„Ab dem 1. September begrüßen wir ein neues Kuratoriumsmitglied“, heißt es in einem aktuellen Tweet der Bertelsmann Stiftung. Bei dem neuen Mitglied handelt es sich um Alena Buyx, die ehemalige Vorsitzende des Ethikrats. Buyx wurde bundesweit in der Coronakrise bekannt. Unter ihrem Vorsitz bot der Ethikrat in der Öffentlichkeit ein Erscheinungsbild, das viele als katastrophal wahrgenommen haben. Nun rollt Bertelsmann den roten Teppich für die „Frau in Rot“ aus. Buyx hatte betont, dass sie die Coronaimpfung als eine „moralische Verpflichtung“ betrachtet. Auch legte sie eine Impfung von Kindern mit Downsyndrom oder schwerem Herzfehler mit noch nicht zugelassenen Impfstoffen nahe. Mit Buyx als Kuratoriumsmitglied tut sich die Bertelsmann Stiftung im Hinblick auf ihre Außenwahrnehmung keinen Gefallen. Die Reaktionen unter dem Tweet sprechen Bände. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
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Alena Buyx prägte in der Coronakrise maßgeblich den öffentlichen Diskurs mit. Medienauftritt folgte auf Medienauftritt, die Expertise der obersten Ethikerin des Landes war gefragt. Und die Erklärung dafür liegt auf der Hand. Die schwersten Grundrechtseinschränkungen seit Bestehen der Republik, ja überhaupt die gesamte Coronasituation verlangten nach einer ethischen Einordnung. So weit, so in Ordnung. Doch damit hört es auch schon mit dem In-Ordnung-Sein auf.
Aus welchen Gründen nämlich eine Corona-Impfpflicht als „ethisch“ verstanden werden konnte – das haben viele Bürger bis heute nicht verstanden. Vermutlich so, wie Buyx nicht verstehen konnte, warum Bürger sich dem „Segen“ der Impfung widersetzten. Und da ist er sichtbar, der Abgrund. Eine Chefethikerin, die sich hinter die Ausweitung der Corona-Impfpflicht stellt? Das heißt unterm Strich, zu unterstützen, dass Arbeitnehmer unter schwerstem existenziellen Druck zu einer Impfung gegen ihren Willen geradezu genötigt wurden? Das ist nicht ethisch, sondern eine Bankrotterklärung der Ethik. Und: Wie konnte man als Ethikerin nicht jene unterstützen, die Bedenken gegen neue, hoch umstrittene Vakzine haben?
Deutlich wird: Buyx und Teile der deutschen Gesellschaft, Teile der deutschen Gesellschaft und Buyx – das ist eine Beziehung, bei der das Tischtuch seit Langem zerschnitten ist. Die Verantwortlichen bei der Bertelsmann Stiftung möchte man Fragen, ob ihnen überhaupt klar ist, welches Signal sie als Stiftung mit der Besetzung von Buyx in Richtung der Gesellschaft senden – vor allem auch in der aktuellen Situation. Das Thema Aufarbeitung der Coronapolitik ist für viele Bürger sehr wichtig. Derzeit ist ein Tauziehen um die Aufarbeitung zu beobachten, und Buyx wirkt für nicht Wenige wie ein rotes Tuch. Anders gesagt: Eine Person, deren Handeln als Spitze des Ethikrats von vielen Bürgern als Totalausfall betrachtet wird, soll nun als Kuratoriumsmitglied einer Stiftung dienen, die sich „Menschlichkeit“ auf die Fahne geschrieben hat? Nur: War die Corona-Impfpflicht menschlich?
Schicksale, die auch auf diese Maßnahmen zurückzuführen sind, zeigen, wie tiefgreifend, wie schwer und letztlich fatal die politischen Weichenstellungen waren. War es menschlich, Kinder stundenlang mit Masken im Schulunterricht sitzen zu lassen und ihnen zu verbieten, auf einem Spielplatz zu spielen? Nahezu der gesamte Umgang mit Kindern und Jugendlichen während der politischen Maßnahmenexzesse war von einer staatlichen Übergriffigkeit geprägt, die in einer Demokratie nichts zu suchen hat. Experten sprechen längst von einer „strukturellen Kindeswohlgefährdung“.
Buyx stand in einer historischen Situation aufgrund ihrer hervorgehobenen Position an einer Schaltstelle. In ihren Händen lag die Möglichkeit, in dieser dunklen Zeit wenigstens den Stern der Ethik leuchten zu lassen. Als „Hohepriesterin der Ethik“ hätte sie mit ihrem Wissen, mit ihrem exklusiven Zugang zu den großen Diskursplätzen des Landes die Schwächsten in unserer Gesellschaft, die Kinder, verteidigen müssen. Doch die Politik ließ Kinder, die das geringste Risiko im Hinblick auf einen schweren Covid-Verlauf hatten, leiden für die Erwachsenen. Das war nicht nur sinnlos, es war ein eklatanter Bruch mit einer Politik, die über ein Gremium mit Namen Ethikrat versucht hat, sich ethische Legitimität bescheinigen zu lassen.
