Anpassung wird belohnt: Staatspreise für Tote Hosen und Alena Buyx

Anpassung wird belohnt: Staatspreise für Tote Hosen und Alena Buyx

Anpassung wird belohnt: Staatspreise für Tote Hosen und Alena Buyx

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Verdienstorden der BRD für Alena Buyx, NRW-Staatspreis für die Band: Wer brav das Lied der Regierenden singt, der kann mit offizieller Belobigung rechnen. Es bleibt dabei: Seriöse regierungskritische Stimmen werden auf härteste Weise diffamiert, aber wer für Impfung oder für Aufrüstung trommelt, der erhält einen Orden. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

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Die Band „Die Toten Hosen“ erhält am 30. Oktober den Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen, wie Medien berichten. Die Deutschrock-Band soll laut Staatskanzlei unter anderem „für ihr jahrzehntelanges soziales und gesellschaftliches Engagement“ geehrt werden, heißt es aus der Staatskanzlei. „Ministerpräsident Wüst ergänzte, die Band würde ihre Popularität nutzen „für eine klare Positionierung gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und rechtsextreme Gewalt und für die Unterstützung von Menschen am Rande der Gesellschaft und in Notlagen“. Sänger Campino und seine Kollegen seien nicht nur musikalische, sondern auch menschliche Vorbilder.

Angepasste Verstärkung der offiziellen Meinungsmache für Militarisierung

Ich finde nicht, dass die Band einen solchen Vorbild-Charakter hat. Mir kommen die Mitglieder eher vor wie Schönwetter-Engagierte: Haben sie sich nicht jahrelang auf öffentlichen Bühnen als Streiter für „die Demokratie“ etc. feiern lassen, solange es dafür keinen Mut brauchte? Und haben sie dann nicht (im besten Fall) die Klappe gehalten, als es dann wirklich mal darauf ankommen wäre, etwa bei den Themen Corona und Aufrüstung? Insofern hat zumindest das Sprachrohr der Band, der Sänger Campino, bei den Themen Corona-Impfung und Ukrainekrieg eine ziemlich peinliche Angepasstheit an den Tag gelegt. Zum Thema Impfung sei unter anderem an diese fragwürdige Aktion der deutschen „Musik-Elite” zur Unterstützung der offiziellen Impfkampagne erinnert, über die etwa die Frankfurter Rundschau damals schrieb:

Die Ärzte, die Toten Hosen, Jan Delay und Co. – Deutsche Musik-Elite ruft zum Impfen auf.

Und beim Thema Ukrainekrieg kann ich manche Äußerungen von Sänger Campino nur als total angepasste Verstärkung der offiziellen Meinungsmache für Militarisierung und Aufrüstung empfinden – etwa als er bereits 2022 der dpa Folgendes mitgeteilt hat:

Gerade lernen wir doch eindrücklich, warum eine Identität als Europäer so wichtig ist und warum wir eine Wertegemeinschaft sein müssen“, sagte der Musiker mit dem bürgerlichen Namen Andreas Frege, der sich politisch links und als Wähler bei den Grünen verortet. „Das hat dann leider auch etwas mit Aufrüstung zu tun. Wir können es uns nicht leisten, völlig wehrlos gegenüber Despoten zu sein, wie Putin einer ist, der alte Machtfantasien auslebt. So einen Mann kann man nur stoppen, wenn er auch Respekt vor der Gegenseite hat.

Ich würde wetten, dass die Band den Staatspreis nun nicht erhalten würde, wenn sie sich bei den Fragen Corona und Aufrüstung anders positioniert hätte – darum empfinde ich die Verleihung als eine offizielle Belohnung für eine brave Unterstützung der offiziellen „Narrative“ bei den genannten Themen.

Eine Unterstützung der gefährlichen offiziellen Politik durch weite Teile der etablierten Kulturszene ist wichtig für die aktuelle militaristische Meinungsmache, wie wir kürzlich etwa im Artikel „Anerkannte Kulturträger und Wissenschaftler unterstützen unser Anliegen“ beschrieben haben. Auf die enttäuschende Positionierung weiter Teile der etablierten deutschen Kulturszene zu wichtigen politischen Fragen sind wir etwa in den Artikeln „Wer solche Künstler hat, braucht keine Mitläufer mehr” oder „ Jämmerliches „Kabarett“: TV-Satiriker schützen die Kriegspolitik” eingegangen.

