„Altersvorsorgedepot“: Was der Lindner von dem Riester lernt

„Altersvorsorgedepot“: Was der Lindner von dem Riester lernt

„Altersvorsorgedepot“: Was der Lindner von dem Riester lernt

Reiner Heyse
Ein Artikel von Reiner Heyse

Es gibt demnächst ein neues Rentenprodukt für Dich, einen wahren „Gamechanger“, verspricht uns Finanzminister Christian Lindner. Für jeden Euro, den Du ab 2026 in ein Altersvorsorgedepot steckst, bekommst Du einen Zuschlag von 20 Prozent aus der Staatskasse. Bis maximal 3.000 Euro pro Jahr werden gefördert. Damit würde Dein Depot dann also jedes Jahr um 3.600 Euro plus Renditeertrag erhöht. Von Reiner Heyse.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Und wenn Du Jahr für Jahr entsprechend sparst, verspricht Herr Lindner Dir, kannst Du nach 40 Jahren sogar Millionär sein. Das hätten „Experten“ für ihn ausgerechnet.

Moment mal: Nach Adam Riese und der einfachen Dreisatzrechnung kommst Du auf eine Ansparsumme von gerade einmal (3.600 Euro mal 40 Jahre, gleich) 144.000 Euro. Woher kommt das unglaubliche Mehr von rund 850.000 Euro? Siebenmal mehr als Du und der Staat in das Vorsorgedepot eingezahlt habt.

Das Wunder erklärt Dir Dein Finanzminister nicht. Aber wir versuchen es einmal:
Wenn das Geld in Deinem Depot durchgängig in jedem Jahr märchenhafte acht Prozent Rendite erzielt, dann kannst Du eine Million Euro erreichen. Sind es nur, immer noch optimistische, aber deutlich realere, drei Prozent, wären es deutlich bescheidenere 280.000 Euro nach 40 Jahren.

Lindner verspricht einfach und dreist ein Wolkenkuckucksheim. Er hat da ein bekanntes Vorbild. Vor gut zwanzig Jahren versprach Walter Riester ein ähnliches Wunder. Sein Versprechen lautete damals so: Wer 37 Jahre lang einen Betrag von 1.200 Euro in ein Riester-Rentenkonto einzahle, könnte von dem Ertrag am Ende seinen Traum von einem Einfamilienhaus verwirklichen. Riester behauptete einfach, dass die insgesamt eingezahlten 44.400 Euro durch Zins und Zinseszins auf 250.000 Euro anwachsen könnten. Zu diesem traumhaften Ergebnis kommt man nur, wenn ebenfalls eine durchgängige Rendite von 8 Prozent unterstellt wird. Mit solch abenteuerlichen Versprechen sind gut 16 Millionen Menschen zum Abschluss von Versicherungsverträgen gelockt worden.

Die im April dieses Jahres erstmalig von der Bundesregierung veröffentlichten Zahlen belegen, wie krachend das Riester-Lügengebäude eingestürzt ist.
Und Lindners Lehren aus dem Desaster? Er will neben den „Altersvorsorgedepots“ die Riester-Rente weiterführen. Eine noch stärkere Förderung und die Genehmigung von Finanzanlagen in Risikokapital (wie bei den Altersvorsorgedepots) sollen für eine Wiederbelebung sorgen. Der Preis dafür: Die bislang noch gültige Garantie auf Beitragserhalt wird auf 80 Prozent gesenkt.

Der Finanzminister übernimmt das Zepter in der Rentenpolitik

Das Sozialministerium führt bei der Rentenpolitik immer weniger Regie. Das Zepter übernimmt das Finanzministerium und unterwirft den Sozialstaat immer stärker den Interessen der Finanzkonzerne. Dafür scheint nichts zu teuer und Schäden für die Volkswirtschaft werden sehenden Auges in Kauf genommen.

Mit Einführung der Aktienrente (sinnverdrehend „Generationenkapital“ genannt) werden jährlich zwölf Milliarden Euro mit einer zusätzlichen Steigerung von drei Prozent pro Jahr Schulden aufgenommen.

Die Fortführung der Riester-Rente wird weiterhin 4 Milliarden Euro an Zulagen und Steuermindereinnahmen kosten. Das Projekt „Altersvorsorgedepot“ wird, auch wenn nur die Hälfte der Berechtigten den Förderrahmen wahrnehmen, mindestens zwölf Milliarden verschlingen. Zusätzlich kommen hier Steuerausfälle und die besondere Förderung für Kinder (25 Prozent der Spargelder bis 1.200 Euro, also max. 300 Euro) und Berufsanfänger unter 25 Jahren (drei Jahre lang einen Extrabonus von 200 Euro) hinzu. Gut möglich, dass die Aufwendungen des Staates sich auf 20 Milliarden Euro erhöhen werden.

