Die rechtsradikale ukrainische „Asow“-Brigade geht auf Werbetour – auch in Deutschland. Das wäre eigentlich ein klarer Fall für Mahnwachen von Gruppen wie den „Omas gegen Rechts“. Aber die engagieren sich lieber gemeinsam mit einer „antiverschwurbelten Aktion“ gegen eine Querdenker-Demo für „Frieden und Freiheit“ am 3. August in Berlin. Eine weitere absurde Episode aus dem Stück namens „Kampf gegen Rechts“. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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„Kriegshelden zum Anfassen“: Am 21. Juli hat die rechtsradikale ukrainische „Asow“-Bewegung eine Europatournee mit Angehörigen ihres Kampfverbandes 3. Separate Sturmbrigade in der ukrainischen Armee gestartet, wie die Junge Welt berichtet. Laut dem Bericht hat die Einheit, die von Andrij Bilezkij, einem der einflussreichsten Neonaziführer der Ukraine, kommandiert wird, zunächst Auftritte in Warschau und Wrocław, später in Prag, Vilnius, Rotterdam und Brüssel geplant. Auch Besuche in Deutschland seien vorgesehen.
Für den 25. und 26. Juli sind in dieser Woche auch Veranstaltungen der „Asow“-Sturmbrigade in Berlin und Hamburg angekündigt: „Kommt zum Treffen mit den echten Kämpfern der Brigade, die in den Schlachten in Bachmut, Awdijiwka und Charkiw waren“, heißt es laut Junge Welt in der Werbung, die in Social-Media-Kanälen verbreitet werde: „Unzensiert erzählen sie alles über ihren Dienst.“ In dem Artikel wird der historische Hintergrund von Asow folgendermaßen geschildert:
„Die 3. Sturmbrigade inszeniert sich bis heute mit Stolz als historischer Erbe des Bandera-Flügels der faschistischen Organisation Ukrainischer Nationalisten und deren bewaffneten Arms, Ukrainische Aufständische Armee, die einst zu den willigsten Helfern im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und dem Holocaust zählten. Ungebrochen ist auch ihre Bewunderung für Hitlers Elitekrieger: Diverse Symbole der 3. Sturmbrigade sind in Anlehnung an die Insignien der Waffen-SS gestaltet, eines sogar nach dem Truppenkennzeichen der 36. Waffengrenadierdivision ‚Dirlewanger‘.“
Zurückhaltung ist von diesen politischen Extremisten nicht zu erwarten: Die Weltwoche berichtet aktuell darüber, dass einer der ukrainischen Soldaten des Asow-Regiments beim Besuch der Gedenkstätte Auschwitz ein T-Shirt mit Neonazi-Symbolik getragen habe.
Keine Mahnwachen gegen Asow?
Aufrufe zum Protest vonseiten „einschlägiger“ Gruppen gegen diese Werbung auf deutschem Boden für militanten Rechtsextremismus und seine offensive Nazi-Symbolik habe ich bei einer Internetsuche nicht finden können. Falls ich da etwas übersehen habe, bitte ich um einen Hinweis, dann werde ich den Artikel aktualisieren.
Gruppen „gegen Rechts“ sind natürlich nicht verpflichtet, auf alle Vorfälle gleichermaßen zu reagieren. Aber es ist doch eine Kontinuität in den massiven Widersprüchen festzustellen: Harte Rechtsextreme (etwa in der Ukraine) werden tendenziell geduldet, wenn es ins geopolitische Konzept passt, während hierzulande der „Nazi“-Vorwurf teils massiv und unseriös auf zahlreiche nicht-extreme Regierungskritiker ausgedehnt wird. Die Asow-PR wäre eigentlich ein Paradebeispiel für harte und reale Nazipropaganda, gegen die sich der hierzulande fast zur Staatsreligion erhobene „Kampf gegen Rechts“ engagieren könnte (und müsste).
Dass aber etwa die „Omas gegen Rechts“ eine Mahnwache gegen ukrainische Rechtsradikale veranstalten könnten, ist mutmaßlich nicht zu erwarten – die „Omas“ scheinen momentan auch damit beschäftigt zu sein, gemeinsam mit der „antiverschwurbelten aktion“ Gegenproteste gegen eine Demo für „Frieden und Freiheit“ am 3. August in Berlin zu organisieren, wie es bei „Berlin gegen Nazis“ heißt.
