Nachtrag Privatisierung von Kliniken: Befragungserfolg in Dresden und Florian Gerster wirbt in Wiesbaden für Privatisierung
Am 23.1. hatten wir Sie gebeten, sich für Kliniken im öffentlichen Eigentum und gegen die Privatisierung zu engagieren. Mit Hinweis Nr. 5 von heute haben wir vom Befragungserfolg in Dresden berichtet. Näheres hier und hier. Dort wie in anderen Regionen geht der Kampf weiter. Die Privatisierungsbefürworter arbeiten mit massiver PR, mit im Geschäft der unselige Florian Gerster. Albrecht Müller.
Diese Information erreicht uns aus Wiesbaden. Dort meldete sich Florian Gerster im Wiesbadener Kurier zu Wort (Siehe Anlage 1). Den Gegnern der Privatisierung wirft er „altes Denken“ vor. Seine Argumentation ist typisch für die Argumentation der Privatisierungsbefürworter. Deshalb auch von Interesse über Wiesbaden hinaus.
Zum Fortgang der Debatte in Wiesbaden incl. einer Einladung für heute siehe Anlage 2.
Anlage 1:
Keine Angst vor den Privaten
GASTKOMMENTAR Der Betriebspsychologe Florian Gerster zur finanziellen Rettung der Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken
Vom 10.01.2012
Von Florian Gerster
WIESBADEN. Der Wiesbadener Kurier meldete mehrfach, dass von Beschäftigten und Kommunalpolitikern Front gegen die Option einer Teilprivatisierung der Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken gemacht werde. Zu solchen Überlegungen kam es, weil der kommunale Maximalversorger seine betriebswirtschaftliche Schieflage nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen kann. Auch ist die Bereitschaft der Landeshauptstadt, millionenschwere Defizite auszugleichen oder den Schuldenberg von knapp 100 Millionen Euro abzubauen, begrenzt.
Verbesserte Versorgung
Was spricht für den “Leuchtturm” einer Großklinik in kommunaler Trägerschaft? Zumal, wenn es im Rhein-Main-Gebiet mehrere solcher Leuchttürme gibt, die von den Städten Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, Hanau und anderen Kommunen und dem Land subventioniert werden müssen? Für die Bürgerinnen und Bürger, die in der HSK gute medizinische Leistungen erwarten, dürfte die Frage der Trägerschaft nachrangig sein.
Seit der Übernahme der Universitätskliniken in Gießen und Marburg durch die Rhön Klinikum AG hat sich die stationäre Versorgung in Mittelhessen signifikant verbessert. Der Konzern hat Hunderte von Millionen Euro investiert, obwohl – oder besser weil – er als Aktiengesellschaft eine angemessene Kapitalrendite ausweisen muss. Auch kommunale Krankenhauskonzerne können betriebswirtschaftliche Strukturen optimieren, wenn sie in Metropolregionen wie Berlin oder Hannover unternehmerisch handeln und Synergien nutzen können.
Unverzeihlicher Fehler?
Dass die Öffentliche Hand Unternehmen der Daseinsvorsoge selbst betreiben muss, ist altes Denken. Dann wäre die Privatisierung der Bundesbahn, der Bundespost und der Lufthansa ein unverzeihlicher Fehler gewesen. Die Politik muss den Ordnungsrahmen schaffen und kontrollieren, in dem private oder freigemeinnützige – in begründeten Fällen öffentliche – Träger Leistungen der Daseinsvorsorge im Wettbewerb erbringen.
Zurück zur HSK: Keine Angst vor privaten Trägern, die mit 49 Prozent der Anteile oder mehr den öffentlichen Auftrag ausführen, Bürgerinnen und Bürger der Region mit stationären (und ambulanten) Leistungen zu versorgen. Ein leistungsstarker strategischer Investor kann die Großklinik so stabilisieren, dass sie mit medizinischen Spitzenleistungen, nicht aber durch ihren finanziellen Sanierungsbedarf Schlagzeilen macht.
Quelle: Wiesbadener Kurier
Zur Person Gerster heißt es im Wiesbadener Kurier: 2002 bis 2004 führte Florian Gerster als Vorstandsvorsitzender die neu gegründete Bundesagentur für Arbeit. Seit 2004 arbeitet er als Berater und Partner für MummertHealthcare, ist zudem der Präsident des Bundesverbands Briefdienste, der Vorsitzende des Managerkreises Rhein-Main der Friedrich-Ebert-Stiftung und Vorsitzender der Initiative Gesundheitswirtschaft Rhein-Main. Florian Gerster ist verheiratet und hat zwei Töchter.
