„Viele Covid-Zwangsmaßnahmen waren schädlich und eine strukturelle Kindeswohlgefährdung“

„Viele Covid-Zwangsmaßnahmen waren schädlich und eine strukturelle Kindeswohlgefährdung“

„Viele Covid-Zwangsmaßnahmen waren schädlich und eine strukturelle Kindeswohlgefährdung“

Ein Artikel von Marcus Klöckner

Die Polizei hat Jugendliche im Park mit dem Auto gejagt, Kinder wurden von der Schaukel auf dem Spielplatz verscheucht und ungeimpfte Zwölfjährige durften nicht mehr auf den Sportplatz. Der Kindheitsforscher Professor Michael Klundt spricht im NachDenkSeiten-Interview über „eine „strukturelle Kindeswohlgefährdung“ aufgrund von politischen Entscheidungen während der Coronazeit. Was Kindern und Jugendlichen angetan worden sei, dürfe ein Rechtsstaat nicht durchgehen lassen, „wenn er nicht zu einem Unrechtsstaat verkommen will“. Klundt spricht von „Kinderrechtsverletzungen“, die „einfach nicht mehr zu leugnen sind“. „Unschuldslämmer“ in Politik und Medien beteuern nun: „Das haben wir nicht gewusst!“ Allerdings: „Äußerst gravierende psychosoziale Folgen der Corona-Maßnahmen waren bei den Kindern frühzeitig zu erkennen“, sagt Klundt. Der Forscher betont, dass in Deutschland Verantwortliche „elementare Schutz-, Fürsorge- und Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen verletzt“ haben. Von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Marcus Klöckner: Herr Klundt, wir haben im Dezember 2020 zum ersten Mal ein Interview zum Thema Kinder und Coronamaßnahmen geführt. Sie haben damals kein gutes Haar an der Maßnahmenpolitik gelassen und auf den eklatanten Widerspruch zwischen dem angeblichen Nutzen der Maßnahmen und den zu erwartenden Schäden an den Kindern angesprochen. Wie bewerten Sie die Maßnahmenpolitik im Lichte der veröffentlichten RKI-Protokolle und des Expertenrats?

Michael Klundt: Hinsichtlich der Schäden der Corona-Politik haben sich alle meine Befürchtungen seit 2020 zu psychosozialen Folgen bei Kindern und Jugendlichen und bezüglich autoritärer Demokratieentwicklungen bestätigt und sind leider sogar übertroffen worden.

Und aus den RKI-Files

… erfahre ich, dass viele der dafür verantwortlichen Maßnahmen wider besseren Wissens auf Druck der Exekutive getroffen wurden.

… und nicht aufgrund einer evidenzbasierten Forschungslage?

Ja, aber es ist noch schlimmer. Maßnahmen wurden nicht nur nicht auf der Basis wissenschaftlicher Evidenz getroffen – sie wurden, wie wir jetzt sehen können, sogar explizit entgegen dem vorhandenen Forschungsstand getroffen. Das ist ein harter Schlag, selbst für kritische Menschen wie mich (siehe dazu auch diesen Beitrag der NachDenkSeiten).

Im Grunde wusste man vieles schon lange – oder konnte es sich zumindest herleiten.

Darf ich einen Abschnitt aus einem Spiegel-Artikel zitieren?

Bitte.

Der SPIEGEL-Redakteur Alexander Neubacher gab am 11. März 2023 offen zu:

„Inzwischen wissen wir, dass einige Coronamaßnahmen nicht nur fragwürdig oder unsinnig waren, sondern auch rechtswidrig. (…) Nun ist es hinterher immer leicht zu sagen, was besser gewesen wäre. Doch was mich im Nachhinein umtreibt, ist, wie leicht die Freiheitsrechte in unserer angeblich so liberalen Gesellschaft suspendiert wurden. Der Firnis der Zivilisation ist diesbezüglich offenbar dünner, als ich glaubte. (…) Zu wenige widersprachen, als die Politik vor drei Jahren erstmals Schulschließungen anordnete und dann über Monate immer wieder verlängerte: kein Bundesverfassungsgericht, keine Nationale Akademie der Wissenschaften, kein Deutscher Ethikrat, kein Christian Drosten. Was, wie ich heute sagen würde, ein Riesenversäumnis war. Und wir Medien, auch wir beim SPIEGEL, die wir uns gern als vierte Gewalt betrachten? Ich fürchte, der Diktator in uns war ziemlich stark.“

In der Tat müssten sich jetzt Tausende von Wissenschaftlern, Journalisten und Politikern, Mediziner, Pädagogen, Eltern, Lehrer, Studenten und Schüler sehr kritisch und sehr selbstkritisch zu Wort melden. Immerhin haben sie sich seit 2020 – im Namen „der“ Wissenschaft – belügen, zur Hetze ge- oder missbrauchen lassen sowie strukturelle Kindeswohlgefährdung durch verschiedenste Maßnahmen befördert. Das stattdessen vorherrschende mainstreammediale Schweigen oder Beschweigen ist bezeichnend.

