Der „Faktenfinder“ der ARD, Pascal Siggelkow, hat „eine als Faktencheck getarnte Kampfschrift gegen das BSW“ verfasst, schreibt treffend Norbert Häring über einen aktuellen Beitrag von Siggelkow. Zur aktuellen Welle der Diffamierung gegen Wagenknecht und BSW hatten wir gestern bereits diesen Beitrag gebracht. Als wichtige Ergänzung geben wir hier den Artikel von Häring im Wortlaut wieder. Von Redaktion.
ARD kontra BSW: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gibt den Anschein von politischer Neutralität auf
Von Norbert Häring.
Mit einer Kampfschrift gegen das Bündnis Sahra Wagenknecht mit dem Titel „Auf Linie mit der russischen Propaganda“ gibt die ARD den Anschein auf, parteipolitisch neutral zu berichten. Sie verletzt damit ihren Auftrag, den ohne Mitspracherecht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags verpflichteten Bürgern ausgewogene Information zu liefern. Da beim Bundesverwaltungsgericht ein Gerichtsverfahren anhängig ist, das die Rundfunkbeitragspflicht mit diesem Argument angreift, ist ziemlich riskant, was die ARD da tut.
Die Verzweiflung bei den Regierenden und Militärs über die sehr guten Umfragewerte von BSW (und AfD und Sonstigen) vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland und der Bundestagswahl im nächsten Jahr scheint groß zu sein. Anders ist es kaum zu erklären, dass man den berüchtigten Faktenerfinder der ARD Pascal Siggelkow, einen unentwegten Regierungs- und Nato-Verteidiger, losschickt, um eine als Faktencheck getarnte Kampfschrift gegen das BSW zu verfassen.
Dass man mit einem derart offenkundig einseitigen Werk eine signifikante Anzahl von Menschen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg davon abhalten kann, BSW zu wählen, verspricht man sich davon sicherlich nicht. Dafür bräuchte es jemand, der in der Lage ist, seine Einseitigkeit besser zu verstecken. Die Funktion wird vielmehr sein, das Signal zum Angriff zu geben. Bisher hat man BSW eher mit Samthandschuhen angefasst, weil man hoffte, die neue Partei werde den Höhenflug der AfD beenden helfen. Stattdessen hat sie vor allem der Linken und den Parteien der extremen Mitte (Umfrage-)Stimmen abgenommen. Und zwar so viele, dass in Thüringen alle drei Bundesregierungsparteien unter die Fünfprozenthürde fallen könnten. Und kürzlich hat Sahra Wagenknecht auch noch die Koalitionsoption mit der CDU infrage gestellt, indem sie diese vom bundespolitischen Willen der Union abhängig machte, sich für eine Verhandlungslösung im Russland-Ukraine-Krieg stark zu machen.
Mit der Kampfschrift signalisiert die ARD allen Journalisten des Senders und darüber hinaus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Das Themenfeld Russland-Ukraine-Nato und die Haltung des BSW dazu haben höchste Priorität. Ab jetzt gilt: auf sie mit Gebrüll.
Nicht einmal der Anschein von Objektivität
Siggelkow pickt sich Aussagen von Wagenknecht der letzten zweieinhalb Jahren und beliebiger BSW-Politiker zum Thema Nato-Russland-Ukraine heraus und bezeichnet sie als falsch. Als Gegenbeweis reicht oft, dass das Gegenteil „als ziemlich sicher gilt“, oder dass bei der Behauptung angeblich Kontext fehlte oder man es auch anders sehen oder rechnen kann.