Noch ein Wort dazu, dass die Band überall den Zusatz „Punk“ erhält: Die Toten Hosen machen nach meinem Empfinden deutschen Mainstream-Rock, der weder inhaltlich noch musikalisch irgendjemandem wehtut. Insofern könnte man indirekt zuspitzen: Sie haben so viel mit Punk zu tun, wie Alena Buyx mit „Ethik“.

Alena Buyx erhält Verdienstorden der BRD

Auch die ehemalige Chefin des deutschen „Ethikrates“, Alena Buyx, erhält in naher Zukunft eine hohe offizielle Ehrung. So wird sie am 1. Oktober von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Tag der Deutschen Einheit mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet, wie das Bundespräsidialamt mitteilt. Demnach leisten die Ausgezeichneten (also angeblich auch Buyx!) „einen wichtigen Beitrag für das gegenseitige Verständnis und den gesellschaftlichen Dialog in der Bundesrepublik“. Buyx sei „eine der engagiertesten Stimmen zu Fragen des gesellschaftlichen Wandels in unserer Zeit“. Wie wichtig ihr Engagement als Beraterin in ethischen Fragen von Politik, Gesellschaft und Wissenschaft sei, das sei „besonders während der Corona-Pandemie deutlich“ geworden:

Trotz zum Teil massiver Anfeindungen war sie eine stets präsente Mittlerin, die den Konflikt zwischen staatlichen Schutzmaßnahmen und individuellen Freiheitsrechten verständlich erläutert hat. (…) Alena Buyx leistet damit einen wichtigen Beitrag zur verantwortungsvollen Gestaltung der Zukunft unserer Gesellschaft.

Puh – diese Lobhudelei muss man erstmal verdauen. Und dann kann man auf die zahlreichen Gelegenheiten hinweisen, bei denen Buyx keineswegs Beiträge „für das gegenseitige Verständnis und den gesellschaftlichen Dialog in der Bundesrepublik“ geleistet hat, sondern eher im Gegenteil. Ich habe auch den subjektiven Eindruck, dass Buyx’ öffentliche Auftritte umso schriller werden, je mehr eine Aufarbeitung der Corona-Politik im Bereich des Möglichen erscheint.

Buyx ist sich bestimmt bewusst, dass sie von vielen Bürgern als prominente Vertreterin der Lockdown- und Impfpolitik und damit als eine Art Symbol gesehen wird – möglicherweise, um den Anschein einer „Schuld“ gar nicht erst aufkommen zu lassen, tritt sie mit offensiven Auftritten (in letzter Zeit unter anderem hier) eine Flucht nach vorn an.

Diese überkandidelte und oft mit übertrieben guter Laune unterfütterte Art empfinde ich als eine Beleidigung für die Bürger, die unter der Corona-Politik gelitten haben, und für jene Bürger, die eher eine zurückhaltende Art der Selbstdarstellung bevorzugen. Zur Person Alena Buyx haben die NachDenkSeiten einige Artikel verfasst, zum Beispiel hier oder hier oder hier oder hier.

„Wer in der Lage ist, dieses Video zu Ende zu sehen, …“

Auch auf Politikfeldern abseits der Corona-Politik hat Buyx in der Vergangenheit für fragwürdiges Aufsehen gesorgt, etwa bei dem folgenden Auftritt, bei dem sie sich zur Frage eines AfD-Verbots geäußert hat. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki hatte dazu die treffende „Warnung“ ausgesprochen: „Wer in der Lage ist, dieses Video zu Ende zu sehen, der wundert sich nicht, wie der Ethikrat in der Pandemie zu bestimmten Entscheidungen gekommen ist.“ Die ganze Rede von Buyx findet sich unter diesem Link ab 1:00:05, hier ist ein Ausschnitt:

Es bleibt dabei: Seriöse kritische Stimmen zur Corona- und zur Kriegspolitik werden auf härteste Weise diffamiert, aber wer unseriös für Impfung, Aufrüstung oder für ein AfD-Verbot trommelt, der erhält einen Orden.

Leserbriefe zu diesem Artikel finden Sie hier.

Titelbild: Screenshot ZDF – Markus Lanz