Aufklärung und Gegenaufklärung

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

In der vergangenen Woche gab es einige erfreuliche Entwicklungen: In mehreren Blättern erschienen Beiträge über die Interessenverflechtung von Wirtschaftswissenschaftlern, speziell von Raffelhüschen mit der Versicherungswirtschaft. Außerdem flog der Schwindel über die angeblich weltweit und seit 1945 niedrigste Geburtenrate auf. Beide Erfolge gehen mit auf die NachDenkSeiten zurück. Siehe eine Reihe von Eintragungen. – Am Wochenanfang erschien allerdings auch noch ein Hammer der Gegenaufklärung: Eine Prognos Studie mit Prognosen zur Arbeitslosigkeit im Jahre 2030 („rund 2,3 Millionen“, mehr als 1,4% Wachstum pro Jahr sei im Durchschnitt nicht drin). Eine solche Prognose zu machen, ist absurd. Das Entscheidende: Es wird quasi unterstellt, dass unsere Möglichkeiten, Einfluss auf die Entwicklung von Arbeitslosigkeit und Wachstum zu nehmen, gegen null gehe.

Im folgenden gebe ich eine Tabelle für beide Ziffern zwischen 1965 und 2005 wieder. Daran wird sichtbar, dass die Politik wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung hatte. Daran hat sich prinzipiell nichts geändert. Wir leiden heute darunter, dass der letzte größere Boom 1992 und ein kleinerer im Jahr 2000/2001 mutwillig abgebrochen worden sind. Prognos setzt vollauf die resignierende Grundeinstellung der Politik und der Meinungsführer in Deutschland. Es ist ja auch so bequem, wenn man auf angeblich objektive Trends verweisen kann, um seine Erfolglosigkeit und das Scheitern der Reform-Politik auf objektive Entwicklungen schieben zu können. Da ist man dann fein raus. Schlimm ist, dass auch ein Teil der fortschrittlichen Zeitgenossen dieser Resignation verfallen ist und immer mehr verfällt.

Auszug aus Albrecht Müller, Machtwahn S.86+87

Tabelle 2: Wachstumsrate des realen Bruttoinlandprodukts und Entwicklung der Arbeitslosenrate von 1965 bis 2005.

  reales
BIP-Wachstum
Arbeits-
losenrate
Am Verlauf dieser einfachen Zahlen kann man sehr viel sehen – ein Kurzkommentar:
1965 5,4 0,7 Die erste Rezession von 1966/67 war innerhalb
1966 2,8 0,7 von drei Jahren überwunden. Nicht einfach so,
1967 -0,3 2,1 sondern mithilfe der damals so genannten Globalsteuerung,
1968 5,5 1,5 konkret zwei Konjunkturprogrammen.
1969 7,5 0,9 Interessant ist auch der Sprung
1970 5 0,7 von -0,3 auf +5,5 Wachstum von einem Jahr zum anderen.
1971 3,1 0,8  
1972 4,3 1,1 Massiver Zinserhöhung der Bundesbank und
1973 4,8 1,2 die erste Ölpreiskrise vom Oktober 1973
1974 0,2 2,6 Machen sich 1974 und 1975 bemerkbar. Wertschöpfung
1975 -1,3 4,7 in Milliardenhöhe fließt in die Opec-Länder. Auch hier dann
1976 5,3 4,6 ein Wachstumssprung von -1,3 auf + 5,3 dank aktiver
1977 2,8 4,5 Beschäftigungspolitik der Regierung Schmidt mit einigen
1978 3 4,3 Konjunkturprogrammen. Durchschnittliches Wachstum
1979 4,2 3,8 1976 bis 1979 , also vier Jahre lang: 3,8% pro Jahr.
1980 1 3,8 Erhöhung der kurzfristigen Zinsen von 3,7 auf 12,2%.
1981 0,1 5,5 Abgewürgtes Wachstum.
1982 -0,9 7,5 Steigende Arbeitslosenraten.
1983 1,8 9,1 Im Vergleich zu den 80er-jahren waren die 70er goldene
1984 2,8 9,1 Jahre. Mit einem Wachstumsdurchschnitt von 3,14%
1985 2 9,3 in den Siebzigern zu 1,75% in den Achtzigern.
1986 2,3 9  
1987 1,5 8,9  
1988 3,7 8,7 Hier beginnt ein kleiner Boom.
1989 3,6 7,9 Die Arbeitslosenrate geht zurück.
1990 5,7 7,2 Zum Vereinigungs-Boom verstärkt.
1991 5 7,3 Durchschnittliches reales Wachstum 1988-91: 4,5%
1992 2,2 8,5 Und abgebrochen. Mit einer Diskontsatz-Erhöhung der
1993 -1,1 9,8 Bundesbank von 2,9 auf 8,75%. 1992 beginnt ein
1994 2,3 10,6 langer Abstieg mit einem durchschnittlichen
1995 1,7 10,4 Wachstum von nur 1,2% bis zum Jahr 2005.
1996 0,8 11,5  
1997 1,4 12,7  
1998 2 12,3 Auch diese kleine Erholung zwischen 1998 und 2000
1999 2 11,7 hilft die Arbeitslosenrate zu verringern. Leider wieder
2000 2,9 10,7 abgebrochen.
2001 0,6 10,3 Sparen und reformieren beschleunigten den
2002 0,2 10,8 Niedergang
2003 -0,1 11,6 Jährliches Wachstum zwischen 2001 und 2005:
2004 1,7 11,7 Jämmerliche + 0,7%. Das ist die „große“ Zeit der
2005 0,9 12,9 der Hartz- und Steuerreformen.

Quelle: Bundesministerium für Arbeit (Hrsg.) / Statistisches Taschenbuch, Arbeits- und Sozialstatistik, 2004 und Ergänzung für 2005

 

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