Der tschechische Präsident Petr Pavel hatte am 21. August öffentlich erklärt, dass die Zerstörung der Nord-Stream-Pipeline, wenn von der Ukraine durchgeführt, „ein legitimes Ziel“ gewesen sei. Kurz zuvor hatte sich auch der polnische Ministerpräsident Donald Tusk ähnlich geäußert. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob die Bundesregierung diese Einschätzung ihrer EU- und NATO-Partner teilt. Die Antwort fiel erstaunlich deutlich aus. Von Florian Warweg.
Hintergrund
Der ehemalige Vorsitzende des-NATO-Militärausschusses – die oberste militärische Instanz des Bündnisses – und jetziger Präsident Tschechiens hatte in einem Gespräch mit PoliTalk am 21. August, nachdem die Bundesanwaltschaft einen ersten Haftbefehl gegen einen ukrainischen Tauchlehrer wegen mutmaßlicher Beteiligung an der Zerstörung von Nord Stream ausgestellt hatte, erklärt, dass, wenn die Ukraine tatsächlich hinter dem Sabotageakt gestanden hat, dies ein legitimes Ziel gewesen sei. Im Wortlaut sagte er:
„Wenn ein bewaffneter Konflikt geführt wird, dann nicht nur gegen militärische Ziele, sondern auch gegen Ziele strategischer Natur – und Pipelines sind ein strategisches Ziel. Und wenn der Angriff (der Ukraine) darauf abzielte, die Gas- und Öllieferungen nach Europa und den Geldrückfluss nach Russland abzuschneiden, dann wäre das – und ich verwende bewusst ein konditionales Verb – ein legitimes Ziel.“
Im selben Kontext hatte sich einige Tage zuvor bereits der polnische Regierungschef Tusk geäußert:
„An alle Initiatoren und Förderer von Nord Stream 1 und 2: Das Einzige, was Sie heute tun sollten, ist sich zu entschuldigen und die Klappe zu halten.“
To all the initiators and patrons of Nord Stream 1 and 2. The only thing you should do today about it is apologise and keep quiet.
— Donald Tusk (@donaldtusk) August 17, 2024
Auszug aus der Regierungspressekonferenz vom 26. August 2024
Frage Warweg
Sowohl der polnische als auch der tschechische Präsident haben jüngst erklärt, dass die Zerstörung von Nord Stream 1 und 2, wenn von der Ukraine durchgeführt, ein völlig legitimer Akt gewesen sei. Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung ihrer EU- und NATO-Partner?
Regierungssprecher Hebestreit
Nein.
Zusatzfrage Warweg
Herr Wagner, gab es, da Herr Hebestreit das so deutlich verneint, denn entsprechende diplomatische Initiativen, um dieses Nein entsprechend an die Staatskanzleien in Prag und Warschau zu kommunizieren?
Wagner (AA)
Der Regierungssprecher hat ja gerade sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, was unsere Haltung zu dem Kasus war.
Hebestreit
Diese Haltung hat der Bundeskanzler in seinen Gesprächen, die er sowohl mit der polnischen als auch mit der tschechischen Seite sowie mit vielen anderen internationalen Partnern in den vergangenen Monaten geführt hat, immer wieder deutlich gemacht. Er hält das für ein Verbrechen und hat auch gesagt, dass das Verbrechen aufgeklärt werden muss. Der Generalbundesanwalt – dort laufen die Ermittlungen – ermittelt.
Korrektur 2.9.2024 14.30 Uhr: Wir hatten in einer ersten Version versehentlich den polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk als Präsidenten bezeichnet. Dies haben wir korrigiert.
Titelbild: NDS, Regierungspressekonferenz vom 26. August 2024