Kinder, aber auch Jugendliche waren schwersten Maßnahmen ausgesetzt. Keine Schule, keine Treffen in Gruppen, Maskenzwang, Testzwang, Impfdruck usw. Erinnert sei auch an die Szene in einem Park in Hamburg, wo Jugendliche gar von der Polizei mit einem Polizeiwagen regelrecht gejagt wurden, weil sie sich getroffen haben. Was ist hier passiert?

Ich erinnere mich auch noch an den völlig unkritischen ÖRR-Fernsehbeitrag mit dem Rodler, der seinen Schlitten einsam den Berg hochzog und dann von zwei Polizisten im Laufschritt verfolgt wurde und eine Geldstrafe erhielt, weil ihm beim Hochsteigen auf den Berg – weit entfernt von anderen Menschen – zwischendurch die Maske verrutscht ist. Wer Jugendliche lebensgefährlich durch den Park jagt oder Schlittenfahrer kriminalisiert, weil ihnen in freier Natur und mit großem Abstand zu anderen Menschen die Maske verrutscht ist, wer Kleinkindern die Schaukel verbietet und nicht geimpften Zwölfjährigen den Zugang zum Sportplatz verwehrt oder sie anderweitig diskriminiert, muss wissen, dass ein Rechtsstaat so etwas nicht dulden darf, wenn er nicht zu einem Unrechtsstaat verkommen will. Äußerst gravierende, vor allem psychosoziale Folgen der Corona-Maßnahmen waren bei den Kindern frühzeitig zu erkennen. Schon ihre wissenschaftliche, politische und mediale Thematisierung wurde mit den vorherrschenden Narrativen, die sich als „absolute Wahrheit“ und „die Wissenschaft“ inszenierten, an den Rand gedrängt.

Seitdem die verschiedenen Kinderrechtsverletzungen einfach nicht mehr zu leugnen sind, beteuern die verantwortlichen „Unschuldslämmer“ auf den Regierungsbänken und in den Redaktionsstuben unisono: „Das haben wir nicht gewusst! Und wenn schon, das ist nur die Schuld von Corona und hat nichts mit unseren vernünftigen Maßnahmen zu tun! Jetzt wissen wir es besser, und die millionenfache Diskriminierung während der angeblichen „Pandemie der Ungeimpften“ tut uns auch irgendwie leid. War nicht so gemeint. Sorry, liebe „Sozialschädlinge“.

Wie erklären Sie sich, dass Kinder und Jugendliche im Grunde genommen regelrecht ausgeliefert waren? Ich erinnere an Berichte von Kindern, die aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen konnten und Mobbing ausgesetzt waren. Dann gab es Lehrer, die aus der Befolgung der Maßnahmen einen regelrechten Fetisch gemacht haben. Verständnis für den Widerwillen der Kinder, für die stillen oder auch lauten Hilfeschreie der Kinder gab es zu oft nicht. Viele Gerichte, aber in erschreckend hoher Zahl auch Eltern (!) haben „mitgemacht“, haben für die Einhaltung der Maßnahmen gesorgt.

Demokratieanalytisch und rechtsstaatstheoretisch ist dieser Prozess einer autoritären Gehorsamsproduktion in allen Gewalten, bei fast allen Medien, Eltern, Kindern und Lehrern politikwissenschaftlich höchst spannend. Notstandsideologie und -praxis lassen sich also auch in einem sich als demokratischen Rechtsstaat verstehenden Gemeinwesen äußerst schnell herstellen. Gefahren-, Angst- und Feindbild-Produktion sind das Einmaleins. Kinder wurden von Fernseh-Clowns wie Böhmermann mit Ratten aus der Pestzeit verglichen und in der Schule als „Oma-Mörder“ hingestellt. Fast alle haben fast alles mitgemacht – ich nehme mich da gar nicht heraus –, also sollten auch fast alle – je nach gesellschaftlicher Hierarchie und Verantwortungsgrad – mit ein wenig mehr kritischer Selbstreflexion nun die Aufarbeitung beginnen. Für die höchsten Verantwortungsträger sieht der Rechtsstaat bei gravierenden Gesetzesverletzungen Rücktritte und das Strafgesetzbuch vor.

