„Umschuldung“ für die Ukraine – das große Geldverdienen kann beginnen

„Umschuldung“ für die Ukraine – das große Geldverdienen kann beginnen

„Umschuldung“ für die Ukraine – das große Geldverdienen kann beginnen

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Private Gläubiger wie BlackRock und Co. haben sich mit der Ukraine auf einen Schuldenschnitt geeinigt. Alte Staatsanleihen im Nennwert von rund 20 Milliarden US-Dollar, für die im August Zinszahlungen fällig gewesen wären, werden nun in neue Papiere umgewandelt, die nicht vor 2027 bedient werden müssen. Dafür nehmen sie offiziell einen Verlust von 37 Prozent in Kauf. Was sich wie ein schlechtes Geschäft anhört, ist jedoch eine Wette auf die Zukunft mit Potential. Sobald der Krieg vorbei ist, beginnt der große Wiederaufbau und da wollen die Finanzkonzerne natürlich dabei sein, zumal dann die G7-Staaten, darunter Deutschland, indirekt als Bürgen für neue Schulden der Ukraine einspringen. Die Zeche zahlt am Ende der Steuerzahler, die Gewinne fließen an die Finanzkonzerne im Westen und die Ukraine wird ihre ersehnte „Freiheit“ gegen eine Schuldknechtschaft eintauschen. Von Jens Berger.

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Um was geht es? Am Vorabend des Einmarsches russischer Truppen stand die Ukraine finanzpolitisch erstaunlich gut da. Ende 2021 betrugen die Auslandsschulden 47,7 Milliarden US-Dollar – was rund 49 Prozent des damaligen Bruttoinlandsproduktes entsprach. Zur Bedienung der Zinslast musste der ukrainische Staat rund ein Prozent des BIPs aufbringen. Das entspricht ungefähr den deutschen Zahlen in diesem Jahr, wobei man aber bedenken muss, dass 2021 die Zinsen deutlich niedriger waren. Von den 47,7 Milliarden US-Dollar Auslandsschulden der Ukraine waren rund 20 Milliarden in 13 unterschiedlichen in Euro und US-Dollar laufenden Staatsanleihen gebündelt, die von privaten Gläubigern gehalten werden. Dies sind natürlich keine Kleinsparer, sondern die großen Finanzkonzerne, darunter ganz vorne der US-Konzern BlackRock, der zur Allianz gehörende US-Konzern Pimco und die französische Amundi. Nach dem Einmarsch russischer Truppen verhängte die Ukraine in Absprache mit diesen Konzernen ein zweijähriges Schuldenmoratorium. Dieses Moratorium läuft im August aus und bis zuletzt verhandelte man gemeinsam über eine Lösung.

Technisch gesehen ist die Ukraine eigentlich zahlungsunfähig. Kriege kosten nun mal sehr viel Geld. Für das laufende Jahr weist der ukrainische Haushalt ein Loch in Höhe von 37 Milliarden US-Dollar aus. Zwar fließen reichlich Gelder aus der EU und den USA in das Land, doch diese Gelder sind meist zweckgebunden für den Kauf von Waffen aus ebendiesen Ländern, werden also technisch gesehen nur durch die Ukraine durchgeschleift und landen am Ende bei den Rüstungskonzernen des Westens.

Als erste Maßnahme strukturierte der IWF zusammen mit der Ukraine deren IWF-Schulden um. Die Ukraine bekam vom IWF weitere 5,4 Milliarden US-Dollar Kredit – es ist übrigens ein Novum, dass der IWF einem kriegsführenden Land einen Kredit gibt –, die zusammen mit den bestehenden Schulden in Höhe von 10,2 Milliarden US-Dollar zu einem neuen 15,6-Milliarden-US-Dollar-Kredit umgeformt wurden. Doch Kredite des IWF sind bekanntlich stets an strenge Auflagen gebunden. Unter anderem verpflichtete sich die Ukraine, ab 2028 eine Staatsschuldenquote von 82 Prozent einzuhalten und die üblichen neoliberalen „Reformen“ durchzuführen. Sobald der Krieg vorbei ist, steht die Ukraine also unter Kuratel des IWF. So viel zum Thema Freiheit. Für den laufenden Haushalt konnten so 900 Millionen US-Dollar Zinsen für die Altkredite an den IWF eingespart werden und 5,4 Milliarden US-Dollar frische Kredite kamen hinzu. Aus den 37 Milliarden US-Dollar Defizit im laufenden Haushalt wurden so 30,7 Milliarden US-Dollar – immer noch eine kaum zu stemmende Summe.

Von den westlichen Staaten, die den Krieg finanzieren, ist bei diesem Problem im laufenden Jahr zunächst wenig zu erwarten. Die direkten Schulden der Ukraine bei diesen Staaten wurden ohnehin bereits 2022 eingefroren, eine Rückzahlung – so sie denn stattfindet – ist nicht vor 2027 vorgesehen. Ein denkbarer Schuldenerlass hätte daher keine Auswirkungen auf die aktuelle Finanzplanung und neue Kredite zur Haushaltssanierung will der Westen auch (noch) nicht vergeben – dafür hat man sich ja ein besonderes Instrument ausgedacht, zu dem wir später kommen.

