Auswärtiges Amt verteidigt trotz offiziellem Dementi der Bundesregierung erfundenes Putin-Zitat

Auswärtiges Amt verteidigt trotz offiziellem Dementi der Bundesregierung erfundenes Putin-Zitat

Auswärtiges Amt verteidigt trotz offiziellem Dementi der Bundesregierung erfundenes Putin-Zitat

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

André Bodemann, seines Zeichens Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, hatte im Juli bei der Vorstellung des sogenannten „Operationsplans Deutschland“ öffentlich behauptet, „Putin hat gesagt, dass er das alte Gebiet der Sowjetunion wiederherstellen möchte“ und mit Verweis auf das „Zitat“ die massive Aufrüstung der Bundeswehr begründet. Auf Nachfrage des Bundestagsabgeordneten Thomas Dietz musste die Bundesregierung jetzt einräumen, dass ihr solche Äußerungen Putins nicht bekannt seien. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob das Verteidigungsministerium und das Auswärtige Amt, deren Vertreter auf der BPK Ähnliches behauptet hatten, eine Richtigstellung planen. Von Florian Warweg.

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Hintergrund

„Liegen der Bundesregierung öffentliche oder nicht öffentliche, geheimdienstliche erlangte Äußerungen des Präsidenten der Russischen Föderation Wladimir Putin vor, welche die verschiedentlich in der öffentlichen Debatte geäußerte These belegen können, dass Russland die UDSSR (Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken) in den Grenzen vor 1989 wiederherzustellen beabsichtigt, und wenn ja, was liegt der Bundesregierung vor (bitte die Quellen mit Datumsangaben benennen)?“

So lautete die schriftlich eingereichte Frage des AfD-Bundestagsabgeordneten Thomas Dietz, auf die der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Dr. Thomas Bagger, im Namen der Bundesregierung am 1. August wie folgt antwortete (Bundestagsdrucksache 20/12418, S. 33):

„Äußerungen des Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, wonach eine Wiederherstellung der Sowjetunion beabsichtigt werde, sind der Bundesregierung nicht bekannt.“

Zwar führt die Bundesregierung nach der eigentlichen Antwort noch aus, wohl aus Gründen der versuchten Ehrenrettung für den General, dass „allerdings die aggressiv-drohende Rhetorik gegen Nachbarstaaten und Versuche, Staatsgrenzen in Russlands Nachbarschaft gewaltsam zu verschieben, bzw. diese Staaten mit anderen Mitteln zu dominieren, inzwischen integraler Bestandteil der imperialistischen Außenpolitik Wladimir Putins“ seien – doch ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Bundesregierung höchst offiziell einräumen muss, dass einer der ranghöchsten deutschen Generäle ein Putin-Zitat erfunden hat, um damit die milliardenschwere Aufrüstung der Bundeswehr und die Notwendigkeit des „Operationsplans Deutschland“ zu rechtfertigen.

Kehrtwende der Bundesregierung?

Als der Autor dieser Zeiten am 3. Juli dazu in der BPK nachgefragt und um Quellenbelege gebeten hatte, äußerte sich der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Oberst i.G. Arne Collatz, noch wie folgt im Namen der Bundesregierung dazu:

„Ich persönlich meine, das schon an vielen Stellen in den Raunereien, die man von Putin so hört, wahrgenommen zu haben.“

Sowie:

„Na ja, nun bin ich ja nicht Ihr Recherchebeauftragter. Ich habe bei Ihren Kolleginnen und Kollegen schon viele von diesen Zitaten gelesen. Vielleicht bemühen Sie sich, bei den Kolleginnen und Kollegen, die bei der Recherche vielleicht ein bisschen begabter sind, Hilfe zu suchen.“

Auf die Nachfrage der NachDenkSeiten bei der aktuellen Regierungspressekonferenz am 21. August, wie sich Verteidigungsministerium und Auswärtiges Amt nach der offiziellen Antwort der Bundesregierung an den Bundestag zu dem erfundenen Putin-Zitat verhalten und ob sie eine Richtigstellung planen, verweigerte der BMVG-Sprecher komplett die Antwort („Ich habe unserer kleinen Proseminardiskussion nichts hinzuzufügen.“) und der AA-Sprecher hatte tatsächlich die Chuzpe, trotz des offiziellen Dementis aus seinem eigenen Haus, die Falschdarstellung zu verteidigen:

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 21. August 2024

Frage Warweg
Die Bundesregierung hat im August auf Anfrage des Bundestagsabgeordneten Thomas Dietz erklärt:

„Äußerungen des Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, wonach eine Wiederherstellung der Sowjetunion beabsichtigt werde, sind der Bundesregierung nicht bekannt.“

Dies steht jetzt im direkten Gegensatz zu der Aussage des Befehlshabers des Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, André Bodemann, der genau so ein Zitat Putin in den Mund gelegt hat und damit auch die massive Aufrüstung der Bundeswehr begründet hat. Auch Sie, Herr Collatz, haben hier in der BPK und ebenso Sie, Herr Fischer, Ähnliches behauptet. Angesichts dieser jetzt offiziellen Antwort der Bundesregierung, dass ihr nichts Entsprechendes bekannt ist, würde mich interessieren, ob Sie denn eine Richtigstellung sowohl Herrn Bodemanns Aussage als auch der von Ihnen hier in der BPK getätigten Aussagen planen.

Collatz (BMVg)
Ich habe unserer kleinen Proseminardiskussion nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage Warweg
Herr Fischer?

Fischer (AA)
Könnten Sie noch einmal das Zitat wiederholen? Ich hatte Ihnen anfangs nicht zugehört.

Zusatz Warweg
Das passiert immer. – Das Zitat war:

„Äußerungen des Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, wonach eine Wiederherstellung der Sowjetunion beabsichtigt werde, sind der Bundesregierung nicht bekannt.“

Genau das hat Herr Bodemann aber entsprechend bei der Vorstellung des „Operationsplans Deutschland“ genau so formuliert gehabt. Herr Collatz hat das hier verteidigt. Wenn ich mich nicht völlig falsch erinnere, haben Sie Ähnliches behauptet. Deswegen würde mich interessieren, wie Sie jetzt mit dieser offiziellen Antwort der Bundesregierung, die auch vom Staatssekretär des AA, also aus Ihrem Hause, kommt, umgehen.

Fischer (AA)
Ähnliches ist nicht dasselbe. Im Übrigen ist doch völlig klar, dass Russland ein imperialistisches Projekt verfolgt. Dafür müssen Sie doch nur in die Ukraine schauen. Insofern verstehe ich Ihre Frage nicht ganz. Ich meine, die Fakten liegen doch auf dem Tisch, sie sind für jeden jeden Tag nachvollziehbar: Russland ist mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in sein Nachbarland eingefallen und verfolgt ein imperialistisches Projekt. Da können Sie zum Beispiel auch die Schriften Putins selbst nehmen, in denen er ja von der großen Brüderschaft zwischen Russland, der Ukraine und Belarus gesprochen hat und sozusagen damit begründet hat, warum er diesen Krieg gegen die Ukraine angefangen hat. Insofern bin ich etwas irritiert über Ihre Nachfrage.

Zusatz Warweg
Ich habe hier die Aussage der Bundesregierung zitiert. Das habe ich jetzt nicht erfunden. Die sagt, ihr seien diese Zitate nicht bekannt. Einer der führenden Generäle dieser Republik erzählt, dass Putin genau das sagt: Wiederherstellung der Sowjetunion in ihren damaligen Grenzen. Die Bundesregierung sagt, diese Aussage sei ihr nicht bekannt. Herr Collatz hat das damals verteidigt. Sie haben Ähnliches gesagt. Russland kann jetzt nach Ihrer Wahrnehmung fünfmal imperialistisch sein, aber es geht um ein konkretes Zitat, das Putin zugeschrieben wurde, von dem die Bundesregierung sagt, dass es das nicht gibt, und Sie beide sagen, dass es das gibt. Da gibt es ja einen gewissen Widerspruch. Sie widersprechen damit ja auch – – –

Fischer (AA)
Herr Warweg, ich habe Ihnen gerade gesagt, was ich dazu zu sagen habe. Dass Putin ein imperialistisches Projekt verfolgt – – – Ich meine, Sie sind lange im Urlaub gewesen; möglicherweise haben Sie das in dieser Zeit verpasst. Aber grundsätzlich ist es doch so, dass es seit zweieinhalb Jahren einen imperialistischen Angriffskrieg gibt und dass – – –

Zuruf Warweg

So lange war ich nicht im Urlaub!

Fischer (AA)

es ist mir fast so vorgekommen – es sozusagen keinen Zweifel daran gibt, dass Russland unter Putin ein imperialistisches Projekt verfolgt und versucht, sein Nachbarland zu überfallen und es sich einzuverleiben. Ich meine, daran gibt es doch keinen Zweifel. Insofern verstehe ich den Hintergrund Ihrer Frage absolut nicht. Das ist völlig absurd.

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Titelbild: NachDenkSeiten, Regierungspressekonferenz vom 21. August 2024

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