Laut dieser Webseite ist die „antiverschwurbelte aktion“ ein „linker Zusammenhang“, der aus dem ersten Protestbündnis „gegen verschwörungsideologische und rechtsoffene Versammlungen #reclaimrosaluxemburgplatz im Frühjahr 2020 entstand“ und seither vielfältige, oft satirische Gegenproteste in Berlin, aber auch bundesweit organisiert habe. Erkennungszeichen seien „reptiloide“ Kostüme“. Zugespitzt könnte man also zusammenfassen, dass die Gruppe sich unter anderem als Verteidiger der offiziellen Corona-Politik versteht und Kritik daran auch schon mal in die Nähe von „reptiloidem“ Schwachsinn rückt. Auch die „Omas gegen Rechts“ haben laut „Berlin gegen Nazis“ ihre Wurzeln in der Abwehr von einer stets als „verschwörungsideologisch“ bezeichneten Kritik an der Corona-Politik:
„Die Omas gegen Rechts Berlin protestieren seit 2020 durchgehend gegen verschwörungsideologische Versammlungen und haben viele zentrale Proteste mitorganisiert. 2022 organisierten sie zudem das ganze Jahr über in Pankow jeden Montag Kundgebungen, um gegen die verschwörungsideologischen Montagsdemonstrationen zu protestieren. Zudem schützten die ‚Omas’ seit Jahren immer wieder das Holocaust-Mahnmal, wenn es in der Umgebung einschlägige Versammlungen gab.“
Die Querdenker-Demo am 3. August in Berlin (Start um 12h, Hardenbergstraße, Nähe Ernst-Reuter-Platz) wird von „Berlin Gegen Nazis“ so vorgestellt:
„Das verschwörungsideologische Spektrum kämpft seit längerem mit Mobilisierungsproblemen und wendete sich teilweise dem Rechtsextremismus zu. Im März 2024 versuchten Berliner Gruppierungen aus dem verschwörungsideologischen und dem rechtsextremen Spektrum mit neuen Mobilisierungen zu unterschiedlichen Themen wieder auf den Berliner Straßen sichtbarer zu werden. Darunter fallen Versuche, das Thema „Frieden“ in den Mittelpunkt zu stellen, sich antifeministischen Mobilisierungen anzuschließen oder die umfangreichen Narrative der Presse- und Wissenschaftsfeindlichkeit weiter auszubauen. Diese Mobilisierungen sind gescheitert. Die letzte erfolgreiche bundesweite Mobilisierung nach Berlin fand am 3. Oktober 2023 gemeinsam mit Rechtsextremen statt.“
Die große Rechts-Links-Verwirrung
Ich empfinde die Darstellung der „Querdenker“-Demo am 3. August in Berlin als extremistisch oder „verschwurbelt“ in dieser pauschalen Form als irreführend. Ich fühle mich von der „Querdenker“-Bewegung politisch nicht vertreten, aber die allgemeine Diffamierung dieser Bürger durch weite Teile von Politik und Medien als extremistisch ist sehr unseriös.
Gerade in Verbindung mit der Toleranz gegenüber harten ukrainischen Rechtsradikalen macht der Vorgang gut die teils praktizierte Doppelmoral des Labels „Kampf gegen Rechts“ deutlich: Auch nicht-extreme Regierungskritiker werden hierzulande oft in die Extremisten-Ecke gestellt – dagegen werden bekennende Extremisten aus der Ukraine geduldet oder gar hofiert. Abgerundet wird das absurde Bild durch eine Bundesregierung, die eine rechte Politik betreibt, die aber (auch von vielen Kritikern) als irgendwie „links“-grün identifiziert wird.
Wo ist der Ausweg aus diesen Verwirrungen?
Aktualisierung 24.07.2024: Zu Protesten gegen die Asow-Veranstaltungen in Berlin und Hamburg gibt es in diesem Artikel weitere Informationen.
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Titelbild: Oleksandr Polonskyi / Shutterstock