Risiken, die niemals jemand eingehen darf, sind westliche ‚Sicherheitspolitik‘

Risiken, die niemals jemand eingehen darf, sind westliche ‚Sicherheitspolitik‘

Risiken, die niemals jemand eingehen darf, sind westliche ‚Sicherheitspolitik‘

Ein Artikel von Bernhard Trautvetter

Die Gefahrenlage in den Atomkraftwerken Saporischschja und Kursk ist nach wie vor extrem zugespitzt. „Wieder einmal sehen wir eine Eskalation der Gefahren für die nukleare Sicherheit am AKW Saporischschja“, warnt Rafael Grossi, Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA ). Dem Kölner Internet-Medium ntv zufolge hat die Atomagentur Rosatom Kontakt mit der IAEA über die Zuspitzung der Gefahrenlage der zwei AKW, die infolge von Kriegshandlungen in besonderem Maße gefährdet sind, informiert: Es handelt ich um das AKW Kursk und Europas leistungsstärkstes AKW Saporischschja. Der Rosatom-Chef Alexej Lichatschow lud IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi ein, um „sich im Gebiet Kursk in dem AKW und in der dazugehörigen Stadt Kurtschatow selbst ein Bild von der Situation zu machen. Demnach gibt es dort wegen der Gefahr ukrainischer Angriffe täglich mehrfach Luftalarm. Die IAEA hatte angesichts des am 6. August begonnenen ukrainischen Vorstoßes auf das russische Gebiet Kursk vor möglichen Gefahren für das dortige Kernkraftwerk gewarnt.“ Die Friedensbewegung warnt seit Beginn der Kampfhandlungen vor der Gefahr von Nuklearanlagen in Staaten, in denen Krieg herrscht. Von Bernhard Trautvetter.

Die Gefahr einer Kernschmelze in einem Atomkraftwerk zählt zu den Risiken, die einzugehen niemals ein Mensch oder eine Organisation das Recht hat. Die Verwüstung von teils dicht besiedelten Lebensräumen und damit das Risiko einer unterschiedslosen sowie massenhaften Tötung von Soldaten und Zivilpersonen bricht mit fundamentalen Menschenrechten.

Kriegsbedingungen steigern die Gefahr einer Kernschmelze von Atomreaktoren. Atomkraftwerke sind von garantiert ununterbrochener Kühlung abhängig; im Krieg kann das aber niemand garantieren. Ein Unterbruch in der Stromversorgung oder der Zuführung von Wasser steigert die Gefahr einer vollständigen Kernschmelze, bei der das gesamte Brennelement-Material des Reaktors schmilzt und schließlich an die Umwelt austritt. Das hat dramatische Folgen für uns Menschen und die Umwelt. Direkt und weiträumig bis zu einem gewissen Grad verstrahlte Regionen müssen evakuiert werden.

Das Heißlaufen des Reaktorkerns führt unmittelbar zur Beschädigung aller Hüllen, die ihn von der Umwelt isolieren sollen, und schließlich führt die Schmelzung des Brennstoffs dazu, dass das schwere Material durch das massive Fundament des Reaktors hindurchschmilzt. Es stößt darunter auf Erdreich, dann erreicht es möglicherweise Grundwasser. Die dann erfolgende Verpuffung führt zu einer radioaktiven Wolke, die weite Bereiche der nahen, mittleren und – je nach Wind – auch weiten Umgebung des Atomkraftwerks verstrahlt und so auf unüberschaubar lange Zeit in weiten Regionen auch unbewohnbar macht.

Von Radioaktivität getroffene Lebewesen erleiden in ihren Organen, Knochen und Zellen schwere Funktionsstörungen. Der Schweregrad und damit die Tödlichkeit hängen u.a. von der Strahlendosis ab. Einige radioaktive Stoffe haben eine in Jahrzehnten wirkende Halbwertzeit. Bei der Havarie des Atomkraftwerkes Tschernobyl am 26. April 1986 trat nur ein Bruchteil des Reaktormaterials an die Umwelt aus. Drei Tage später regnete es ca. 1.500 km davon entfernt in Deutschland; zu diesem Zeitpunkt war die radioaktive Wolke über dem vom Regen erfassten Gebiet. Im Ergebnis durften die Kinder nicht auf die Spielplätze, die Menschen sollten u.a. auf Frischmilch, Pilze und Wildfleisch verzichten …