Nun zu den Protokollen. Welche Erkenntnisse ziehen Sie daraus? Waren die Maßnahmen gegen die Kinder gerechtfertigt?

Beeindruckend für mich ist, dass das RKI und der Corona-Expertenrat ebenfalls wussten und wissen, aber zum Teil verdrängten oder verschwiegen, was ich seit über vier Jahren – ohne mainstreammediale Berücksichtigung – hervorgehoben habe (z.B. in meiner Studie vom Mai 2020 oder in meiner Stellungnahme bei der Kinderkommission des Deutschen Bundestages im September 2020, in meinem Sozial Extra-Beitrag 2021, meinem Buch „Vergleichende Kinderpolitik-Wissenschaft“ 2022, meinem Buch „Kinder in Armut“ 2023 und meinen Sozial Extra-Aufsätzen 2024)

Wir wissen doch längst: Kinder waren und sind von allen Altersgruppen am wenigsten durch COVID-19 gefährdet …

… aber am schärfsten von fast allen Corona-Maßnahmen getroffen [worden]. Seit Beginn der Corona-Krise in Deutschland wurden elementare Schutz-, Fürsorge- und Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen verletzt, und verschiedene [unterlassene] Regierungsmaßnahmen haben überdies zur Verstärkung von Kinderarmut, psychosozialen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie Bildungsbenachteiligungen beigetragen. Viele Zwangsmaßnahmen waren nicht nur nicht evidenzbasiert gerechtfertigt, sondern buchstäblich schädlich und eine strukturelle Kindeswohlgefährdung.

Was heißt all das denn nun? Kinder waren Repression ausgesetzt, angeblich alles fachlich sauber begründet. Alle Maßnahmen mussten sein. Alle involvierten Stellen, von der Politik über das RKI bis zu den Gerichten usw., haben aus bestem Wissen und Gewissen gehandelt: Das war bisher die Geschichte. Wer Maßnahmen hinterfragt, kritisch betrachtet oder gar sofort abschaffen wollte, war ein „Querdenker“, ein Verschwörungstheoretiker usw. Und nun? Gemessen an offiziellen Unterlagen: Was ist nun mit dieser Geschichte? Wie sieht es jetzt aus?

Es sei nochmal erinnert an die „fünf Gebote“ der Corona-Zeit: 1. „Killer-Virus“, das uns alle sofort tötet, 2.„absolut nebenwirkungsfreier“ Impfstoff, der uns allen zwingend verabreicht werden muss, weil er 3. „umfassend vor Ansteckung schützt“ und 4. eine Weitergabe „garantiert verunmöglicht“, während 5. alle Ungeimpften „asoziale Volksschädlinge“ sind. Die Infragestellung dieser Dogmen konnte seit 2020 das Risiko einer sozialen Ächtung durch die Mehrheit der deutschen Journalisten, Politiker, Juristen und Wissenschaftler mit sich bringen. Ein Familienrichter, der auf Basis des § 1666 BGB (Kindeswohlgefährdung) zeitweise die Maskenpflicht an zwei Schulen aufgehoben hatte, oder ein Mediziner, der bei Luftnot Masken-Befreiungen oder gar fälschliche Impfatteste erstellte, wird wie ein Schwerstkrimineller behandelt. Diejenigen aber, die wider besseren Wissens nicht nur kindeswohlgefährdende Masken-, Test- und Impfzwänge politisch, medial, wissenschaftlich, medizinisch und richterlich verordneten oder durchführten, werden an keiner Stelle zur Verantwortung herangezogen. Manche von ihnen meinen gar, noch nicht einmal für ihre Impfnebenwirkungsleugnungen und Zwangsmaßnahme-Legitimationen bei den Geschädigten und deren Angehörigen um Verzeihung bitten zu müssen, verlangen aber bereits pro forma Vergebung durch die Betroffenen (weil man es ja nur gut gemeint habe).

Wir reden hier ja nicht über eine fälschlicherweise vollzogene, geringfügige Erhöhung kommunaler Abfallgebühren. Wir reden hier über Maßnahmen, die offensichtlich wider besseren Wissens von politischer Seite veranschlagt und durchgesetzt wurden. Und: Maßnahmen, die zu Schäden geführt haben. Oder? Wie sehen Sie das? Um welche Schäden geht es?

