Tschechische Medien wie die Tageszeitung Novinky berichteten in den vergangenen Tagen von anonymen Bedrohungen hunderter Schulen in Tschechien und weiteren Ländern. Die Polizei habe in keiner der Bildungseinrichtungen Sprengstoff gefunden, man suche nach den Urhebern der Drohungen. Mutmaßungen über die Täter finden sich jedoch in Meldungen der Medien, in Kommentaren aus der politischen Klasse sowie aus Kreisen der Sicherheitsdienste. Der gemeinsame Tenor: Entweder die Russen waren es oder ein anderes Land, das nicht genannt wurde. Von Frank Blenz.
Ein fieser Akt gegen Kinder und Jugendliche
Gerade beginnt nach den Sommerferien wieder die Schule. Die Kinder und Jugendlichen kommen erwartungsfroh und noch schwer beeindruckt von den vielen Erlebnissen zurück in den Unterricht oder sind gar ABC-Schützlinge, die ihren Schulstart feiern. Doch dann treffen anonyme Drohmails bei der Schulleitung ein, in denen von Explosionen die Rede ist. In Tschechien passierte dergleichen nicht an einer, sondern an sehr vielen Schulen. Und das über mehrere Tage hinweg. Wie soll die Schulleitung darauf reagieren? Zunächst wurde die Polizei verständigt, die daraufhin laut Medienberichten die Bedrohungslage prüfte und die Gefahr als gering einschätzte, nachdem sie Ortsbegehungen durchführte. Die Zahl der bedrohten Orte ist groß: 500 Schulen wurden am zweiten, 450 Schulen am dritten Schultag bedroht, informierte ein Sprecher der tschechischen Polizei. Man bedenke: In unserem Nachbarland gibt es nur etwas mehr als 5.500 Schulen. Den Tätern ist es gelungen, Unruhe zu stiften und Angst bei den Kindern, Jugendlichen, bei den Eltern, den Lehrern, Angst bis hinein in die Zivilgesellschaft zu schüren, die ohnehin unfriedliche Zeiten erlebt, weil zu wenig in Frieden und friedliches Zusammenleben investiert wird.
Kinder und Jugendliche ins Visier zu nehmen, ist schändlich, absolut inakzeptabel – immer und überall. Sie ins Visier zu nehmen, um über eine massive und außergewöhnlich boshafte Bedrohung die Erwachsenen, die gesamte Gesellschaft, die Führungsriege eines Landes anzufeinden und Schrecken zu verbreiten – diese kriminellen Handlungen sind ebenso schändlich, feige, böse. Immer und überall.
Man darf sich aber nichts vormachen, wenn Sicherheitsbehörden (darunter das Nationale Zentrum gegen Terrorismus, Extremismus und Cyberkriminalität – NCTEKK) sehr schnell sagen, der Russe war es, dann bedienen sie mit ihrer Anklage das vorherrschende Freund-Feind-Bild des aktuellen Konfliktes, in dem wir schon lange nicht mehr außen vor stehen. Die mutmaßlichen Täter, die noch nicht bekannt sind, sollen, so Polizei und Sicherheitsbehörden, einen hybriden Krieg im Internet in ganz Europa führen.
„Eine der Versionen ist, dass dies Teil einer Art hybriden Krieges sein könnte, der innerhalb der Europäischen Union tobt. Das passiert nicht nur in Tschechien, sondern auch in der Slowakei und in Litauen“, sagte Ondrej Maravcik, Sprecher des CZ-Polizeipräsidiums.
(Quelle: Novinky)
„Bombenstimmung“ nicht nur in Tschechien
Kinder und Jugendliche sowie die Zivilgesellschaft sind auch anderswo im Visier kriminellen Treibens. Aus der Slowakei werden ebenfalls Bombendrohungen gegen Schulen und andere Einrichtungen gemeldet. Der Fernsehsender Markiza TV erhielt eine E-Mail, die es in sich hat.
„Darin erwähnen die Täter die Entführung von drei Flugzeugen, die am Montag in Richtung Nationalrat, Präsidentenpalast und Bahnhof Trnava fliegen sollen.“ Ebenso sollen Sprengsätze am Hauptbahnhof von Bratislava und am Präsidenten-Palast platziert werden. (Quelle: Novinky)
Auch das sei gesagt: Tschechiens Bevölkerung sieht sich massiver Meinungsmache gegenüber – statt Friedensinitiativen solche, die die Eskalation fördern
Es klingt makaber, doch fühlt es sich genau so in Tschechien an: Kein Tag vergeht, an dem in führenden Medien – meist neokonservative, westlich liberale bis reaktionäre – nicht Beiträge über Russland, russische Aktivitäten und russische Bürger veröffentlicht werden. Diese Veröffentlichungen haben in der Mehrzahl die Tendenz, Russen, Russland, das Russische in Summe immer als Feindbild zu präsentieren. Das Meinungsklima wirkt von den Tonangebenden aufgeheizt, alles ist geprägt von Einseitigkeit, die Stoßrichtung stets klar: Der Russe war es! Die tschechische Regierung, ihre mediale Gefolgschaft und die politische Klasse positionieren sich kontra Russland, wo sie nur können. Man signalisiert bis heute kein Entgegenkommen. Töne der Entspannung, moderate Ansätze in der Debatte – Fehlanzeige. Man könnte auch sagen: Hass und das Schüren von Vorurteilen haben Vorfahrt. In dieser Stimmung wirken Bombendrohungen wie die Ergänzung des Ganzen, so, als brauche man sich nicht zu wundern, dass die Welt aus den Fugen ist.