Buyx hätten jeden Tag Alarm schlagen müssen – im Interesse der Kinder. Die Gesellschaft durfte von einer Ethikratsvorsitzenden erwarten, dass sie die Daten des Robert Koch-Instituts genauso wie dessen Wirken grundlegend öffentlich kritisch hinterfragt. Wie solide waren etwa die Inzidenzen? Selbst Laien haben erkannt: Hier stimmt etwas Grundlegendes nicht. Wo war eine Ethikratsvorsitzende, ja: wo war der Ethikrat, als es darum ging, angebliche Erkenntnisse des RKI bzw. der Regierung mit Nachdruck zu hinterfragen?
Es ist ja nicht so, dass die Offenbarungen in den RKI-Protokollen völlig überraschend sind. Und dennoch empfahl der Ethikrat unter Buyx‘ Vorsitz im November 2021 „flächendeckendes 2G – und unterstützte damit eine politische Entscheidung, durch die viele ungeimpfte Kinder, Jugendliche und Kinder ungeimpfter Eltern einen Winter lang systematisch aus dem sozialen Leben, von Sport und Freizeitveranstaltungen ausgeschlossen wurden. Monatelange Schulschließungen, Sportvereinsverbote, geschlossene Spielplätze – all das hat der Ethikrat nicht nur am Rande abgenickt, sondern aktiv befürwortet“, heißt es kommentierend auf der Plattform Nius.
Bei Lichte betrachtet: Buyx war politisch bequem, sie war keine Rebellin. Doch nach einer Rebellin hat die Ethik in dieser Zeit gerufen. Der Ruf der Ethik in schwerer Not stieß auf taube Ohren.
Dass Buyx‘ Haltung, ihre Einlassungen, ihre Aussagen in der Coronazeit von vielen Bürgern als inakzeptabel betrachtet werden, ist nachvollziehbar. Wenn nämlich eine Akteurin die Bühne betritt, von der die Gesellschaft geradezu per Definition ein alles überragendes ethisches und – mindestens – vieles überragendes intellektuelles Verständnis erwartet, dann muss geliefert werden. Wer leitet, wer führt, wer der Regierung beratend zur Seite steht und durch öffentliche Äußerungen letztlich auch zur Gesellschaft spricht, dem obliegt große Verantwortung. Genau daran ist Buyx zu messen. Genau daran messen kritische Bürger Alena Buyx – und genau dieser Aufgabe ist sie nicht gerecht geworden. Zumindest wird das aus einer schier unendlich langen Reihe an Stimmen sichtbar, die an Buyx kein gutes Haar lassen.
Buyx hatte in einer Nachrichtensendung öffentlich Folgendes gesagt: „Noch ist da ja noch nichts zugelassen. Deshalb kann man im Moment einfach noch nichts anbieten, außer bei wirklich absoluten Risikopatienten (…), also was weiß ich, Kindern mit Downsyndrom, Kinder mit Herzfehlern – da können Ärzte das sozusagen off label machen, also außer der Reihe.“
Die Tragweite dieser Aussage ist geradezu ungeheuerlich. Kinder, die ohnehin schwere gesundheitliche Probleme haben, dem Risiko einer noch nicht zugelassen Impfung auszusetzen? Was ist daran „ethisch“? Von der Frage, wie „ethisch“ eigentlich allgemein die Erprobung von Impfstoffen am lebenden „Kinderobjekt“ ist, ganz zu schweigen.
Selbst unter der Annahme, dass Kinder mit schweren gesundheitlichen Problemen durch eine „Off-label-Impfung“ gegen Corona vor einem schweren Verlauf der Erkrankung hätten geschützt werden können: mögliche Risiken einer aus guten Gründen noch nicht zugelassenen Impfung einfach so auf die Seite zu wischen? Wird ein solches Verhalten den Ansprüchen einer Vorsitzenden des Ethikrats gerecht?
Während ihrer Zeit als Ethikratsvorsitzende forderte gar der Humangenetiker und Mitglied des Ethikrats Wolfram Henn, dass „Verweigerer einer Corona-Impfung“ auf eine Beatmung im Falle einer Erkrankung verzichten sollten. Ein Widerspruch der Vorsitzenden des Erlauchten Gremiums ist nicht bekannt. Buyx erhöhte sogar öffentlich den Druck auf Ungeimpfte, indem sie in einem Spiegel-Interview auf die Frage, ob eine „moralische Pflicht“ zur Coronaimpfung bestehe, mit „ja“ antwortete. Buyx empfahl der Gesellschaft: Impfen, „was die Spritze hergibt”.
Dass die Vorsitzende des Ethikrats eine komplexe individualmedizinische Entscheidung eines jeden einzelnen Bürgers zu einer Frage der „Moral“ machte, verweist auf eine Ansicht, die ihrer Position nicht gerecht wurde.