Die NATO sowie Russland kennen die hier skizzierten Risiken von Atomanlagen im Krieg. Nicht nur Russland ging mit seiner Invasion ein entsprechendes Risiko ein. Die NATO wusste beweisbar mindestens seit 2014, welche Gefahren sie mit ihrer vertragsbrüchigen NATO-Expansion für die Menschen in Europa eingeht. Zitat der militärischen Strategieschmiede der NATO in Kalkar von 2014: „Die […] Annahme, dass es keinen großen Krieg mehr in Europa geben wird, ist anzuzweifeln.“ (Future Vector Part I, S. 141 – Übersetzung: B.T.) Die führenden Verantwortungsträger der hochrangigen Strategie-Konferenz, für die das Material gestaltet wurde, in dem diese Orientierung enthalten ist, wussten auch, dass der Ausgangspunkt dieses Flächenbrandes Georgien, die Ukraine oder das Baltikum sein werde (siehe ebenda!). Es handelt sich um die Regionen von herausragender Brisanz bei der Verletzung der verpflichtenden Vereinbarungen zur europäischen Friedensordnung der gemeinsamen weil gegenseitigen Sicherheit durch die NATO-Expansion.

Im gleichen Jahr, in dem diese Konferenz stattgefunden hatte (2014), fand nicht nur der US-gestützte Putsch in Kiew gegen den Neutralitätspolitiker Janukowitsch statt; im Mai dieses Jahres beriet die NATO die von den USA u.a. in Persona von Victoria Nuland mitinstallierte, illegale sogenannte ‚Übergangsregierung Jazenjuk‘ in der Ukraine im Umgang mit Atomanlagen in Kriegsgebieten. Der Beleg dafür im Netz ist schwer zu finden, aber ein nicht mehr zugängliches Dokument offenbart die Methode der selektiven Informierung der Öffentlichkeit, in anderen Worten der Des-Information durch die NATO:

Bis 2016 fand man auf den Seiten der Tagesschau noch einen Artikel zum Thema, der jedoch später depubliziert wurde. Dort hieß es:

Energiesicherheit in der Ukraine? Bei dieser Frage dreht es sich meist ums Gas. Dabei stellen die Hälfte des Stroms die 15 Atomkraftwerke im Land bereit, in dem sich die weltweit größte Atomruine Tschernobyl befindet. Angesichts der Eskalation in der Ostukraine gibt es Sorgen um die Sicherheit der AKW.“

NATO-Generalsekretär Rasmussen bestätigte laut Artikel, dass zivile Experten der NATO die ukrainischen Kräfte unterstützen und Übergangspremier Jazenjuk die Armee zur Sicherheit der AKWs einsetzen wollte. Die Sensation kam eher beiläufig ans Licht und blieb von der Öffentlichkeit bislang weitgehend unbeachtet: Die ukrainische Regierung hat die NATO um Beistand gebeten, und die NATO hat diesem Wunsch entsprochen – dem Wunsch um Hilfe bei der Sicherung der 15 noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke des Landes.

Gegen Ende der Frage-und-Antwort-Runde seiner Pressekonferenz am 19. Mai sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen auf Nachfrage eines Journalisten: „Ja, wir haben auf Bitten der Ukraine eine kleine Gruppe ziviler Experten in die Ukraine entsandt, um den Behörden zu helfen, die Sicherheit ihrer zivilen Nuklearanlagen zu verstärken.“ Hier gibt es noch einen Internet-Beleg für diese ‚Beratung‘.

Aus dieser kleinen Anfrage der Bündnisgrünen an die Bundesregierung zum Thema ergibt sich, dass die Bündnisgrüne Partei – und nicht nur sie – im Wissen darum, welches Risiko eine Eskalation für die Zivilisation in sich birgt, die NATO-Politik mitträgt und spätestens seit Amtsantritt der Ampel-Regierung mitgetragen hat. Wohlgemerkt, dies war die illegale – gegen die Verfassung – installierte Regierung in Kiew.

NATO-Staaten haben seither die prowestliche Regierung der Ukraine mit Hunderten Milliarden US-Dollar aufgerüstet, hier nur eine Übersicht über 2024. Die einzig zu verantwortende Antwort ist, wie es die Friedensbewegung fordert, Diplomatie, Einhaltung der international verbindlichen Verträge zu einer Friedensordnung in gemeinsamer weil gegenseitiger Sicherheit, Abrüstung, keine Waffen in Kriegsgebiete, Verhandlungen im Sinne von Willy Brandts Ost- und Entspannungspolitik statt Dämonisierung der Gegenseite mit Des-Information.

Titelbild: zef art/shutterstock.com

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