Nur damit nochmal deutlich wird, dass es hier wirklich nicht um ein nur in den sozialen Medien verbreitetes Geheimwissen geht: Die Süddeutsche Zeitung vom 29. Dezember 2021 fasste die kinderrechtliche Lage in Corona-Deutschland unter dem Titel: „Menschenrechte. Hat Deutschland ein Problem mit Kindern?“ kurz zusammen: „Schulschließungen in Rekordlänge, keine Kinderrechte im Grundgesetz, der Skandal um den Kinderpsychiater Winterhoff – da fragt man sich: Welche Rolle spielt das Wohlergehen von Kindern in Deutschland? […] Testpflicht für Sechsjährige im öffentlichen Nahverkehr während der Schulferien, Sportplatzverbot für Zwölfjährige, die gestern noch elf waren und deshalb noch ungeimpft sind. Verlass ist in der deutschen Pandemiepolitik bisher fast immer darauf gewesen, dass die Kinder in der Debatte um Maßnahmen zunächst mal vergessen wurden.“

Die psychosozialen, gesundheitlichen, bildungsspezifischen Auswirkungen dessen konnten die COPSY-Studien von Professorin Ravens-Sieberer unter anderem am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und andere Forschungen bis hin zu den aktuellsten PISA-Studien eindrücklich nachzeichnen. Viele Studien und Stellungnahmen untermauern, dass buchstäblich eine (politisch mit zu verantwortende, strukturelle) Kindeswohlgefährdung im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention und des SGB VIII festzustellen ist. Das hatte psychosoziale Folgen, wie verschiedene Untersuchungen nachweisen können. So hat sich laut einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung hochgerechnet „infolge der Pandemie und der damit verbundenen Schulschließungen bei 1,7 Mio. 11- bis 17-Jährigen die gesundheitsbezogene Lebensqualität erheblich verschlechtert“. Das Bundesinstitut ermittelte ferner „477.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren mit Depressivitätssymptomatik“. Die Häufigkeit von Angstsymptomen unter Kindern und Jugendlichen ist nach dem ersten Lockdown 2020 von 15 auf 24 Prozent gestiegen. Den Eindruck einer verminderten Lebensqualität haben mehr als 40 Prozent der Elf- bis 17-Jährigen. Psychische Auffälligkeiten bei Sieben- bis 17-Jährigen sind von 18 Prozent auf etwa 31 Prozent gestiegen, so fasste schon die FR vom 13./14. Februar 2021 einen Aufsatz des RKI zusammen.

Auch die Berliner Zeitung berichtete über die Schrecken der Kinder.

Ich zitiere daraus:

„Bis zu 500 Kinder mussten nach Suizidversuchen zwischen März und Ende Mai 2021 bundesweit auf Intensivstationen behandelt werden. Das ist das Ergebnis einer Studie der Essener Uniklinik, über die der Leiter der dortigen Kinder-Intensivstation, Professor Christian Dohna-Schwake, exklusiv im Videocast 19 – die Chefvisite berichtete. Die Fallzahl sei damit im zweiten Lockdown um rund 400 Prozent im Vergleich mit der Zeit vor Corona gestiegen.“

Unter anderem als Antwort auf diese Studie, die einen Anstieg von Suizidversuchen unter Kindern im Lockdown feststellte, hat der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Januar 2022 bezweifelt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Lockdown und psychischen Folgen geben könne. In der ARD-Sendung „Hart aber fair“ vom 10. Januar 2022 wies Lauterbach den Vorwurf zurück, dass die deutsche Corona-Politik für die Zunahme psychischer Störungen im Land – vor allem bei Kindern – verantwortlich sei. Er sagte: „Da muss man vorsichtig sein, das geben die Studien aus meiner Sicht nicht her. (…) Ich glaube, dass ein großer Teil dieser Probleme einfach an der furchtbaren Pandemie liegt, aber dass das nicht einfach dem Lockdown, den wir praktiziert haben, der damals notwendig war, in die Schuhe geschoben werden darf.“

Wie ordnen Sie das Verhalten des RKI ein?