Der Ethikrat täte im Übrigen gut daran, sein eigenes Handeln und das Agieren von Buyx in der Coronakrise einer externen kritischen Aufarbeitung unterziehen zu lassen. Insbesondere auch im Hinblick auf die bekannt gewordenen massiven Impfschäden, das damit verbundene Leid, aber auch in Anbetracht der RKI-Protokolle, die zeigen, auf welch wackeligen Beinen die angeblich so „wissenschaftlichen“ Richtungsentscheidungen standen, ist das dringend notwendig. Denn auch hier gilt nicht: Hinterher ist man immer schlauer. Vielmehr gilt für einen hoch ethischen Braintrust: Man hätte es wissen können!
Doch in Bezug auf Buyx gibt es ein weiteres Problem. Wann und wo hat sich Buyx einer kritischen Öffentlichkeit den Vorwürfen gegen sie gestellt? Hat sie an irgendeiner Stelle öffentlich mit Fundamentalkritikern die Diskussion gesucht?
Im Internet findet sich ein Video aus dem vergangenen Jahr. Das Video zeigt, wie Buyx von der Journalistin Giovanna Winterfeldt auf der Straße auf ihrem Weg in ein Hotel mit einer Frage konfrontiert wird: „Sie haben als Vorsitzende des Ethikrats gesagt, die Impfung sei nebenwirkungsfrei und man müsse die Maßnahmen hocheskalieren. Was sagen Sie heute dazu?“
Zu sehen ist, wie Buyx dem Eindruck nach regelrecht ins Hotel flüchtet, sich nicht den Fragen der Reporterin stellt. Gewiss: Die Ethikerin ist nicht dazu verpflichtet, einer Reporterin auf der Straße Rede und Antwort zu stehen. Aufgrund ihrer selbst gewählten öffentlichen Position darf man ihr aber sehr wohl die ethisch-moralische Verpflichtung zuschreiben, sich den Fragen einer kritischen Öffentlichkeit zu stellen – und zwar nicht auf den gefälligen Bühnen der Pseudokritik, sondern dort, wo es wehtut und unangenehm ist.
Buyx versteht es – sehr pointiert -, ihre Sicht generalisierend als Wahrheit innerhalb der großen Diskursplätze der Medien, die eine große Reichweite bieten, darzustellen. Sie sagte etwa vor einem Millionenpublikum bei Lanz: „Hinzu kommt auch, dass diese mRNA-Impfstoffe – das ist ja so ein elegantes Verfahren – die Zerfallen, dann werden die abgebaut, dann sind die weg, die kann man nach zwei Wochen überhaupt nicht mehr nachweisen (…)“. Die interessierte Öffentlichkeit lernte später: Das war falsch.
Laut einer Pressemitteilung weigerte sich Buyx auch, an einer Aktion der Macher von #allesaufdentisch teilzunehmen. Hinzu kommt: Auf dem Portal X werfen Nutzer Buyx immer wieder vor, von ihr bei Kritik blockiert zu werden. Auch der Autor dieses Kommentars hat diese Erfahrung gemacht. Sieht so eine offene Diskurshaltung im Geiste und Sinne der Demokratie aus?
Auf der Internetseite der Bertelsmann Stiftung heißt es: „Wie Unternehmen und junge Menschen besser miteinander kommunizieren können.“ Ein Block ist der totale Kommunikationsabbruch. Ein Block ist die totale Verweigerung, mit dem Gegenüber zu kommunizieren.
„Besser Miteinander kommunizieren“? Die Stiftung nimmt wirklich eine Person als Kuratoriumsmitglied auf, deren Kommunikationsverhalten sich im Zusammenhang mit Kritik an ihr nur als „katastrophal“ bezeichnen lässt?
Die Bertelsmann Stiftung hält laut Webseite die Werte „Demokratie“ und „Zusammenhalt“ hoch. Wie passt dass zu einer Ethikratsvorsitzenden, unter deren Führung ein Mitglied des Rats problemlos Ungeimpfte auffordern kann, auf eine Beatmung zu verzichten? Die ganze „Solidargemeinschaft“ des Krankenversichertensystems wird damit über den Haufen geworfen. Medizinische Versorgung für alle?
Unter dem Tweet der Stiftung zur Aufnahme von Buyx als Kuratoriumsmitglied folgt eine Kritik auf die Nächste.
- „Wer mit einer Frau Buyx nach außen werben will, hat im harmlosesten Fall einfach nur nichts verstanden oder ist im schlimmsten Fall Teil des Problems“
- Wohl eher eine Professorin für Gesinnungsethik, oder?
- „Damit ist der Verlag Bertelsmann für mich gestorben (…)“
- „Unglaublich dumme Entscheidung“
Das ist, wohlgemerkt, nur ein kleiner Ausschnitt aus den noch gemäßigten Kommentaren. Es ist schwer, sich vorzustellen, dass den Verantwortlichen bei der Stiftung die Kritik an Buyx in den letzten Jahren entgangen ist. Warum also nimmt die Stiftung Buyx auf? Schon jetzt ist die Ernennung der ehemaligen Ethikratsvorsitzenden als Kuratoriumsmitglied für die Bertelsmann Stiftung ein PR-Desaster.
Titelbild: Screenshot Phoenix