Ignoriert doch endlich die Ratingagenturen!
In einem so noch nie dagewesenen Rundumschlag senkte die Ratingagentur Standard & Poor´s letzten Freitag die Risikobewertung für Staatsanleihen von neun Eurostaaten. Auch wenn die neuen Bewertungen nach der zugrundeliegenden „Marktlogik“ noch nicht einmal inhaltlich zu beanstanden sind und auch die Begründung von Standard & Poor´s nicht von der Hand zu weisen ist, stellt sich hier die Frage, warum Politik und Medien die eng mit dem Finanzsystem verzahnten Ratingagenturen überhaupt als Schiedsrichter akzeptieren und für voll nehmen? Mehr als einmal lagen die Ratingagenturen mit ihrer Meinung komplett daneben. Es ist an der Zeit, dass sich die Politik von diesem Unsinn emanzipiert. Ratingagenturen sind nicht neutral, sondern interessengesteuert. Dabei vertreten sie jedoch nicht die Interessen der Allgemeinheit, sondern die des großen Geldes. Das darf ein demokratischer Staat nicht akzeptieren. Im folgenden Text soll es darum gehen, diese Aussagen auch zu belegen. Von Jens Berger
Was machen Ratingagenturen?
In der Öffentlichkeit wird Ratingagenturen meist zugebilligt, eine vermeintlich neutrale Einschätzung zur Sicherheit von Finanzprodukten abzugeben und im Falle der Bewertung von Staatsanleihen der Politik Empfehlungen zu geben, mit welchen Schritten sie dafür Sorge tragen kann, dass diese Papiere ein möglichst gutes Rating bekommen. Dieser Eindruck wird durch die mediale Berichterstattung gestützt, haben die Ratings der Agenturen doch mittlerweile einen ähnlich zweifelhaften Nachrichtenwert wie die Börsenkurse. So populär dieser Eindruck ist, so falsch ist er. Wer „Empfehlungen“ zu Finanzprodukten gibt, kann auch rechtlich für Fehlurteile haftbar gemacht werden. Wenn die Ratingagenturen nun aber auch rechtlich für ihre zahlreichen unsinnigen Empfehlungen haften müssten, gäbe es sie schon längst nicht mehr.
Zu den zahlreichen Fehleinschätzungen der Ratingagenturen empfehle ich den Artikel „Ratingagenturen – ein zutiefst korruptes System“ von Werner Rügemer mit zahlreichen Hintergrundinformationen und Fallbeispielen.
Auch die „Politikberatung“ ist den Agenturen nicht erlaubt, da die Politik sich ansonsten darauf berufen könnte, dass man doch sämtliche Wünsche der Agenturen erfüllt hätte und dies als Garantie für ein besseres Rating ins Feld führen könne. Stattdessen berufen sich die Ratingagenturen darauf, dass sie lediglich ihre „Meinung“ kundtun, und damit verbarrikadieren sie sich frecherweise auch noch hinter der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit. Wer sich die Begründung der S&P-Ratings zur Eurozone durchliest, die man eigentlich nur als „Politikberatung“ lesen kann, kann dies jedoch nur als zynischen Witz bezeichnen.
