Große Steine unter den Brücken der Seine – Zeugnisse einer abgehobenen Politik à la Macron

Große Steine unter den Brücken der Seine – Zeugnisse einer abgehobenen Politik à la Macron

Große Steine unter den Brücken der Seine – Zeugnisse einer abgehobenen Politik à la Macron

Ein Artikel von Frank Blenz

Wer Macht innehat, übt sie aus, nutzt sie aus, will sie behalten. Mächtige glänzen mit Kreativität, ihre Macht zu zementieren, ihre Weltsicht als das Nonplusultra durchzusetzen, gerade in unseren demokratischen Gesellschaften – so wie zum Beispiel bei unseren französischen Nachbarn. Dort herrscht ein Präsident, der beim Volk eher verhasst, bei den Eliten dagegen erwünscht ist, sichert dieses Staatsoberhaupt doch deren Pfründe und Privilegen. Wenn dazu noch das süße, reiche Leben mit der Austragung opulenter Festivitäten bereichert wird, wie im Sommer die schwer bewachten Olympischen Spiele im zuvor sozial gesäuberten Paris, scheint die Welt der Großen perfekt. Mächtige sind gut im Heucheln und Lügen, im Schönreden, wie es der französische Präsident tut. Noch vor Olympia fanden Wahlen statt, und des Präsidenten Gefolgschaft obsiegte – nicht. Doch anstatt Platz für eine neue Regierung samt Regierungschef zu machen, handelt der Präsident der Grande Nation bis jetzt so, wie anfangs beschrieben: Wer Macht innehat, übt sie aus, nutzt sie aus, … auch mit Steinblöcken, die an der Seine platziert wurden. Von Frank Blenz.

Sprachlos beim Anblick von Steinblöcken

Paris. Eigentlich wollte ich dieses Jahr nicht in diese wunderschöne Stadt, die grandiose, widerspruchsvolle Hauptstadt Frankreichs fahren. Aus Gründen: Die Olympischen Spiele wurden von den Organisatoren, von der Regierung, von den Sicherheitsbehörden zum Anlass genommen, Paris in eine Festung zu verwandeln. Viel war in verschiedenen Medien zu erfahren über weitere Aktivitäten der französischen Eliten, so auch über eine Art „soziale Säuberung“, bei der Obdachlose aus dem Stadtzentrum abtransportiert und weit vor den Toren der Hauptstadt wieder „ausgesetzt“ wurden. Von nachhaltigen Programmen für Menschen am Rand wurde nichts berichtet. Schlimmer noch, unter Brücken und an weiteren geschützten Uferbereichen der Seine wurden große Steine platziert, damit kein Mensch unter diesen Viadukten und Unterständen schlafen sollte. Paris wurde auch in dieser Hinsicht herausgeputzt für die Olympiade, die schönen, sauberen Olympischen Spiele. In diesem Beitrag auf den NachDenkSeiten schrieb ich darüber.

Trotz allem, mich zog es dann doch für drei Tage hin, denn ich fand heraus, dass am Ende der Spiele die Leinen der Sicherheitsmaßnahmen lockerer geführt wurden und es Wettbewerbe gab, bei denen das Volk ohne Eintritt und so ziemlich entspannt und barrierefrei zuschauen konnte – so wie bei den Marathonläufen. Das machte mich neugierig, ich wollte mir selbst ein Bild machen. Und ja, endlich schlenderte ich die Seine entlang. Ich freute mich auf die Wettbewerbe am Samstag und Sonntag, dem Tag der Abschlussfeier. Da erblickte ich unter mehreren Brücken und an Uferabschnitten Steinblöcke. Ich war sprachlos. Ja, es war kein Gerücht, tatsächlich lagen sie aufgereiht da – dort, wo sonst einige der vielen Menschen, denen es in Paris nicht gut geht, Schutz finden. Später konnte ich mir ein Lächeln, ein „Ja, ihr lasst Euch nicht vertreiben“ verkneifen. In mehreren Parkanlagen der Stadt waren neue Zelte aufgebaut von Menschen, die sich nicht aus ihrem Paris hinausdrängen ließen.