Die Zeugen der Anklage sind Julia Smirnova vom Nato- und geheimdienstnahen Insitute for Strategic Dialogue (ISD) und der seit Jahren sehr eifrig und stramm auf Nato-Linie kommunizierende Direktor des Instituts für Osteuropäische Geschichte der Uni Tübingen, Klaus Gestwa. Dieser betreut seit 2013 als Vertrauensdozent der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung die von dieser geförderten sozialdemokratisch denkenden Studenten. Es gibt wenige in der Rest-SPD, die Sahra Wagenknecht und das BSW nicht hassen und verachten. Gestwa ist gern genommener „Experte“, wenn die ARD-Faktenerfinder einflussreiche Persönlichkeiten diskreditieren wollen, die nicht stramm auf Nato-Linie argumentieren.
Das ISD, eine „globale Organisation gegen Extremismus und Desinformation“, mit Büros außer in London auch in Washington DC, Berlin, Amman, Nairobi und Paris, bekommt seine Projekte von verschiedenen Bundesministerien, der Gates-Stiftung und der Bosch-Stiftung gefördert. Im Vorstand sitzt unter anderem der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Kein BSW-naher oder auch nur neutraler Experte darf als Gegenstimme zu Wort kommen.
Bei den eigenen Falschaussagen und Fehlleistungen, und denen ihrer Experten, sind die ARD-Faktenerfinder sehr viel gnädiger als beim BSW. Sie schauen seltenst zurück, um zu prüfen und nötigenfalls (das wäre oft) zu korrigieren. So hat der ARD-Faktenerfinder mit der „Expertise“ von Julia Smirnova von ISD im Juli 2023 Berichte über ein Scheitern der ukrainischen „Sommeroffensive“ als unglaubwürdig und inspiriert von russischer Propaganda dargestellt. Wenig später war klar, dass die Berichte zutrafen.
Bundesverwaltungsgericht untersucht Verletzung des Auftrags
Ein Beitragsverweigerer aus Bayern argumentiert in seinem Gerichtsverfahren, es sei nicht zulässig, den Rundfunkbeitrag zu fordern, wenn die Sender ihren Auftrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt verfehlten. Den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof überzeugte das nicht, doch das Bundesverwaltungsgericht entschied im Juni, eine Revision zuzulassen und sich der Sache anzunehmen. Ich habe zwar aufgrund eigener Erfahrungen mit dem zuständigen Senat des Bundesverwaltungsgerichts erhebliche Zweifel, dass dabei etwas anderes herauskommt als ein Persilschein für den Rundfunk. Aber wenn ich mich täuschte, hätte das sehr weitreichende Konsequenzen.
Anfang April haben Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio ein Schreiben veröffentlicht, in dem sie die Einseitigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kritisieren. Sie sehen den Programmauftrag und die im Medienstaatsvertrag festgelegten Grundsätze verletzt und kritisieren eine „Eingrenzung des Debattenraums“, ein Verschwimmen von „Meinungsmache und Berichterstattung“ sowie zu wenig „inhaltliche Auseinandersetzungen mit konträren Meinungen“.
Nun kann der Kläger auch noch eine als Faktencheck getarnte Kampfschrift gegen eine (noch) nicht in den Rundfunkräten vertretene Partei zum Beleg der Einseitigkeit anführen. Bei dem angelegten Standard für Fehlerhaftigkeit könnte die ARD von jeder Partei eindrucksvolle Listen von falschen Aussagen und Einschätzungen erstellen und checken. Gerade hatte die Aussage des früheren Umweltministers Jürgen Trittin zwanzigjähriges Jubiläum, wonach die Energiewende uns nicht mehr als den Gegenwert von einem Eis pro Monat kosten werde. Falschaussagen und Falschprognosen dieser Art von Grünenpolitikern sind Legion. Einen Faktencheck zu Falschaussagen von Grünenpolitikern in Sachen Energiewende gibt es jedoch nicht. Auch die vielen Falschbehauptungen der Außenministerin Annalena Baerbock wurden vom ARD-Faktenfinder noch nicht aufgespießt. Allenfalls die AfD wurde von der ARD mit Kampfschriften bedacht wie jetzt das BSW.
Dieser Artikel ist bei norberthaering.de erschienen. Wir danken für die Genehmigung der Übernahme.
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