In unserem letzten Interview war ich noch darüber irritiert, dass der Ex-RKI-Chef Wieler vor dem Untersuchungsausschuss des brandenburgischen Landtags nebenbei erwähnte, dass das RKI nichts Genaues über die Impf-Effizienz wisse und die PEI-Vertreterin zu den Impfnebenwirkungen wenig zu wissen vorgab. Ich fragte mich, wie es sein kann, dass diese Institutionen als absolute Autoritäten herhalten konnten für die extremsten Corona-Dogmen und -Maßnahmen. Die RKI-Files sollten nun genauestens mit Wielers Aussagen verglichen werden.

Ansonsten ist der anti-demokratische Mechanismus der Verantwortungsdiffusion in Krisenzeiten weiterhin beeindruckend und empörend – Spahn/Lauterbach rechtfertigen sich mit RKI-Kompetenz, und der RKI-Chef rechtfertigt sich mit seiner Weisungsgebundenheit an den Gesundheitsminister – am Ende will es keiner gewesen sein, und niemand trägt zumindest die politische Verantwortung. Auch so kann man eine Demokratie und einen Rechtsstaat abschaffen. Solange Politik, Wissenschaft, Medien und Justiz diese Entwicklung zum „Diktator in uns“ (SPIEGEL) nicht kritisch aufarbeiten, habe ich große Sorge.

Müsste das RKI nun aufgelöst und neu gegründet werden?

Die gesamte Verfasstheit des RKI muss auf den Prüfstand. Zuletzt musste ich lesen, dass etwa die Hälfte der von dem Journalisten Paul Schreyer verdienstvollerweise freigeklagten RKI-Protokolle zwischen 2020 und 2021 auch noch nachträglich möglicherweise verändert wurden. Das könnte bedeuten, dass wir bislang nur die Spitze des Eisberges kennen. Was wir allerdings leider jetzt schon seit über vier Jahren beklagen müssen, ist eine gefährliche Verletzung der Gewaltenteilung.

Parlamente, Justiz, Gesundheits-, Forschungs-, Ethik-Institutionen und die selbst ernannte „vierte Gewalt“ der Medien geraten praktisch zu Erfüllungsgehilfen der Exekutive. Sie nehmen ihre verfassungsrechtliche und/oder fachliche Aufgabe nur noch mangelhaft wahr (siehe dazu auch Ex-BVerfG-Präsident Papier oder Ex-Richter und SZ-Journalist Heribert Prantl). Wer den Weg in einen autoritären und „kriegstüchtigen“ Staat gehen will, muss einfach nur so weitermachen.

Was ist mit den Verantwortlichen beim RKI? Was ist mit den Verantwortlichen auf politischer Seite? Gestatten Sie mir die Anmerkung: Fehler sind menschlich. Menschen machen Fehler, so ist es einfach. Aber sprechen wir hier von „Fehlern“?

Wenn sich herausstellen sollte, dass wider besseren Wissens die Bevölkerung fehlinformiert wurde, Diskriminierung, Hass und Hetze gegen Millionen Nicht-Geimpfte gefördert wurden, schwerste Impffolgen verleugnet und nicht adäquat entschädigt wurden, dann ist das in einem Rechtsstaat mindestens ein Fall für parlamentarische Untersuchungsausschüsse und für die Justiz.

Sie fordern seit Längerem eine Aufarbeitung der Corona-Politik. Was muss jetzt passieren? Wie sollte die Aufarbeitung vonstatten gehen?

Auf der einen Seite wäre die Rehabilitation der mit Entlassung, Benachteiligung und Verfolgung bestraften Richter, Wissenschaftler, Journalisten, Gesundheitsamtsbeschäftigten, Bundeswehr-Angehörigen, Schulkinder, Eltern, Mediziner, Pädagogen, Pflegekräfte usw., deren „Verbrechen“ darin bestand, Corona-Maßnahmen infrage zu stellen, sich nicht impfen zu lassen oder den eigenen Impfstatus als ihre Privatsache zu begreifen. Auf der anderen Seite geht es wie gesagt um kritische Aufarbeitung auf allen Feldern und selbstverständlich auch um juristische Verfolgung von offensichtlichen Rechtsbrüchen sowie strafbaren Handlungen gegen das Grundgesetz, gegen die Grund-, Menschen- und Kinderrechte während der Corona-Zeit. Dass Hauptverantwortliche wie Söder, Spahn, Lauterbach und Lang nun auch noch entscheiden wollen, was ein etwaiger Untersuchungsausschuss herauszufinden habe und was nicht, ist verständlich, aber rechtsstaatlich inakzeptabel.

Titelbild: Sharomka / shutterstock.com

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