Trotz der geographischen Nähe, der kolonialen Vergangenheit und vielschichtigen historischen Verbindungen wird Afrika in Europa hauptsächlich als Kontinent der Hoffnungslosigkeit, ja als Gefahr dargestellt. Im Gegensatz zu den Machthabern in Brüssel hat Peking das unermessliche Potential des Kontinents erkannt und errichtet dort seit Jahrzehnten den Schwerpunkt seiner globalen Einflussnahme aus. Derzeit findet vor diesem Hintergrund in Peking der China-Afrika-Gipfel statt. Von Ramon Schack.
Pekings Präsenz
Die Präsenz der Volksrepublik China dort ist allumfassend. In einem riesigen geographischen Bogen erstreckt sich dieser Einfluss quer über den Kontinent von Algerien bis Namibia, basierend auf der außenpolitischen Doktrin der Volksrepublik, nach der Afrika der erste Baustein auf dem Weg zu der angestrebten globalen Umgestaltung ist.
Basierend auf dieser außenpolitischen Doktrin haben die Chinesen ein historisches Vorbild auserkoren, nämlich den Eunuchen-Admiral Zheng He, welcher im 15. Jahrhundert mit einer Flotte riesiger Dschunken, die die Karavellen der Portugiesen jener Zeit übertrafen, den Indischen Ozean überquerte, wodurch mit den Völkern Afrikas ein für beide Seiten vorteilhafter Handel entstand.
Schon in den ersten Jahrzehnten der Volksrepublik war Afrika im Fokus der Pekinger Geostrategen
1961 errang Tanganjika, das heutige Tansania, seine Unabhängigkeit von der britischen Kolonialherrschaft. Seit 1964, vereint mit Sansibar, schlug die junge afrikanische Republik einen sozialistischen Weg ein und wurde von den früheren Kolonialmächten sanktioniert. Die reichen Kupfervorkommen konnten nicht mehr über die Eisenbahnverbindung über den südafrikanischen Hafen Durban exportiert werden. Tansania bat die wirtschaftlich starken Länder, die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds um Hilfe für den Bau einer unabhängigen Bahnverbindung nach Daressalam. Nur die (damals) junge Volksrepublik war bereit zu helfen und stellte nicht nur die finanziellen Mittel, sondern auch das Material und die nötigen Maschinen zur Verfügung. Das gesamte chinesische Volk stand für die Hilfe der afrikanischen Brüder ein, die sich gerade aus der kolonialen Herrschaft befreit hatten.
Diese Freundschaft half China wenige Jahre später beim Kampf um internationale Anerkennung, zum Beispiel bei der Wiederherstellung von Chinas rechtmäßigem Sitz in den Vereinten Nationen.
Mit der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas nach Einführung der offenen Wirtschaftspolitik der Volksrepublik entwickelte sich die freundschaftliche, gleichberechtigte Zusammenarbeit mit den Ländern Afrikas. Bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts investierte China in viele Projekte in Afrika. Investitionen und Projekte. Heute dringt China auf drei Wegen in Afrika vor. Zunächst sind da die großen Projekte der Rohstoffbeschaffung, welche von staatlichen Konzernen gelenkt werden. Dann die umfangreichen Initiativen des privaten chinesischen Kapitals und natürlich die massiven Investitionen in die Infrastruktur, wie auch andernorts in der Welt.
Unabhängig davon, ob diese Pläne sich umsetzen lassen, es ist auf jeden Fall erstaunlich, dass bei allen zukunftsweisenden Infrastruktur-Projekten die Chinesen die Initiative übernehmen, während Europäer und Amerikaner zunehmend in die Rolle des Zaungastes gedrängt werden.
Drache und Strauß
Im Gegensatz zu den Europäern haben die Chinesen den afrikanischen Boom schon lange im Blick. Der senegalesische Experte Adama Gaye wählte die Metapher „vom Drachen und vom Strauß“ (Le Dragon et l’autrauche) in seinem gleichnamigen Buch, um das afrikanisch-chinesische Verhältnis zu charakterisieren.
Gaye befürchtet aber, dass die Entwicklung für Afrika negativ sein könnte, beziehungsweise dass die Afrikaner eine neue Form der Kolonisierung durchlaufen. Bei der Eröffnungszeremonie des China-Afrika-Forums am 4. September betonte Xi, dass China in der nächsten Zeit rund 46 Milliarden Euro an Darlehen für Afrika aufwenden wird. Vor den rund 50 angereisten Staats- und Regierungschefs Afrikas verkündete Xi umfangreiche Kooperationen und bot Partnerschaften in den Bereichen Militär, Aus- und Fortbildung, Handel, landwirtschaftliche Entwicklung und erneuerbare Energien an. Außerdem übte Xi scharfe Kritik an der Rolle des Westens in Afrika.
Das chinesische Staatsoberhaupt regte daher an, die Beziehungen zwischen China und allen afrikanischen Staaten, mit denen die Volksrepublik diplomatische Verbindungen unterhalte, auf die Ebene strategischer Beziehungen zu heben. Xis Rede wurde von Applaus unterbrochen, auch als dieser verlautbarte, die Volksrepublik strebe an, Militärübungen mit afrikanischen Staaten abzuhalten. Die Volksrepublik China, so hat es Xi Jinping schon im Vorfeld postuliert, soll im Jahr 2049 an der Spitze aller Staaten der Welt stehen. Dieser Anspruch wird insbesondere in Washington sorgenvoll registriert. Denn Peking hat sich zum Ziel gesetzt, die USA als Weltmacht Nummer Eins abzulösen.
Hier liegt auch die Ursache für die sich zuspitzende Krisen-Konstellation und für den Feldzug Washingtons gegen Peking, zu dessen Teilnahme die USA ihre Alliierten immer nachdrücklicher auffordert. In Afrika, so scheint es, ist die Zahl der potenziellen Verbündeten Washingtons überschaubar, so wie im sogenannten Globalen Süden zur Stunde überhaupt, wo man sich genau an die Äußerungen von Josep Borrell erinnert. Jener EU-Chefdiplomat, ohne Zweifel ein Mann von gestern, der Europa als „Garten“ betrachtet, den Rest der Welt als „Dschungel“.
Titelbild: Screenshot China Africa Forum