Belagerte Stadt – freundliche Flicks

Die Marathonläufe waren für mich unvergessene Erlebnisse, auf so hohem Niveau Spitzensportler live und beinah hautnah zu erleben. Ich verrate nebenbei, ich laufe selbst auch gern (jedoch nicht so lang und schnell und intensiv). Etwas über 42 Kilometer binnen etwas mehr als zwei Stunden zu absolvieren, welch‘ beeindruckende Durchschnittsgeschwindigkeit, dachte ich, als die Marathon-Könner an mir vorbeisausten. Die Pariser und andere Zaungäste wie ich klatschten viel Beifall, feuerten alle Sportler und Sportlerinnen an, die im hinteren Teilnehmerfeld noch ein wenig mehr.

Bevor die Athleten über den Asphalt am Publikum vorbeirannten, erfreuten Polizisten die Zuschauer. Tatsache. Sie fuhren in Vollmontur imposant aussehend und in Gruppe auf ihren imposanten Motorrädern vorbei, machten einen auf Show, sie lachten, hupten und erhielten Beifall. Diese Geste ließ einen etwas versöhnlich werden damit, dass ansonsten viel Polizei, die Gendarmerie und Militär in der Stadt präsent waren und dabei das Sicherheitsgefühl nicht erhöhten. Maschinengewehre im Anschlag bei durch die Stadt patrouillierenden Gruppen gab es inklusive, strenge Absperrungen von wichtigen Plätzen um den Eifelturm und im Zentrum um die Seine ebenso. Und doch, immer wieder und geradezu wie als Dienstanweisung wirkend kam es dazu, dass Flicks im Vorbeigehen freundliche Grüße an die Bürger richteten: Bonjour. Man bedenke, welch miesen Ruf die Polizei in Frankreich innehat …

Die Olympiade ist vorbei, die Paralympics laufen, und das politische Frankreich steht bisher still …

So. Frankreichs Bürger hielten still für die Zeit der Olympischen Spiele, Präsident Emmanuel Macron verkündete nach der Wahl eine Art Burgfrieden, der eingehalten wurde. In TV-Sendungen des Landes wurde schon eifrig über das Danach, über das Prozedere des Auftrags zur Regierungsbildung diskutiert. Mein Eindruck war: Es wurde eher um den heißen Brei geredet, und Studiogast Macron kam immer recht gut davon.

Was geschah und geschieht bis heute in Bezug auf die Bildung einer neuen Regierung? Mein Freund, Kollege und Frankreichkenner Sebastian Chwala formulierte am 28. August:

Mit seiner Absage, den Auftrag zur Regierungsbildung nicht der stärksten Kraft im neuen Parlament zu erteilen, sieht er sich erneut dem Vorwurf ausgesetzt, mit den republikanischen Spielregeln der Französischen Republik zu brechen und das Land weiter in einen autoritären Abwärtstrend zu führen. Dieser Vorwurf kommt vom übergangenen, bei den Wahlen siegreichen Linksbündnis der „Neuen Volksfront“ (NFP), das Macrons Konsultationen mit den Worten des Parteivorsitzenden Olivier Faure als „demokratische Farce“ bezeichnete. Dem Wunsch der Wählerinnen und Wähler in Frankreich nach Wandel steht Macrons strategische Linie tatsächlich diametral entgegen, der keinerlei Kurskorrektur an seiner Agenda zulassen will.
(Quelle: NachDenkSeiten)