Eine Meinung hat jeder. Paul Krugman hat eine Meinung, Heiner Flassbeck hat eine Meinung, und die unzähligen Lobbyisten und „Analysten“ der Banken haben auch einen Meinung. Letztere deckt sich meist auch mit der Meinung der Ratingagenturen. Warum billigt man dann aber der Meinung dreier Finanzunternehmen sogar zu, eine Expertise zu sein, die indirekt Gesetzescharakter hat? Das ist nur mehr absurd zu nennen, und für diese Absurdität trägt die Politik die volle Verantwortung. Durch die über EU-Richtlinien gesetzlich vorgeschriebenen Eigenkapitalvorschriften für Banken (Basel II) wird die „Meinung“ der Ratingagenturen zu einem gesetzlich bindenden Qualitätsurteil für Finanzprodukte. Das Rating entscheidet, wie viel Eigenkapital eine Bank für ein bestimmtes Kreditgeschäft vorhalten muss. Man sollte einer Bank jedoch durchaus zutrauen, dass sie ihre Kunden kennt und das Knowhow im Haus hat, eine solche Bewertung selbst vorzunehmen. Sollte dies nicht der Fall sein, sollte die Bank auch keinen Kredit vergeben, ist die Risikoeinschätzung doch ein elementarer Aufgabenbereich im Bankgeschäft. Der Ratingzwang zielt auch weniger auf das lokale Unternehmen ab, das einen Kredit wünscht, sondern vielmehr auf die intransparenten Finanzprodukte des modernen Finanzkasinos. Es kommt häufig vor, dass die Banker diese Produkte selbst nicht verstehen und sich voll und ganz auf die Ratings der Agenturen verlassen. Die Agenturen haben jedoch genauso wenig Ahnung vom Risiko wie die Banken selbst und dies geht weit über die berühmt-berüchtigten strukturierten Kreditprodukte hinaus. Standard & Poor´s hat beispielsweise die Pleitebank Lehman Brothers noch drei Tage vor deren Zusammenbruch mit dem Premiumrating „A“ bewertet. Die Werturteile der großen Ratingagenturen sind somit ganz sicher kein Finanz-TÜV, auf den man sich verlassen kann. Es ist und bleibt nicht hinzunehmen, dass die Politik den Ratingagenturen eine solche Rolle, die ihnen nicht zusteht, zubilligt. Es ist auch nicht hinzunehmen, dass diese Agenturen mit Steuergeldern bezahlt werden. Ratingagenturen werden nicht vom Kunden, sondern vom Verkäufer eines Finanzproduktes bezahlt. Der deutsche Staat bezahlt also die Ratingagenturen dafür, dass sie den Bundesanleihen ihr AAA geben.
Was bedeuten die Ratingcodes?
Es gibt keine todsicheren Geldanlagen. Selbst das AAA heißt nur, dass ein Papier nach Meinung der Ratingagenturen eine „sichere Anlage“ ist, die ein „leichtes Ausfallrisiko“ beinhaltet. Diese Einschätzung gilt übrigens auch für die nächstbesten Codes AA+, AA und AA-. Darunter liegen die Ratings A+, A und A-, was für „Die Anlage ist sicher, falls keine unvorhergesehenen Ereignisse die Gesamtwirtschaft oder die Branche beeinträchtigen“ steht. Auch die BBB-Codes bedeuten immer noch „Investment Grade“, und werden nur an Papiere verliehen, die nach Meinung der Agenturen eine „nicht spekulative“ Anleihe sind. In der offiziellen Sprachregelung heißt es: „Durchschnittlich gute Anlage. Bei Verschlechterung der Gesamtwirtschaft ist aber mit Problemen zu rechnen“. Bis auf Zypern, Portugal und Griechenland gelten somit alle Anleihen der Eurozone als „nicht spekulative“ Papiere. Dagegen ist per se auch nichts einzuwenden, wenn die Ratingagenturen nicht komplett unverständliche Maßstäbe an die Bewertung anlegen würden.
Warum sollten beispielsweise die USA die größte Volkswirtschaft der Welt, die zudem über eine eigene Weltwährung und eine souveräne Notenbank verfügt, finanziell unsolider sein als die winzig kleine Steueroase Cayman Islands, die vor zweieinhalb Jahren kurz vor dem Staatsbankrott stand? Auf diese Frage kann es keine zufriedenstellende Antwort geben. Schaut man sich die Liste der verbliebenen 16 Staaten an, die nach der Meinung von S&P ein AAA verdient haben, kommt einem jedoch schnell ein Verdacht: Neben acht relativ soliden Volkswirtschaften (Kanada, Australien, Norwegen, Dänemark, Finnland, Schweden, Deutschland und den Niederlanden) besteht die Liste der AAA-Staaten auch aus acht Ländern (Hong Kong, Singapur, Cayman Islands, Isle of Man, Liechtenstein, Schweiz, Luxemburg und Großbritannien), die durch ihre „marktkonforme“ Gesetzgebung ein Dorado für die Finanzbranche darstellen. Natürlich muss man sich hier unweigerlich die Frage stellen, was für einen Sinn eine solche Liste hat, die ganz offensichtlich zumindest zur Hälfte ein „Zückerli“ für Staaten darstellt, die der Finanzbranche gefällig sind. Ebenso muss man sich die Frage stellen, warum vor der Finanzkrise windige, komplett intransparente strukturierte Finanzprodukte, die heute nur noch als finanzieller Giftmüll (toxic assets) gelten, mit dem begehrten AAA bewertet wurden, das weltweit nur an neun börsennotierte Unternehmen vergeben wird.
Die Urteile der Ratingagenturen sind oft nicht nachvollziehbar und wirken im besten Falle willkürlich und im schlimmsten Falle interessengesteuert. Der Vorwurf der Interessenpolitik lässt sich auch nicht von der Hand weisen, wenn man bedenkt, dass alle drei großen Ratingagenturen entweder direkt oder indirekt im Besitz der Finanzbranche sind.
Herabstufung der Eurozone – Die Schizophrenie von Standard & Poor´s
Liest man sich die Begründung der Herabstufung durch S&P durch, stößt man dort auf Kernsätze, die so auch regelmäßig auf den NachDenkSeiten zu lesen sind:
Wir glauben ebenfalls, dass sich die Beschlüsse [gemeint sind hier die Beschlüsse des EU-Gipfels vom 9.12.2011] nur in einem Teil auf die Erkenntnis der Krisenursachen beziehen: dass die momentanen finanziellen Unruhen hauptsächlich auf dir fiskalische Lasterhaftigkeit der Peripherie der Eurozone zurückzuführen. In unserer Sicht jedoch ist es vielmehr so, dass die finanziellen Probleme einiger Eurozonenländer die Konsequenz steigender externer Ungleichgewichte und Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen dem Kern der Eurozone und deren sogenannter Peripherie sind. Ferner glauben wir, dass ein Reformprozess, der sich auf den Pfeiler der fiskalischen Austerität stützt, das Risiko beinhaltet, selbstzerstörerisch zu sein, da die Binnennachfrage zusammen mit der Angst vor Arbeitslosigkeit und Lohneinbußen sinkt, was zu einem Einbruch der Steuereinnahmen führt.
Auch wenn dieser Teil der S&P-Begründung durchaus vertretbar ist und die offen zur Schau getragene Wut der deutschen Regierung angesichts solcher Sätze, die doch ganz offen die deutsche Krisenstrategie kritisieren, verständlich ist, sollte man jedoch nicht der Versuchung erliegen, ausgerechnet S&P als Wortführer einer besseren Krisenstrategie zu sehen. Während die Ratingagentur zwar behauptet, die Binnennachfrage als gewichtigen Faktor für die langfristige Solidität zu sehen, lobt sie an anderer Stelle auch die „Reformen“ der neuen italienischen Regierung und stellt das reformfreudige Irland sogar als Musterknaben dar. Dieser Widerspruch ist reichlich grotesk. An dieser Stelle muss man sich auch fragen, was die Forderungen nach einer Deregulierung des Arbeitsmarktes und einer Liberalisierung des Dienstleistungssektors (beides wird von S&P gefordert) überhaupt mit der Frage der Sicherheit der Staatsanleihen zu tun haben. Beide Themen haben – wenn überhaupt – nur einen marginalen Einfluss auf die Staatsfinanzen und haben in einem Rating eigentlich überhaupt nichts verloren. Man muss sich ferner fragen, warum S&P erst jetzt zu der Überzeugung kommt, dass man die Finanzprobleme einzelner Staaten nicht durch Austeritätspolitik lösen kann. Die vergangenen „Meinungen“ der Ratingagenturen empfahlen genau die Politik, die sie nun kritisieren. Es scheint vielmehr so, als ob die Ratingagentur S&P die Eurokrise nutzt, um die Interessen der Finanzmärkte durchzudrücken. Je marktliberaler ein Land ist, desto besser ist sein Rating. Das hat nichts mehr mit einer neutralen „Risikobewertung“ zu tun, sondern ist vielmehr Lobbyismus in Reinkultur.
