Der potenzielle Erfolg des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“ (BSW) macht viele Akteure nervös – entsprechend wird in der Medienkampagne gegen die neue Partei vor den Landtagswahlen nochmals nachgelegt. Ausgewogenheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Komplette Fehlanzeige! Nun wird auch noch über einen Cyber-Angriff auf das BSW berichtet – in dem Zusammenhang taucht laut BSW auch schon wieder „Correctiv“ auf. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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In einem kürzlich von uns übernommenen Artikel von Norbert Häring über eine „Kampfschrift“ der ARD gegen das BSW wurde treffend angekündigt:
„Mit der Kampfschrift signalisiert die ARD allen Journalisten des Senders und darüber hinaus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Das Themenfeld Russland-Ukraine-Nato und die Haltung des BSW dazu haben höchste Priorität. Ab jetzt gilt: auf sie mit Gebrüll.“
Diese Prophezeiung ist eingetroffen, in diesem Artikel werden einige aktuelle Beispiele und weiter unten ein mutmaßlicher Cyber-Angriff auf das BSW thematisiert. Zur Einordnung: Das von Häring beschriebene Signal erklang kurz nachdem Sahra Wagenknecht Koalitionen auch von der Haltung zur Kriegsfrage abhängig gemacht hatte, über die folgende Aufregung hatten wir im Artikel „BSW ist ein „Kreml-Ableger“ – Wie Wagenknechts Koalitions-Aussage einschlägt“ berichtet.
Pamphlete und „Faktenchecks“
Tatsächlich folgten dann zahlreiche Beiträge zur Diffamierung des BSW, auf die wir etwa in dem Text „Faktencheck der Faktenchecker: Deutschlandfunk will Wagenknecht widerlegen und scheitert grandios“ eingegangen sind. Ein infamer Offener Brief des Historikers Ilko-Sascha Kowalczuk gegen das BSW wurde in vielen Medien freundlich verbreitet, eine Widerlegung hat Sevim Dagdelen in der Berliner Zeitung verfasst, die NachDenkSeiten sind im im Artikel „Pamphlet unterstellt BSW einen „nationalen Sozialismus““ darauf eingegangen. Zu erwähnen ist auch ein „Faktenfinder“-Beitrag der ARD, der dem BSW bescheinigt, „auf Linie mit der russischen Propaganda“ zu sein. All das sind nur Beispiele unter vielen.
Diese Tendenz hat sich jetzt noch einmal verstärkt, so berichtet Häring aktuell darüber, dass das ZDF nun kurz vor den kommenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen einen Bericht brachte, in dem potenzielle Wähler des BSW als rechtsradikal abqualifiziert werden. Dass die zugrundeliegende Studie in Kooperation mit der Stiftung des US-Milliardärs und Politaktivisten George Soros entstanden sei und von dieser finanziert worden sei, verschweige der öffentlich-rechtliche Sender ebenso wie den personellen und methodischen SPD-Hintergrund des Papiers. Häring fasst zusammen, George Soros lasse also eine Studie in Auftrag geben, um Wähler des BSW vor wichtigen Landtagswahlen als rechtsextrem und ausländerfeindlich zu diskreditieren, und das ZDF helfe dabei, indem es berichtet und dabei den Auftraggeber – und noch mehr – verschweige. Mehr Infos zur fragwürdigen Methodik der Studie finden sich in dem Artikel.
