600 Parlamentarier aus 73 Ländern haben am 20. September einen Offenen Brief veröffentlicht, in welchem die USA aufgefordert werden, Kuba von der „Liste der staatlichen Förderer des Terrorismus“ zu streichen. Die Listung wird allgemein als Willkürakt im Zuge des US-Wirtschaftskrieges gegen Kuba gewertet und hat massive Auswirkungen auf die Versorgung der Zivilbevölkerung, da dort aufgeführte Länder von allen relevanten internationalen Finanztransaktionen ausgeschlossen sind. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob die Bundesregierung die Listung Kubas durch den US-Partner als gerechtfertigt ansieht. Die Antwort fiel erstaunlich deutlich aus. Von Florian Warweg.
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Hintergrund
Neben dem genannten Offenen Brief der 600 Parlamentarier aus 73 Ländern hatte bereits Ende Juli 2024 eine Arbeitsgruppe unabhängiger internationaler Experten des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen die USA dazu aufgerufen, Kuba von der „Liste der staatlichen Förderer des Terrorismus“ (SSOT) zu nehmen und auf die „anhaltenden wirtschaftlichen und humanitären Probleme“ auf der Karibikinsel verwiesen, insbesondere im medizinischen Bereich:
„Die Listung Kubas hat die ohnehin schon komplizierten Genehmigungsverfahren für die Ausfuhr von Arzneimitteln und medizinischer Ausrüstung in das Land weiter erschwert. Dies hat nach und nach zu schwerwiegenden Engpässen in allen prioritären Gesundheitsbereichen geführt, einschließlich der Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, der pädiatrischen Onkologie, der Onkologie und sogar der Geburtshilfe und Gynäkologie.
Die US-Regierung muss die Beschränkungen aufheben, die Kuba aufgrund des langjährigen Embargos und der kürzlichen Listung in der SSOT auferlegt wurden.“
Abschließend heißt es in der Erklärung:
„Unter Hinweis auf alle UN-Resolutionen, in denen die negativen humanitären Auswirkungen einseitiger Zwangsmaßnahmen hervorgehoben werden, und auf Grundlage der breiten internationalen Unterstützung für die Aufhebung des Kuba-Embargos fordern wir die US-Regierung nachdrücklich auf, allen ihren internationalen Menschenrechtsverpflichtungen, auch extraterritorial, in vollem Umfang nachzukommen und unverzüglich Maßnahmen zur Beendigung solcher Maßnahmen zu ergreifen.”
#USA: Experts call for removal of #Cuba from US States Sponsors of Terrorism list & lifting of embargo which has caused grave humanitarian impact and affected the availability of essential goods, such as food & medicine.https://t.co/cqXFl14oil pic.twitter.com/1WTsVLzjc6
— UN Special Procedures (@UN_SPExperts) July 30, 2024
Die für BPK-Verhältnisse klare Antwort der Bundesregierung, dass diese sich für die Streichung Kubas von der Liste der staatlichen Terrorunterstützer einsetze und dies „ein wichtiger Schritt auch zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage in Kuba” sei, spricht Bände darüber, wie die Bundesregiering diese Listung durch ihren „engen Partner“ aus völker- und menschenrechtlicher Sicht bewertet.
Wieso ist Kuba überhaupt auf der US-Liste „Staatssponsor des Terrorismus“?
Kuba war ab 2012 Gastland und Garantiestaat der Friedensgespräche mit der kolumbianischen FARC-Guerilla und ab Mai 2018 auch für die Verhandlungen mit einer weiteren kolumbianischen Guerilla-Bewegung, der Nationalen Befreiungsarmee (ELN). Der damalige Präsident Kolumbiens Iván Duque forderte nach Abbruch der Verhandlungen mit der ELN im Jahr 2019 die Auslieferung ihrer Delegierten. Die kubanische Regierung verweigerte dies und erklärte, sie halte die gemeinsam mit Norwegen unterzeichneten Protokolle über den Friedensdialog strikt ein, die vorsahen, dass im Falle eines Abbruchs der Gespräche den ELN-Delegierten Aufschub zur Ausreise und Rückkehr zu ihren Einheiten garantiert wird.
Donald Trump hatte dies, wohlgemerkt eine völkerrechtliche Verpflichtung, die Kuba als Garant von Friedensverhandlungen eingegangen war, in seiner letzten Amtswoche als US-Präsident im Januar 2021 zum Anlass genommen, Kuba auf die US-Liste von terrorunterstützenden Staaten zu setzen. Sein Außenminister Mike Pompeo erklärte damals, Havanna habe „wiederholt Unterstützung für Akte des internationalen Terrorismus geleistet, indem es Terroristen einen sicheren Hafen gewährt”. Er führte die Anwesenheit von Mitgliedern der kolumbianischen ELN-Guerilla auf der Karibikinsel an. Die kubanische Regierung verweigere zudem die Auslieferung von mindestens zwei Mitgliedern der US-amerikanischen Schwarzen Befreiungsbewegung: Joanne Chesimard (73), die international als Assata Shakur bekannt ist, und Charles Lee „Charlie” Hill (71). Beide werden seit Anfang der 1970er-Jahre vom FBI gesucht und hatten politisches Asyl auf der karibischen Insel erhalten.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 25. September 2024
Frage Warweg
600 Parlamentarier aus 73 Ländern haben am 20. September einen offenen Brief veröffentlicht, in welchem die USA aufgefordert werden, Kuba von der Liste der staatlichen Förderer des Terrorismus zu streichen. Die Listung hat massive Auswirkungen auf die Versorgung der Zivilbevölkerung derjenigen Länder, die darin aufgeführt werden, da sie von allen relevanten Finanztransaktionen ausgeschlossen sind. Diese Listung geschah in den letzten Tagen der Trump-Administration, aber Biden hat das auch nicht geändert. Da würde mich interessieren: Sieht die Bundesregierung die Listung Kubas durch den US-Partner als Staatssponsor des Terrorismus als gerechtfertigt an?
Wagner (AA)
Die Bundesregierung setzt sich mit ihren EU-Partnern dafür ein, dass Kuba von der Liste der staatlichen Terrorunterstützer gestrichen wird. Das wäre ein wichtiger Schritt auch zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage in Kuba.
Zusatzfrage Warweg
Nach Ansicht von UN-Experten werden mit der Listung – ich zitiere kurz – grundlegende Menschenrechte einschließlich des Rechts auf Nahrung, des Rechts auf Gesundheit, des Rechts auf Bildung, der wirtschaftlichen und sozialen Rechte unterminiert. Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung der UN-Experten?
Wagner (AA)
Ich finde, das ist jetzt eine Wiederholung der Frage, die Sie mir davor gestellt haben. Ich habe ja gerade gesagt, wie wir zu dieser Terrorlistung durch die USA stehen.
Zusatzfrage Warweg
Menschenrechtsverletzungen hatten Sie ja noch nicht angesprochen. Aber dann teilen Sie das auch?
Wagner (AA)
Es gibt vor allen Dingen auch Menschenrechtsverletzungen des kubanischen Regimes gegen seine eigene Bevölkerung, aber das wäre jetzt ein anderes Thema.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten