Die grausame Massenvernichtung von Zivilisten in Hiroshima und Nagasaki im August 1945 jährt sich nun zum 79. Mal. Und bis heute sterben Menschen durch Folgeschäden wie Krebs und Leukämie. Trotz dieser furchtbaren Katastrophe stehen wir einem Atomkrieg näher als jemals zuvor: die Doomsday Clock, als Metapher dafür, wie nahe die Menschheit der Selbstzerstörung ist, wurde im Januar 2023 auf 90 Sekunden vor Mitternacht gestellt und ist dieses Jahr dort verblieben. Von Tanja Stopper.
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Bertold Brecht stellte bereits 1952 fest: „Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz. Ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch geringer…“
Aber dessen und der Geschichte ungeachtet wird aufgerüstet, was das Zeug hält, Waffenproduktionsfabriken schießen aus dem Boden wie Unkraut und Minderjährige werden aus den Schulen heraus von unserer Bundeswehr mit Spiel-, Spaß- und Spannungskampagnen angeworben, denn dieses „umwerfende“ Abenteuer darf doch keiner verpassen. „Mach, was wirklich zählt“, ist der Bundeswehr-Catch-Slogan, das ist der neue (Menschen-)Wert und gehört jetzt (gefälligst) zum guten Ton.
Die vom damaligen US-Präsidenten Truman angeordneten Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki am 6. und 9. August 1945 von amerikanischen Streitkräften waren die bislang einzigen Einsätze von Atomwaffen in einem Krieg. Die beiden Städte wurden durch die Nuklearbomben dem Erdboden gleich gemacht. 90 Prozent Hiroshimas waren komplett zerstört, bis zu 80.000 Menschen, fast ausschließlich Zivilisten, starben sofort. Da die japanische Regierung nach dem ersten Bombenabwurf über Hiroshima nicht umgehend kapitulierte, warfen die Amerikaner 3 Tage später noch eine zweite Atombombe über der Stadt Nagasaki ab. Für Stadt und Bevölkerung waren die Auswirkungen unvorstellbar katastrophal. Im Inferno des Atombombenabwurfs wurden damals bis zu 120.000 Menschen sofort getötet.
200.000 getötete Menschen innerhalb von ein paar Minuten.
Weit mehr noch, hunderttausende weitere Menschen (Hibakusha), starben in den nächsten Jahren an den Folgeschäden, allein bis Ende 1945 – innerhalb von ein paar Monaten – weitere 140.000 Menschen. Noch heute erkranken Opfer von damals an Krebs und sterben an den Spätfolgen.
6 Tage nach dem zweiten Bombenabwurf, zwei zerstörten Städten, hunderttausenden Toten und hunderttausenden Leidenden gab Kaiser Hirohito mit der Rede vom 15. August die Beendigung des „Großostasiatischen Krieges“ bekannt. Mit der Kapitulation Japans endete am 2. September der II. Weltkrieg auch in Asien, nachdem er in Europa mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht bereits seit dem 8. Mai 1945 vorüber war.
Doch anders als damals wird es heute, wenn es so weit kommen sollte, keine Kapitulation der anderen Seite, sondern eine Antwort geben. Es wird der erste und damit wohl letzte Atomkrieg der Menschheit sein.
Dabei gibt es tatsächlich Scharfmacher, die den sogenannten „begrenzten Atomkrieg“ diskutieren. In dieser Debatte drängt sich mir geradezu energisch die Frage auf, wer denn in einem solchen Fall derjenige wäre, der bei einer – sagen wir mal – mehrmaligen Hin-und-Her-Städtevernichtung plötzlich aufhört. Sie schaffen es ja nicht einmal im Ukrainekrieg, überhaupt das Wort Waffenstillstand in den Mund zu nehmen! Und jeglicher Versuch, zu vermitteln, wird aggressiv torpediert. Aber in einem „begrenzten Atomkrieg“ wäre alles anders? Ich denke eher, das wäre die Clausewitz’sche Apokalypse.