Der herumgereichte „Ostdeutschland-Experte“
Der oben bereits erwähnte Ilko-Sascha Kowalczuk wird als „Ostdeutschland-Experte“ momentan in großen Medien geradezu herumgereicht. Bei diesen Auftritten lässt er dann markige Sprüche vom Stapel, die meist nicht hinterfragt werden. So kann er im ZDF behaupten, Wagenknecht sei von Putin fasziniert – wegen dem „autoritären Staatsmodell, was er vertritt“. Auf welchem intellektuellen und stilistischen Niveau sich Kowalczuks „Analysen“ bewegen, illustriert gut diese Behauptung von ihm:
„Wagenknecht möchte Wladimira Putinowa sein.“
Pauschal gegen Ostdeutsche teilte Kowalczuk gerade in einem Beitrag des MDR aus: Viele Ostdeutsche würden den Wert der Freiheit nicht zu schätzen wissen. Außerdem seien sich AfD und BSW einig in ihrer „Diskreditierung und Ablehnung der liberalen, repräsentativen Demokratie, denn beiden gehe es darum, ein autoritäres Regime zu etablieren“. Das ist eine seiner Lieblings-Behauptungen bezüglich BSW und AfD: „All diese Debatten um Frieden oder Nicht-Frieden, sind alles Scheindebatten“, so Kowalczuk, „weil im Kern geht es ihnen darum, solch ein Regime zu begründen wie in Russland.“
Fantasien der Spaltung
Man kann das alles noch weiter treiben – bis hin zu Fantasien von einer neuen deutschen Teilung. Einen Vorstoß in diese Richtung hatten wir kürzlich im Artikel „„Correctiv“-Tweet für deutsche Teilung – Weil die Ossis falsch wählen“ beschrieben. Nun heißt es in einem aktuellen Kommentar im Deutschlandfunk von Paul Stänner: Ossis und Wessis sollten sich lieber scheiden lassen als verkrampft zusammenzuleben. Verpackt in einen launigen Text findet er es ungerecht, dass „Rechnungen aufgemacht“ würden, „bei denen die Wessis wie räuberische Schurken dastehen“. Die „Gefühle von Wessis“ seien in diese Rechnungen zudem oft „nicht eingepreist“. In einem verkorksten Versuch werden in dem Kommentar (angebliche) persönliche Erlebnisse zur Argumentation benutzt und es wird die staatlich-gesellschaftliche Ebene unseriös vermischt mit Familienstreitigkeiten. Der nicht als Satire oder Ähnliches gekennzeichnete Kommentar mündet in diese Vision:
„Aus der Buchführung seiner Gefühle kann der Wessi sagen: Die Sache hat sich nicht gelohnt. Wir erkennen die mentale Mauer zwischen uns an, lösen die Familie auf und beenden das Experiment. Soll doch jeder mit seinen Gefühlen selig werden – hüben wie drüben, so formulierte man das noch in den 1960ern.“
BSW/AfD gegen „die demokratischen Parteien“
Eine weitere fragwürdige Praxis in der Berichterstattung zu AfD und BSW ist eine versuchte Trennung der beiden Parteien vom restlichen Politikbetrieb – da werden dann AfD und BSW indirekt als „nicht demokratisch“ diffamiert, indem ihnen immer wieder „die demokratischen Parteien“ gegenübergestellt werden. Exemplarisch hat das kürzlich Marcel Fratzscher vom DIW in dieser Stellungnahme praktiziert, als er feststellte:
„Vor allem zwischen AfD und BSW einerseits und den demokratischen Parteien andererseits haben die Übereinstimmungen der Positionen über die Zeit häufig weiter abgenommen. In anderen Worten: AfD und in geringerem Maße das BSW könnten kaum unterschiedlicher sein in ihrer politischen Positionierung zu den demokratischen Parteien.“
„Correctiv” und der Cyberangriff auf das BSW
Auch auf anderer Ebene versucht man der neuen Partei zuzusetzen: Ganz aktuell berichtet die Pressestelle des BSW, dass die Partei „wahrscheinlich das Ziel eines Cyberangriffs geworden ist“. Darauf sei man am Montag durch eine Anfrage des „unabhängigen“ Recherchezentrums „Correctiv“ aufmerksam gemacht worden. Correctiv behaupte, über einen Datensatz zu zahlreichen Personen zu verfügen, so das BSW – und weiter:
„Correctiv nutzt die illegal gewonnenen Daten aktuell, um Betroffene direkt zu kontaktieren und mit Fragen zu konfrontieren.“
Ich hoffe, die so in der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte bedrängten Bürger lassen die Anfragen von „Correctiv“ kollektiv abblitzen.
Aktualisierung 28.8.2024, 10.30h: Correctiv hat in diesem Beitrag seine Version des Vorgangs geschildert.
Titelbild: Shutterstock / Gorloff-KV
Faktencheck der Faktenchecker: Deutschlandfunk will Wagenknecht widerlegen und scheitert grandios
BSW ist ein „Kreml-Ableger“ – Wie Wagenknechts Koalitions-Aussage einschlägt
Pamphlet unterstellt BSW einen „nationalen Sozialismus“
ARD kontra BSW: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gibt den Anschein von politischer Neutralität auf
Obacht, liebe Wähler! Die AfD will Oma die Schlagersendung wegnehmen!