geld: Das Feindbild Arme rückt wieder in den Fokus der Politik

Strengere Meldepflichten und kein Geld: Das Feindbild Arme rückt wieder in den Fokus der Politik

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Nach außen das Feindbild Russland, nach innen das Feindbild Arme. Wieder ist zu beobachten, wie die Politik den Druck nach unten erhöht. Die Armen, die Bürgergeldempfänger: Sie werden zum Fixpunkt einer Politik, die auf der einen Seite mit Milliarden den Krieg in der Ukraine unterstützt und auf der anderen Seite meint, gegen jene vorgehen zu müssen, die ohnehin ganz unten stehen. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

So war es im Zuge der Agenda 2010, so ist es heute. Nun plant die Ampel strengere Meldepflichten beim Bürgergeld. Als ob die Auswirkungen einer seit langem andauernden katastrophalen Politik damit behoben werden könnten.

Mit einer „schärferen Meldepflicht“ gegen Arbeitslose: So „will die Regierung künftig mehr Bürgergeldempfänger in Arbeit bringen“, heißt es auf Tagesschau.de.

Einfach muss die Welt in der Ampel gestrickt sein. Druck auf Arbeitslose erhöhen, zum Rapport antanzen lassen. Und schon sind die „Faulen“ in den Arbeitsmarkt integriert. Gibt es eigentlich innerhalb der Regierung noch so etwas wie Kompetenz?

Man muss bei diesem Vorhaben nicht lange nachdenken, um zu erkennen, welch ein Geist hier der Antrieb ist. Es ist ein alter Bekannter. Schon die Agenda 2010 war geprägt von der Annahme, dass ein großer Teil der Arbeitslosen und Transferleistungsbezieher es sich einfach in der „sozialen Hängematte“ bequem machte. Sprich: Zu Viele könnten arbeiten, aber wollen es nicht. Das Ergebnis war ein System an Gängelungen, Schikanen und schließlich eine brutale Spaltung in der Gesellschaft. Ressentiments, Vorurteile und Argwohn, die ohnehin in Teilen der Bevölkerung gegenüber den Armen anzutreffen waren, hat die Politik stimuliert und geschickt eingesetzt, um von ihren eigenen politischen Fehlern, Unzulänglichkeiten und Zumutungen abzulenken.

Geht es dem Land schlecht, braucht es einen Sündenbock. Bequemerweise sind das die Armen. Die haben schließlich kaum eine kraftvolle Lobby. Das war damals so. Das ist heute so.

Eine „erhöhte Kontaktdichte“ solle sicherstellen, „dass vorhandene Integrationschancen besser genutzt werden“. So heißt es laut Tagesschau in einem „Entwurfspapier, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt“.

Die Nachricht gliedert sich an eine weitere aktuelle Meldung an, wonach Arbeitslose, die ein Jahr an einem Arbeitsplatz durchhalten, mit einer „Durchhalteprämie“ in Höhe von 1.000 Euro belohnt werden könnten. Kaum war die Nachricht verkündet, stellten sich Kanzler und andere Politiker auf die Hinterbeine. So sagte Manuela Schwesig etwa:

Diese 1000 Euro gehen gar nicht. Ich seh‘ das genausso, wie das ein Journalist gesagt hat. (…) Und wir, gerade als Sozialdemokraten, müssen ganz stark aufpassen – und ich bin die Letzte, die nicht für soziale Unterstützung ist, dafür bin ich bekannt –, aber wir müssen an die denken, die jeden Tag hart arbeiten, die morgens aufstehen, zur Produktion fahren, alleinerziehend arbeiten, die dürfen nicht den Eindruck haben, dass wir jetzt noch diejenigen, die arbeiten könnten, äh, extra belohnen, sondern Arbeit muss belohnt werden.“

Der Logikbruch in den Aussagen wird auch im Internet bemerkt: Moment: “Leute, die in Arbeit sind, müssen unterstützt werden” – aber “diese 1000 € …” – für Leute, die in Arbeit sind – “… gehen gar nicht”?, heißt es ironisch fragend auf der Plattform X.

Bei Lichte betrachtet stolpert Schwesig über ihren eigenen Spaltungsansatz. Inzwischen kann man es als Praxis auch der SPD bezeichnen, Arme gegen Ärmste auszuspielen. Aus jeder der hier angeführten Zeilen fließt die von der SPD ohnehin mit Hartz IV kultivierte Spaltung. Tenor: Die einen dürfe man nicht „belohnen“, weil das ungerecht gegenüber den anderen sei. Was soll man anderes dazu sagen als: billigste Kindergartenpolitik.

Hinzu kommt: Der Vorschlag, Arbeitslosen, die ein Jahr in Arbeit bleiben, 1.000 Euro als Durchhalteprämie anzubieten, bedient unterschwellig das Bild vom wenig Arbeitswilligen, der allenfalls durch „Anlocken“, also durch die Aussicht auf ein „Geldgeschenk“, doch bereit sei zu arbeiten.

Immer wieder sind in der öffentlichen Diskussion offene oder verdeckte Spitzen gegen Arbeitslose zu finden. Ressentiments gegenüber jenen, die ganz unten stehen, sind in der Politik offensichtlich fest verankert.

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Titelbild: 9nong / Shutterstock

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