Bleiben also die privaten Kredite. Hier wurde bereits im Frühjahr hart mit den Gläubigern verhandelt. Die wollten Abschreibungen in Höhe von 20 Prozent akzeptieren, die Ukraine forderte 60 Prozent. Wäre man zu keiner Einigung gekommen, würde dies einen technischen Staatsbankrott bedeuten, der dazu führt, dass es für die Ukraine – und für ukrainische Unternehmen – in den nächsten Jahren sehr schwer wäre, überhaupt noch Geld von privaten Finanzunternehmen zu bekommen. Also einigte man sich. Offiziell verzichten die Gläubiger nun auf 37 Prozent ihrer Forderungen. Doch das ist nicht alles. Die alten Papiere werden nun in zwei neue Papiere überführt. Einen Bond A, auf den ab 2025 Zinsen in Höhe von 1,75 Prozent anfallen, die ab 2029 auf 7,75 Prozent steigen. Und einen Bond B, dessen Zinsen ab 2028 an die BIP-Entwicklung der Ukraine gekoppelt sind. Was sich auf dem Papier ja vergleichsweise gut anhört, ist eine Wette auf die Zukunft, da beide Papiere natürlich wertlos sind, wenn die Ukraine in Zukunft zahlungsunfähig ist.

Es ist aber alles andere als überraschend, dass BlackRock und Co. sich auf diesen Deal eingelassen haben. Ihnen winkt nämlich ein besonderer Deal, den die G7-Staatschefs vor einigen Wochen vorbereitet haben. Sie erinnern sich? Angeblich sollen ja die Zinsen, die auf die eingefrorenen russischen Auslandsguthaben anfallen, bereits im nächsten Jahr der Ukraine zu einem 50-Milliarden-Dollar-Kredit verhelfen. Das ist natürlich Unsinn. Die Kreditsumme stammt nicht aus dem russischen Staatsvermögen oder den Zinsen, die darauf angefallen sind, sondern wird von privaten Gläubigern gestellt – also BlackRock und Co. Die Zinsen auf das russische Auslandsguthaben sollen lediglich als Sicherheit für die Rückzahlung dieses Kredites dienen. Doch auch das ist PR. Da die Verwendung der eingefrorenen Gelder rechtlich heikel ist, werden wohl am Ende die G7-Staaten selbst die Sicherheiten stellen müssen.

Lesen Sie dazu: „Putin bezahlt die Verteidigung der Ukraine“ – Fake News zum 50-Milliarden-Dollar-Ukraine-Paket der G7

Die Wette sieht also letztlich so aus: Die neuen, umgeschuldeten Papiere werden künftig mit frischen Schulden aus den ab nächstem Jahr fließenden G7-Krediten bedient werden. Linke Tasche, rechte Tasche. BlackRock und Co. vergeben also frische Kredite, um die Zinsen aus den alten Krediten samt Tilgung zu kassieren. Auch hier: linke Tasche, rechte Tasche. Was sich freilich ändert: Aus unbesicherten Krediten werden besicherte Kredite – offiziell durch die Zinsen der russischen Auslandsguthaben, inoffiziell durch die Steuergelder der G7-Staaten.

Die klaren Gewinner des Deals sind die Finanzkonzerne. Sie sind nun im Besitz gut verzinster Anleihen, die erstklassig abgesichert sind, und als Bonbon haben sie noch die Papiere, deren Zinsen an die BIP-Entwicklung gekoppelt sind – ein Land, das mit Unsummen frischer Gelder wiederaufgebaut wird, wird sicher auch ein hohes BIP-Wachstum verzeichnen können. Was sind schon die 37 Prozent Abschreibungen auf Altpapiere, die streng genommen eigentlich völlig wertlos sind, da die Ukraine sie ohne finanzielle bzw. regulatorische Hilfe der G7-Staaten niemals bedienen könnte?

Verlierer des Deals sind die Steuerzahler der G7-Staaten. Wenn kein Wunder geschieht, werden die G7-Staaten die lukrativen Renditen der Finanzkonzerne, die aus dieser Umstrukturierung entstehen, bezahlen müssen. Die Kosten dafür werden die Steuerzahler dieser Länder tragen müssen.

Verlierer des Deals sind aber auch die Ukrainer. Die Ukraine ist nur Durchlaufstation für eine makabre Umverteilung von G7-Steuergeldern in die Kassen der Finanzkonzerne. Erst wird ihr Land zerbombt, dann wird es wieder neu aufgebaut. Der ehemals finanzpolitisch durchaus solide Staat wird zu einem massiv überschuldeten Staat, der unter Kuratel des IWF steht und dessen neoliberale Reformen umsetzen muss. Aber so sind sie wohl, die Werte des Westens, die in der Ukraine verteidigt werden.

Apropos Ukraine. Wenn Sie, lieber Leser, aufmerksam mitgerechnet haben, wird Ihnen nicht entgangen sein, dass das eingangs genannte 37-Milliarden-Loch im ukrainischen Haushalt ja immer noch da ist – dank IWF-Umschuldung ist es zunächst auf 30 Milliarden US-Dollar geschrumpft und die nun erreichte Umschuldung mit den privaten Gläubigern wird schätzungsweise rund fünf Milliarden US-Dollar Einsparung im diesjährigen Haushalt bringen. Bleiben immer noch 25 Milliarden US-Dollar, die im diesjährigen Haushalt fehlen. Die G7-Kredite fließen frühestens im nächsten Jahr. Die Hälfte des Defizits will die Ukraine durch Steuererhöhungen ausgleichen – wobei völlig unklar ist, ob diese Zahl überhaupt realistisch ist. Wo die immer noch fehlenden mindestens 12,5 Milliarden US-Dollar für das laufende Jahr herkommen sollen, ist völlig offen. Mal schauen, wann Wolodymyr Selenskyj demnächst seinen lieben Freund Olaf besucht. Denn eins ist klar: Ohne frische Gelder aus dem Westen sind die Kriegskosten der Ukraine nicht mehr lange bezahlbar. Und noch sprechen wir ja nur über das laufende Jahr. Sollte der Krieg noch länger dauern, müsste im nächsten Jahr das nächste Finanzloch gestopft werden – und das wird immer größer.

Titelbild: vectorfusionart/shutterstock.com

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