Das in der Ressortabstimmung befindliche „Betriebsrentenstärkungsgesetz 2.0“ setzt ebenfalls auf Anlagen in Risikokapitalmärkten und soll mit noch stärkeren Steuernachlässen für die Firmen gefördert werden. Auch das wird zu Mehrbelastungen des Staates führen.

Allein durch die aktuell in Vorbereitung befindlichen Rentengesetze werden ab nächstem Jahr grob geschätzt 30 Milliarden Euro aus Staatsgeldern zusätzlich an die Kassen der Finanzkonzerne geleitet. Deutsche Bank, BlackRock, ALLIANZ & Co. generieren dann satte Profite aus den Kredit- und Kapital-Verwaltungsgeschäften.
Im krassen Gegensatz dazu werden dem Haushalt der Deutschen Rentenversicherung (DRV) bis 2027 gewaltige 9 Milliarden Euro aus Bundesmitteln gestrichen. Damit wird provoziert, dass eine Steigerung der Beitragssätze zur DRV früher als geplant erforderlich wird.

In der Vorausberechnung im Herbst 2023 ging die DRV davon aus, dass der Beitragssatz von 18,6 Prozent bis 2027 stabil gehalten werden könne. Das ist jetzt durch die weitere Schwächung der DRV-Finanzen Makulatur geworden.

Volkswirtschaftliche Geisterfahrer regieren das Land

Die Rentenpolitik der Ampelregierung führt geradewegs in das volkswirtschaftliche Desaster. Die immer deutlicher werdende Dummheit der Schuldenbremse wird durch die Politik des mit riesigen Anreizprogrammen geförderten Sparens auf die Spitze getrieben.

Angenommen, das staatliche Sponsoring des Altersvorsorgedepots wird nur zur Hälfte von den Förderungsberechtigten angenommen, ergeben sich grob geschätzt folgende Zahlen: 3.000 Euro von 20 Millionen Menschen in Kapitaldepots eingezahlt, ergibt eine Jahressumme von 60 Milliarden Euro. In zehn Jahren befinden sich 600 Milliarden im Depot, in 30 Jahren 1,8 Billionen Euro. Erst ab dann ist wohl mit einem signifikanten Kapitalabfluss für Rentenzahlungen zu rechnen. Diese gewaltigen Summen werden dem Konsum entzogen und wirken als Konjunkturblocker. Die gebremste Nachfrage führt zu weniger Umsatz, damit zu weniger Profit und damit zu weniger Investitionen. Die wirtschaftliche Entwicklung wird schlicht abgewürgt.

Auf der anderen Seite werden die Finanzmärkte enorm aufgebläht. Pro Jahr kämen zu den 60 Milliarden Euro noch zwölf Milliarden Euro der staatlichen Förderung, weitere zwölf Milliarden aus dem „Generationenkapital“, sowie weitere Milliarden aus Riester- und Betriebsrentenanlagen hinzu.

Dass so grundlegende Störungen des wirtschaftlichen Kreislaufs von Politikern systematisch betrieben werden, kann wohl nur mit ideologischer Verblendung erklärt werden. Oder einfach dem unbedingten Bedienen der Profitinteressen der Finanzbranche, die sich immer mehr von den realen Wirtschaftsprozessen gelöst hat.

Die Rente enkelfit gemacht? Verlogener geht es nicht!

Die FDP verkauft ihre Privatisierungsstrategie als: „Wir machen die Rente enkelfit!“. Wenn so ein Enkel ein durchschnittliches Einkommen erhält, zahlt sie bzw. er aktuell einen Rentenbeitrag von 9,3 Prozent, das sind rund 325 Euro. Nach Lindners Willen sollen darauf noch einmal 250 Euro dazukommen. Die zusammen 575 Euro machen dann 16,5 Prozent des Monatslohns aus, also 7,2 Prozent mehr. Das ist doch wohl nicht enkelfit, sondern Lindner-Shit.

Und hier geht Christian Lindner über seinen Lehrmeister Walter Riester weit hinaus. Der wollte nämlich „nur“ vier Prozent zusätzlich aus den Lohngeldern für seine Riester-Rente nehmen.

Das Letzte: Die AfD, CSU und CDU verfolgen getrennt, aber fast gleichlautend: Der Staat solle der Jugend ein Renten-„Starter-Kit“ spendieren. Jedem Kind bis zum 18. Lebensjahr sollen demnach monatlich 100 Euro auf ein Depot-Konto überwiesen werden. Eine Wahnsinnstat…

Mit freundlicher Genehmigung von Seniorenaufstand.de.

Titelbild: Alexandros Michailidis / shutterstock.com

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