Aber trotzdem einmal kurz fiktiv den Scharfmachergedanken weitergedacht und davon ausgegangen, dieser Krieg wäre begrenzt. Es gäbe Millionen und Abermillionen von Toten, ein Vielfaches davon Verletzte und Kranke, unvorstellbar großes Leid und riesige, verstrahlte und unbewohnbar gewordene Regionen.
Und von den Überlebenden wird es Klagen völkerrechtlicher Natur hageln, denn:
Es ging um die gezielte, massenhafte Tötung der zivilen Bevölkerung. Und nur dieser! Dafür sind Atombomben gemacht – und nur dafür.
Ein Ausschnitt aus dem sog. „Humanitären Völkerrecht“ (Kriegsvölkerrecht):
„Zivilpersonen und die Zivilbevölkerung genießen im internationalen bewaffneten Konflikt den allgemeinen Schutz vor den von Kriegshandlungen ausgehenden Gefahren. Sie dürfen nicht das Ziel militärischer Angriffe sein. Im Zweifel gilt eine Person als Zivilperson. Die Zivilbevölkerung bleibt auch dann Zivilbevölkerung, wenn sich unter ihr einzelne Personen befinden, die nicht Zivilpersonen sind (Kombattanten).“
Unsere „Chefdiplomatin“ Annalena Baerbock – also die tugendhafte, werteverteidigende „Ich-komme-aus-dem-Völkerrecht“-Außenministerin – hat wohl, als es um das Thema atomare Massenvernichtungswaffen im Studium ging, lieber Candy Crush gespielt? Oder verwechselte sie etwa beim Trampolinspringen zu oft 360 mit 180 Grad? Denn nach dem NATO-Gipfel in Washington vor ein paar Wochen und der dortigen Entscheidung, amerikanische, atomwaffenfähige Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren (und nur bei uns), verteidigte sie sich gegen erste Proteste folgendermaßen: „…Alles andere wäre nicht nur verantwortungslos, sondern auch naiv … .“
Ich würde gerne entgegen: Nein, Frau Baerbock, der Einsatz dieser Waffen wäre ein (eher DER) Völkerrechtsbruch schlechthin. Aber, Frau Baerbock, was würde Ihre Kollegin Nancy Faeser denn dazu sagen, die künftig mit dem Verfassungsschutz nicht nur auf strafbewehrte Delikte achten, sondern „Denk- und Sprachmuster frühzeitig erkennen“ will? Die Stationierung solcher Waffen, da Tatsache, geht wohl dann sogar im logischen Schluss über dieses Gedankenverbrechen hinaus? Sie behaupteten erneut: „Die traurige Wahrheit ist: Putins Russland ist derzeit die größte Sicherheitsgefahr für uns und unseren Frieden in Europa.“ Nein, Frau Baerbock, die traurige Wahrheit ist: …!
Ulrich Reitz titelte: „Eine brisante Entscheidung – einfach so, am Volk vorbei“ und bezeichnete Baerbocks und Scholz’ „Narrativ“ nicht nur als „Narrativ“, sondern auch „als klare Verharmlosung“.
Und plötzlich berichtet die FAZ über Mützenichs Contra – und sogar die ARD (?!) zitiert ihn im Wortlaut. Wir sind mittlerweile soweit gekommen, dass es sogar Scharfmachern zu scharf wird! So auch geschehen im Sonntagsstammtisch des BR, wo Armin Laschet (CDU) plötzlich in die „Verlegenheit“ kommt, nach den Friedensstimmen zu rufen, sie regelrecht einfordert und wiederholt als Beispiel die Demo im Bonner Hofgarten 1981 gegen den NATO-Doppelbeschluss anbringen muss.
Ja, Leo Ensel, „wir leben im Irrenhaus“, deswegen versucht uns die Anstaltsleitung ja vermutlich nun ruhigzustellen. Ziel: Erzählen uns die Kriegsminister den Hit from the Bong: „Waffen retten Menschenleben“ (A.B.), dann röchelt das Volk: „Peace, Schwester“?
Titelbild: Cq photo juy/shutterstock.com