Eva Kramerova, meine sehr gute Freundin aus Tschechien, sagt zum aktuellen politischen Klima und dem vorherrschenden Widerspruch im Land: „Die Leute, die das Sagen haben, tun nicht das, was die einfachen Leute wollen. Die meisten Tschechen, die einfachen Leute, die genug andere Probleme haben, sie haben die Schnauze voll von dieser ganzen Hetze, dieser kriegerischen Treiberei. Was bilden sich solche Leute wie zum Beispiel unser Präsident ein, wenn sie auf dem hohen Ross sitzen und immer nur Waffen fordern und weiter und weiter die Niederlage der russischen Armee erbitten und so weiter? Wer soll das hinbekommen, wie viele Soldaten sollen noch sterben?“
Und ja, Tschechiens Präsident Petr Pavel, ein Prachtexemplar von einem Falken, agiert weiter forsch und gern schon mal als Waffen- und Munitionsfreund, wie gerade als Vorreiter für Initiativen für Munitionslieferungen in die Ukraine. Dazu äußert er sich nebenher noch aggressiv und wenig staatstragend wie bei seinem Kommentar, dass die Zerstörung deutscher Erdgasleitungen in der Ostsee (Nord Stream) angemessen gewesen sei, weil die Leitungen ein legitimes militärisches Ziel sind.
Statt mitzuwirken, dass der Krieg in der Ukraine endet, forciert Tschechien das Geschäft mit dem Krieg, denn verdient wird ordentlich. Gerade glänzen tschechische Organisatoren und Zwischenhändler mit dem zügigen Liefern und mit dem damit verbundenen Profitmachen, was im Deutschlandfunk zur Sprache kommt. Auch kommen einflussreiche Akteure zu Wort, die ungeniert und fanatisch fordern, die Produktion von Munition zu erhöhen, denn in Europa werde dafür noch nicht genug getan.
Tschechien hat der Ukraine versprochen, 800.000 Schuss Artilleriemunition bis zum Jahresende zu liefern. Aber die Initiative verzögert sich. Die Gewinne einiger Zwischenhändler werfen kritische Fragen auf, es fehlen auch noch finanzielle Zusagen. (Quelle: Deutschlandfunk)
Zurück zu den Bombendrohungen. Das sind kriminelle, kriegerische Aktionen, die Teil eines hybriden Krieges sein sollen. Das wäre umso schlimmer und fatalerweise eine weitere Folge der bislang nicht endenden Eskalation des Krieges in der Ukraine und in Russland. Der Konflikt breitet sich mittlerweile mehr und mehr bis mitten in Europas Mitte aus. Noch ist dieser Krieg hierzulande ein intensiver Kalter Krieg. In der Ukraine und in Russland fordert der „Heiße Krieg“ Tag für Tag viele Opfer. Dieser Wahnsinn endet noch immer nicht, weil weit und breit wenig bis nichts von einer Deeskalation, von Verhandlungen, von intensiver Diplomatie zu spüren ist. Auch Tschechiens Spitzenpersonal müht sich nicht, andere Initiativen als für Munitionslieferungen in Gang zu bringen.
Auch in Deutschland: Bombendrohungen gegen Schulen
Nicht nur in Tschechien sind Schüler von Bombendrohungen betroffen. Das neue Schuljahr begann in Deutschland, so in Sachsen, Thüringen und in Sachsen-Anhalt damit, dass Schulen Bombendrohungen erhielten. Der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete:
In Sachsen sind an weiteren Schulen Bombendrohungen eingegangen. Wie die Polizeidirektion Zwickau am Donnerstag mitteilte, gingen am Morgen an zwei Oberschulen Drohungen per E-Mail ein. Die Schulen wurden vor dem regulären Schulbeginn abgesperrt und durchsucht. Dabei kamen auch Sprengstoffspürhunde zum Einsatz. Gefunden wurde nichts, die Ermittlungen laufen.
Bombendrohungen auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt
Auch in Thüringen und Sachsen-Anhalt gab es am Mittwochmorgen erneut Bombendrohungen. In Thüringen sind laut Polizei Schulen in Erfurt und Jena betroffen, in Sachsen-Anhalt sind es Schulen in Magdeburg und Dessau.
In Thüringen gingen bereits zu Beginn des neuen Schuljahres in der vergangenen Woche gleich an mehreren Schulen Bombendrohungen ein. Gleichlautende E-Mails gingen von einer identischen Absenderadresse ein. In vielen Städten mussten Schüler und Lehrer Gebäude verlassen, die Polizei durchsuchte die Schulhäuser.
(Quelle: MDR)
Die Welt ist aus den Fugen.
Titelbild: Grey Kitten/shutterstock.com