Im September, die Ferien sind vorbei, mauerte Macron zunächst weiter. Er nimmt das Wort Demokratie in den Mund, schwadroniert über die Begriffe Liberté, Égalité, Fraternité (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) und behauptet, sich eben stets für diese im Namen seines Volkes einzusetzen. Von wegen. Der Präsident wehrte sich dagegen, Lucie Castets von der Neuen Volksfront als Regierungschefin zu akzeptieren und ihr den Auftrag zum Handeln zu geben. Auch sonst stellte Macron auf stur. Sebastian Chwala sagt: „Macron versucht verzweifelt, in seiner Person die gesamte Entscheidungskompetenz zu vereinen.“ Der Präsident sieht sich über den Vorschlag Castets hinaus weiteren Personalvorschlägen aus Parteien und Medien gegenüber, die ihm alle nicht passen. Was will er? Der neue Regierungschef agiert eigenwillig und machtbesessen, auf dass seine macronitische Politik, seine neoliberale Agenda unvermindert fortgesetzt werde. Also, es soll alles beim Alten bleiben. Frankreich steht sozusagen politisch still, doch nun …

Macron bremst und bürgerliche Medien diskreditieren Castets

Macron spielt ein falsches Spiel, was Wunder, wer die Macht hat, nutzt sie aus. Beispiel Haushaltspolitik: Macron will, dass die Übermittlung der Rahmendaten des Haushalts 2025 an das Parlament verschoben wird. Die muss eigentlich vor dem 1. Oktober erfolgen. Das Motiv Macrons ist, die politische Debatte über die Zahlen zu verhindern. Schon sind die ersten Demonstrationen angekündigt, Gewerkschaften rufen auf, mobilisieren ihre Kräfte. Und in den bürgerlichen Medien wird die Kandidatin der Nationalen Front angegriffen. Was Wunder. In der Zeitung Parisien wird Lucie Castets durch den medialen Kakao gezogen und süffisant über die Finanzierung der politischen Aktivitäten Castets und ihres Teams geschrieben. Das Ziel ist klar:

In einer Welt der Fehlinformationen, in der Disqualifikation an die Stelle eines Streits tritt, ist Lucie Castets zu einem ständigen Ziel geworden, weil sie die NFP verkörpert“, kommentierte PS-Erster Sekretär Olivier Faure
(Quelle: Le Parisien)

Plötzlich die Kehrtwende in Frankreich – Donnerstag, 5. September 2024, Aktualisierung

Dazu Sebastian Chwalas Update:

Frankreich hat einen neuen Premierminister. Staatspräsident Macron hat den demokratischen Prinzipien in Frankreich endgültig einen Schlag versetzt. Mit der Ernennung des Ex-EU-Kommissars Michel Barnier zum Premier wird ein Mitglied der nur viertplatzierten „Republikaner“ zum neuen Regierungschef. Damit soll auch auf EU-Ebene sichtbar werden, dass die brutale Spar-und Umverteilungspolitik der Amtszeit Macrons fortgesetzt werden soll.

Nach innen soll auf diese Weise ein Bündnis mit den „Republikanern” zementiert werden. Alle Versuche, Teile der Sozialdemokraten aus der „Neuen Volksfront” herauszubrechen, sind damit beendet. Macron zeigt, dass er weiterhin darauf bedacht ist, seine Politik ohne jeden Kompromiss durchzusetzen. Demzufolge zeigte sich die Linke auch durchweg entsetzt von Macrons Entscheidung und kommentierte diese Entscheidung als Betrug an den Wähler*innen.

Der RN hielt sich heute noch bedeckt. Ohnehin wird ein Misstrauensvotum gegen Barnier nicht vor der ersten Oktoberwoche möglich sein, wenn offiziell die neue Legislaturperiode beginnt. Übermorgen werden über 100 Demonstrationen in Frankreich gegen Macrons Verweigerung, die linke Julie Castets zur Premierministerin zu ernennen, stattfinden.
(Quelle: Facebook-Seite Sebastian Chwala)

Titelbild: Andrea Izzotti/shutterstock.com

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