Anlage 2:
Wiesbadener Opposition übt Kritik an HSK-Teilverkauf an Rhön Klinikum AG
24.01.2012 18:34 Uhr – WIESBADEN
Von Christoph Cuntz
CDU und SPD waren sich schon in der vergangenen Woche einig: Der Rhön Klinikum AG sollen 49 Prozent der kommunalen Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) verkauft werden. Seit Montag hat nun auch die Opposition Kenntnis von den notariell beurkundeten Verhandlungsergebnissen. Der Tenor der Nicht-Regierungs-Fraktionen ist einhellig: Auch wenn Rhön nur eine Minderheitsbeteiligung bekommen soll, werde damit nicht die Teil-Privatisierung der HSK festgeschrieben, sondern deren Privatisierung. Gleichwohl wird ein Teil der Opposition den „Rhön“-Konzern als Partner akzeptieren.
“Ob die Stadt maßgeblichen Einfluss behalten wird, ist fraglich”
Christiane Hinninger, Fraktionsvorsitzende der Grünen, hält das geplante Geschäft mit der Rhön Klinikum AG für eine „Mogelpackung“. Der neue Partner der HSK bestimme das operative Geschäft. „Ob die Stadt maßgeblichen Einfluss behalten wird, ist fraglich.“ So wolle „Rhön“ sichergestellt wissen, dass die „Rhön“-dominierte Gesellschafterversammlung das letzte Wort habe, wenn es zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung zum Dissens komme.
Darüber hinaus ist die Grünen-Fraktionsvorsitzende überzeugt, dass die HSK auch in kommunaler Hand wirtschaftlich betrieben werden können. „Sonst hätte der Konzern nicht so viel für eine Minderheitsbeteiligung geboten.“ Ihre Mutmaßung: Man habe die HSK ins „finanzielle Desaster“ treiben lassen, um die Privatisierung leichter durchsetzen zu können. Die Grünen wollen Anfang Februar in einer Mitgliederversammlung über das Thema beraten. Dann solle auch darüber diskutiert werden, ob die Partei ein Bürgerbegehren gegen die (Teil-)Privatisierung unterstützt.
“Massiver Stellenabbau möglich”
Vier Stunden lang konnten die Linken&Piraten die Verträge studieren. Für Hartmut Bohrer viel zu wenig Zeit. Und doch ist sich der Fraktionsvorsitzende schon jetzt sicher, dass es bei dem geplanten Geschäft um nichts weniger als die Privatisierung des kommunalen Krankenhauses geht, die nur durch ein Bürgerbegehren verhindert werden könne.
Hartmut Bohrer sorgt sich um die Arbeitsplätze. Weniger um die in den HSK. Denn mit „Rhön“ soll ein Kündigungsschutz bis 2015 vertraglich vereinbart werden. Wenn aber künftig die Deutsche Klinik für Diagnostik sowie die Aukammklinik, die ebenfalls zu „Rhön“ gehören, eng mit den HSK kooperierten, sei dort „massiver Stellenabbau möglich“. So belege die Fachliteratur, dass private Klinik-Konzerne ihre Gewinne machten, weil sie im Pflegebereich weniger Personal einsetzen. Bohrer ist zudem überzeugt: „Die HSK sind in der Lage, gut zu wirtschaften.“ Dazu sei das Krankenhaus allerdings auf Landeszuschüsse angewiesen, die es in der Vergangenheit nicht gegeben habe. Die Börsen jedenfalls wüssten genau, „welches Leckerli da verkauft werden soll“. Schließlich sei der Aktienkurs von „Rhön“ gestiegen, als bekannt geworden war, dass der Konzern den Zuschlag für die HSK bekommen soll.
Quelle: Wiesbadener Kurier
Am Montag 30.01.2012 um 19:30 Uhr im Georg Buch Haus, Welritzstr. 38 in Wiesbaden gibt es eine interessante Veranstaltung zum Thema: „Was bedeutet eine (Teil-)Privatisierung der HSK für Patienten, Beschäftigte und die Stadt Wiesbaden?“ mit Nils Böhlke.