Ratingurteile als selbsterfüllende Prophezeiung
Es wäre jedoch zu einfach, die Bewertungen der Ratingagenturen nur als Lobbyismus zur Umsetzung einer marktkonformen Politik zu verstehen. Im Zusammenspiel mit dem historischen Versagen der Krisenstrategie der deutschen Regierung stellen die negativen Bewertungen der Ratingagenturen auch eine selbsterfüllende Prophezeiung dar. Länder wie Italien oder Spanien hatten kein Refinanzierungsproblem, bevor die Ratingagenturen über ein solches Problem sprachen und die Krisenstrategie der Eurozone dies auch noch durch ihre unverantwortliche Griechenlandpolitik anheizte. Die Eurozone hat den Spekulanten durch ihre unverantwortliche Griechenlandpolitik ja erst bewiesen, dass die Anleihen eines Eurostaates im Zweifelsfalle nicht sicher sind. Es war vollkommen klar, dass dies einen Flächenbrand auslösen würde, der die Bonität anderer Eurostaaten massiv beschädigt und dieser Flächenbrand sich langsam, aber dafür unaufhörlich, entlang der alten Bonitätsskala nach oben fressen wird. Portugal brennt bereits lichterloh, Italien und Spanien haben Feuer gefangen, können sich aber immer noch selbst refinanzieren und erste Funken sind auch bereits auf grundsolide Länder wie Frankreich (der Bankensektor ist in Italien sehr aktiv) und Österreich (der Bankensektor ist in Ungarn sehr aktiv) übergesprungen. Wenn die Eurozone nicht vom eingeschlagenen Kurs, der an die US-Militärdoktrin „Shock and Awe“ (Schrecken und Ehrfurcht) erinnert, abweicht, ist es keinesfalls vollkommen auszuschließen, dass diese Länder bei einer erheblichen Verschlechterung ihrer Konjunktur tatsächlich Refinanzierungsprobleme bekommen.
Kriegserklärung an die europäischen Völker?
Es ist kontraproduktiv, die Herabstufungen der Euroländer als konzertierten Angriff auf die Eurozone zu werten. Immerhin war es auch die Agentur S&P, die im August letzten Jahres in einer nur noch als grotesk zu bezeichnenden Aktion den USA ebenfalls ihr AAA-Rating entzogen haben –im Übrigen eine Aktion, der die beiden anderen großen Ratingagenturen Moodys und Fitch bis heute nicht gefolgt sind. Um die Sicherheit von Staatsanleihen zu bewerten und dabei auch einschätzen zu können, wie sicher oder unsicher die Anleihen der Eurozone sind, sollte man sich zunächst einmal fragen, welche Faktoren eine Staatsanleihe überhaupt sicher machen.
Eine Staatsanleihe kann dann als relativ sicher angesehen werden, wenn der zeichnende Staat einerseits über finanzpolitische Souveränität verfügt, und andererseits auch über eine volkswirtschaftliche Basis verfügt, die die Steuereinahmen tragen kann, mit denen die Schulden bedient werden müssen. Beide Faktoren werden jedoch durch die Krisenstrategie der Eurozone beeinträchtigt. Ein Staat, der erst einmal in den Händen der „Retter“ ist, muss sich auch deren Auflagen beugen. Die geforderte Austeritätspolitik untergräbt jedoch die finanzpolitische Souveränität. Die angeschlagenen Staaten dürfen nicht souverän über ihre Einnahmen und Ausgaben bestimmen und sie können auch nicht mehr frei über ihre Schuldenpolitik bestimmen. Ein weiterer Effekt der Austeritätspolitik ist es, dass sie mittel- bis langfristig die Steuereinnahmen reduziert und die Staatsausgaben durch steigenden Kosten für die Sozialsysteme nicht senkt, sondern erhöht. Die angeschlagenen Staaten sind somit auf Gedeih und Verderb auf Kredite der „Helfer“ (EU, IWF, EZB) angewiesen. Nun gibt es aber keinen Rechtsanspruch auf diese Mittel und ihre Vergabe ist nicht nur an strenge Auflagen gekoppelt, sondern auch vom politischen Willen der Geber abhängig. Dieser politische Wille ist jedoch wankelmütig, weshalb man die finanzielle Solidität der Euroländer mit Abstrichen bewerten muss. Nichts anderes tut S&P, weshalb die Herabstufung letztes Wochenende auch sachlich korrekt ist, auch wenn S&P von anderen Motiven getrieben sein mag.
