Russische Medien zu den Wahlen in Ostdeutschland: „Politisches Erdbeben“

Russische Medien zu den Wahlen in Ostdeutschland: „Politisches Erdbeben“

Russische Medien zu den Wahlen in Ostdeutschland: „Politisches Erdbeben“

Ulrich Heyden
Ein Artikel von Ulrich Heyden

Der Vorwurf einiger deutscher Medien, in Thüringen und Sachsen habe „Putin gesiegt“, wurde in der russischen Talk-Show „60 Minuten“ ironisch auf die Schippe genommen. Der Politologe Fjodr Lukjanow meinte, das Establishment der EU greife zu immer ausgefeilteren Manipulationen, um die „system-kritischen Kräfte“ kleinzuhalten. In der Nachrichtenagentur TASS heißt es, dass die CDU ihre Brandmauern gegen Rechte und Linke nicht mehr aufrechterhalten könne. Aus Moskau berichtet Ulrich Heyden.

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In der populären russischen News-Talk-Show „60 Minuten“ im Kanal Rossija 1 behandelte der Moderator Jefgeni Popow das Thema Wahlen in Ostdeutschland am Montagvormittag mit ironischem Zungenschlag. „In Ostdeutschland hat Putin gesiegt“, witzelte der Moderator. Mit dem Putin-Vorwurf hätten die „demokratischen Medien in Deutschland“ auf das gute Abschneiden von AfD und BSW in Thüringen und Sachsen reagiert. Beide Parteien – so Popow – seien gegen die Sanktionen gegen Russland und gegen Waffenlieferungen für die Ukraine.

Russischer Fernsehmoderator Popow: „Auch eine Niederlage für Biden und Selensky“

Der Moderator stichelte, noch nie sei „ein russischer Spion“ mit einem russischen Auto der Marke „Lada Niva“ zum Wahllokal gefahren. Damit spielte Popow darauf an, dass AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke am Sonntag mit einem russischen Auto zum Wahllokal gefahren sei.

Als „paradox“ charakterisierte Rossija-1-Moderator Popow, dass die Niederlage der Partei von Kanzler Scholz von den deutschen Medien nicht auch als Niederlage von Joe Biden und Wolodymyr Selenskyj bezeichnet wird.

Und so fasste der Moderator die wichtigsten Wahlkampflosungen der AfD zusammen: „Gebt den Deutschen das Gas aus Russland zurück. Es reicht, der Ukraine weiter Waffen zu liefern.“

Die Partei von Scholz – frohlockte Popow – sei in Sachsen und Thüringen „vernichtet“. Die „kriegerische Linie von Scholz und Annalena Baerbock ist in den östlichen Bundesländern gescheitert“. Die „grüne Tagesordnung“ sei „aus dem Mainstream in Ostdeutschland, der früheren DDR, verschwunden“.

Eingeblendet wurde in der russischen Talk-Show eine Wahlkampfreportage der Deutschen Welle in russischer Übersetzung, in der es auch um den Vorwurf ging, der AfD-Spitzenkandidat in Thüringen, Björn Höcke, sei ein Nazi. Dieser Vorwurf wurde von dem russischen Fernsehkanal aber nicht weiter kommentiert.

Nachrichtenagentur TASS: „Politisches Erdbeben“

Ein Kommentator der kreml-nahen Nachrichtenagentur TASS charakterisierte die Wahlen in Sachsen und Thüringen am Montag als „politisches Erdbeben“ und als „Katastrophe für die Regierungsparteien“. Sachsen und Thüringen – wenn nicht ganz Deutschland – ständen „vor einer unruhigen politischen Zeit“. Die CDU werde sich von den „Brandmauern“ gegen Linke und Rechte verabschieden müssen.

Zustimmend zitiert der TASS-Kommentator den deutschen Russland-Experten Alexander Rahr, der meint, dass die Erfolge von AfD und BSW „die Kriegpartei in Deutschland und die Befürworter der Waffenlieferungen an Kiew nicht stärken“.

Politologe Lukjanow: „Immer schwierigere Manipulationen“

Der bekannte russische Politologe Fjodr Lukjanow, der auch Direktor des „Waldai-Clubs“ ist, kommentierte, die Zahl derjenigen in der EU, die aus Sicht des Establishments „nicht richtig wählen“, wachse. Der politische Prozess in der EU verwandele sich mehr und mehr „in äußerst schwierige polittechnologische Manipulationen, mit denen die nicht-systemtreuen Parteien und ihre Unterstützer neutralisiert werden sollen“. Im Establishment der EU wachse „die Angst“. Obwohl es ihm noch gelinge, „das Steuer zu halten“, gäbe es „keine Hoffnung für die Zukunft“.

Außenamtssprecherin Sacharowa: „Deutschland hat seine Souveränität verloren“

Zu den Wahlen in Ostdeutschland erklärte die russische Außenamtssprecherin Maria Sacharowa, Russland achte die Wahlen in jedem Land und werde sich nicht in Wahlen einmischen. Der Zustand der deutschen Staatlichkeit sei allerdings kritisch:

Leider hat Deutschland über die Jahre vor unser aller Augen seine Souveränität verloren. Es ist zum Vasallen von Washington geworden.“

Die Gesellschaft in Deutschland „versteht nicht“, auf welche Bahn die Bundesregierung das Land wirtschaftlich und ideologisch gebracht hat. Deutschland befinde sich „in einer tiefen Krise“. „Man möchte. dass die Menschen, die sich um das Schicksal ihrer Heimat Sorgen machen und die nach Frieden in ihrem Land und auf dem Kontinent streben, einen Ausweg aus der für Deutschland schweren Situation finden.“

Liberale russische Medien schießen sich auf Höcke ein

Die liberalen russischen Medien, die der patriotischen Linie des russischen Fernsehens nicht immer folgen, wie das Wirtschaftsportal RBK und die Zeitung Kommersant kommentierten die Wahlen in Thüringen und Sachsen ähnlich wie der deutsche Mainstream, indem die Vorwürfe gegen die AfD wegen Rechtsradikalismus in den Mittelpunkt der Berichterstattung gestellt wurden.

Der Kommersant schrieb, es sei „das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass eine ultrarechte Partei nationalistischer Prägung, die vom Geheimdienst als extremistisch eingestuft wurde und gegen die in drei deutschen Bundesländern wegen Islamophobie und radikal anti-migrantischer Stimmungen ermittelt wird, bei Regionalwahlen gewinnen konnte“.

Angesichts der „kolossalen Unterstützung der Wähler werde es nicht einfach – wenn nicht sogar unmöglich – sein, die Rechte von der Macht fernzuhalten“, kommentierte der Kommersant.

Das Wahlergebnis des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) bezeichnete das Blatt als „Triumph“, denn die Partei sei erst Anfang des Jahres gegründet worden. BSW verbinde „traditionell rechte Ansichten zur Migration und zum ukrainischen Konflikt mit typisch linker sozialer und ökonomischer Politik.“

Genugtuung für die Russen

Viele einfache Russen empfinden die Nachrichten von den Wahlen in Ostdeutschland als Genugtuung. Sie konnten sich nie vorstellen, dass Deutschland wirklich russland-feindlich ist. Russland-feindlich – so die weitverbreitete Meinung – sei nur die aktuelle Bundesregierung.

Titelbild: DesignRage / Shutterstock

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