Wer angesichts dieser Umstände von einem „Krieg der Banken und der amerikanischen Ratingagenturen gegen die europäischen Völker“ spricht, wie es Gregor Gysi laut dpa getan haben soll, erweckt hier einen falschen Eindruck. Wer sagt, S&P hätte die Krisenstrategie der EU missverstanden, wie Wolfgang Schäuble es tut, verkennt die Realitäten und will nicht wahrhaben, dass die eigene Strategie den Kontinent in eine Sackgasse führt. Die Anleihen der Euroländer sind nun einmal nicht 100% sicher und es gäbe viele Adressaten, bei denen man sich dabei beschweren sollte – Wolfgang Schäuble und Angela Merkel stehen dabei ganz oben auf der Liste. S&P dafür zu geißeln, dass sie das Offensichtliche aussprechen, erinnert an das geflügelte Wort, man solle nicht den Überbringer der Nachricht erschießen („Don´t shoot the Messenger“).
Wofür braucht der Staat eigentlich Ratingagenturen?
Wenn nun sogar schon Wolfgang Schäuble und seine Parteifreunde offen Kritik an den Ratingagenturen üben, sollten sie sich doch auch einmal die Frage stellen, warum man den ganzen Zinnober nicht einfach beendet und die Ratingagenturen ignoriert? An allerster Stelle sollte der Staat seinen Vertrag mit den Agenturen kündigen. Wer braucht schon die „Meinung“ einer Ratingagentur, um die Solidität deutscher Anleihen einzuschätzen? Es gäbe wahrlich sinnvollere Verwendung für das Geld, das die Bundesrepublik und andere Eurostaaten den drei Agenturen Monat für Monat in den Rachen werfen. Sowohl die Banken als auch die Versicherungen müssen sich bei Euroanleihen längst nicht mehr an die Basel-Richtlinien halten, gibt es doch zahlreiche Sonderregelungen der EZB, mit denen die Eigenkapitalvorschriften für europäische Staatsanleihen außer Kraft gesetzt werden. Jede Kritik an den Ratingagenturen, die nicht die Kundenbeziehung in Frage stellt, ist unaufrichtig, und daher auch als zynischer Populismus zu werten.
Brauchen wir eine deutsche Ratingagentur?
In die gleiche Kategorie fällt auch die immer wieder vorgetragene Forderung nach einer „europäischen Ratingagentur“. Eine solche gibt es bereits, der Ratinggigant Fitch gehört schließlich mehrheitlich dem Franzosen Marc Ladreit de Lacharrière, der eng mit Sarkozy und dem französischen Finanzsektor verbunden ist. Wenn deutsche Politiker eine „europäische Ratingagentur“ fordern, meinen sie damit meist eine deutsche Ratingagentur, die idealerweise auch die deutschen ideologischen Richtlinien verinnerlicht hat. Mit dem bekannten Privatisierungslobbyisten Roland Berger steht sogar ein möglicher Betreiber für eine solche deutsche Ratingagentur in den Startlöchern.
Siehe auch: Bertelsmann Stiftung will mit internationalen Experten neues Modell für Finanz-Ratingagenturen erarbeiten.
Mit einer „Berger-Agentur“ würde man jedoch den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Bergers neoliberale Ideologie ist bekannt, man kann sich da bereits lebhaft vorstellen, an welchen Kriterien er die Bonität von Staaten bewerten würde. Eine weitere Institution, die dem Finanzsektor und der Wirtschaftslobby dabei hilft, Geld von unten nach oben umzuverteilen, braucht jedoch kein Mensch. Da auszuschließen ist, dass die aktuell vorherrschende Politik eine wirklich neutrale Ratingagentur ins Leben rufen wird, die nicht von den Partikularinteressen der Finanzwirtschaft dominiert wird, sondern die sich an gesamtwirtschaftlichen Maßstäben ausrichtet, ist der Wunsch nach einer „europäischen Ratingagentur“ überflüssig wie ein Kropf.
Ratingagenturen machen nur deshalb ein gutes Geschäft, weil ihnen die Politik und die Medien Beachtung schenken. Wer die „Macht der Ratingagenturen“ beschneiden will, sollte ihre „Meinung“ ganz einfach ignorieren und die Staatsfinanzierung zu einer hoheitlichen Aufgabe erklären. Das Krisenmanagement der Eurozone ist gescheitert und die Empfehlungen der Ratingagenturen führen zudem in einen Teufelskreis aus Sparvorhaben und weiteren Defiziten. Es ist an der Zeit, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, die Ratingagenturen und ihre Sprüche zu ignorieren, und die Staatsfinanzierung einer staatlichen bzw. staatsnahen Institution wie der EZB zu übertragen.