Die Demokratie und ihre Feinde

Die Demokratie und ihre Feinde

Die Demokratie und ihre Feinde

Maike Gosch
Ein Artikel von Maike Gosch

An dem Punkt sind wir also angelangt. Vierzig schwarz gekleidete und vermummte Beamte stürmen morgens um 6 Uhr die Wohnung des Chefredakteurs eines Medienunternehmens. Der wurde aus dem Bett geklingelt und steht nun mit zerzausten Haaren und im Bademantel in der Tür und wird von den merkwürdigerweise schon anwesenden Medienvertretern abgelichtet, um schnellstmöglich auf den Titelseiten zu landen. Die Artikel sind praktischerweise auch schon geschrieben – einige Journalisten mal wieder vorab informiert, wie schon bei der Reichsbürger-Razzia. Persönlichkeitsrechtsschutz, was war das noch mal? Es handelt sich ja um ein „widerliches Blatt“, wie fast alle Kommentatoren, auch die, die die Aktion kritisieren und ihre Verfassungsmäßigkeit infrage stellen, betonen. Aber, und das ist ein großes Aber: Es geht nicht darum, ob man mit den Haltungen, die in den Medienerzeugnissen von Compact geäußert werden, übereinstimmt, es geht nicht mal darum, ob man die dort geäußerten Ansichten „abstoßend“ oder „ekelhaft“ findet. Das spielt keine Rolle. Die Presse- und Meinungsfreiheit sind für die Demokratie „schlichtweg konstituierend“. Von Maike Gosch.

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„Ich war früher nie verzagt, ich verzweifelte nie am Vaterlande;
aber nun ich seine Retter sah, verging mir alle Hoffnung.“
– Heinrich Heine

Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Eines der höchsten, das wir im öffentlichen Leben haben. Und jetzt so eine Aktion. Unter Umgehung der Zuständigkeit des Bundeslandes (in der das Presserecht liegt, aus gutem Grund sollte die Presse – nach den Erfahrungen der Nazizeit – gerade nicht in die Bundeszuständigkeit fallen, um die Gefahr der politischen Instrumentalisierung durch den Zentralstaat vom Vorgehen gegen die Medien und oppositionelle Meinungen kleinzuhalten), unter Umgehung des Presserechts überhaupt, unter Umgehung des Rechtswegs über strafrechtliche Anzeigen und Verfahren. Nein, hier wurde das Vereinsrecht zur Grundlage genommen, wobei Vereine einen ähnlichen Grundrechtsschutz, wie ihn Medien und Journalisten aus sehr gutem Grund genießen, gerade nicht haben. Es ist alles hanebüchen, wie es ja zum Glück bereits viele Juristen in ihren Kommentaren ausgeführt haben.

In seiner Antwort in der BPK vom 17. Juli 2024 auf eine Nachfrage von Florian Warweg erklärte der Sprecher des Innenministeriums, Herr Kall, dass dies nicht das erste Mal sei, dass eine Publikation über das Vereinsrecht verboten wurde, und verwies auf den Fall des Verbots von indymedia. Hierbei lässt er praktischerweise weg, dass dies damals verbunden war mit strafrechtlichen Vorwürfen und parallel ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 Strafgesetzbuch (StGB) angestrengt wurde. Auf der Webseite werde öffentlich zur Begehung von Gewaltstraftaten gegen Polizeibeamte und politische Gegner sowie zu Sabotageaktionen gegen staatliche und private Infrastruktureinrichtungen aufgerufen, begründete das BMI damals das Verbot. Das ist hier ja eindeutig nicht der Fall, da Compact oder Jürgen Elsässer nach eigener Aussage, aber ich habe auch nichts Gegenteiliges recherchieren können, bisher keine strafrechtliche Verurteilung für irgendeine ihrer Äußerungen oder Artikel erhalten haben und auch keine strafrechtlichen Anklagen im Raum stehen.

Außerdem erklärt Herr Kall zuversichtlich, dass die Klage der Beschwerdeführenden gegen das Verbot vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen wurde, das Innenministerium also damals in seinem Vorgehen bestätigt wurde. Hier unterschlägt er aber auch wieder, dass die Klageabweisung mit einem fast perfiden Argument erfolgte, nämlich dem, dass die Beschwerdeführer als natürliche Personen kein Klagerecht hätten, da die Verbotsverfügung nur den Verein beträfe und nicht sie als Menschen. Auch Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG) (Vereinigungsfreiheit) fände daher keine Anwendung, da es sie nicht persönlich, sondern nur den Verein beträfe. Das Verbot wurde vom BVerwG auch nicht an Art. 5 Abs. 1 GG (Recht auf freie Meinungsäußerung) geprüft, da „das Recht auf freie Meinungsäußerung durch das Vereinsverbot nicht berührt“ sei.

Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das BVerwG lehnte den Rechtsschutz und überhaupt die Überprüfung des Verbots in den wichtigsten inhaltlichen Punkten ab, da die Beschwerdeführer nicht als Vereinsmitglieder klagten. Das taten sie aber, weil, wenn sie als Vereinsmitglieder geklagt hätten, sie sich einer strafrechtlichen Verfolgung und möglicherweise hohen Gefängnisstrafen ausgesetzt hätten oder das zumindest befürchteten. Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Beschwerde gegen das Urteil des BVerwG mit Beschluss vom 1. Februar 2023 ebenfalls ab. Weder das BVerwG noch das BVerfG haben also zu den wichtigen inhaltlichen Fragen, insbesondere der Frage, ob der Staat über den Weg des Vereinsverbots das Grundrecht der Pressefreiheit umgehen darf, überhaupt Stellung genommen.

Warum ist Ministerin Nancy Faeser dennoch so vorgegangen? Wie kann es zu so einer Entwicklung kommen? Wie sieht es aus ihrer Perspektive aus? Die Bundesinnenministerin selbst sagte in einem Statement auf X, dass sie das rechtsextremistische Magazin verboten habe (interessant, da sie ja eigentlich nach Vereinsrecht die GmbH verboten hat und gerade nicht das Magazin selbst, dann wäre ja nicht das Vereinsrecht, sondern das Presserecht anwendbar, aber lassen wir das mal beiseite). Sie bezeichnet es als „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“. Das mag sogar sein. Es verfolge die Agenda, „Rechtsextremisten zu vernetzen“ und verbreite „antisemitische Verschwörungsideologien“.

Die Vernetzung ist sicher richtig. Welche „antisemitischen Verschwörungsideologien“ verbreitet würden, müsste man genauer wissen, um selbst überprüfen zu können, wie viel Wahrheit daran ist und vor allem, inwieweit das strafrechtlich relevanten Charakter hat. Denn selbst wenn seit Jahren immer mehr vor „Verschwörungstheorien“, später dann „Verschwörungsmythologien“ und jetzt offensichtlich als weiterer Steigerung vor „Verschwörungsideologien“ gewarnt wird und diese als große Bedrohung für unsere Gesellschaft und Demokratie dargestellt werden, sind das gerade keine strafrechtlich oder sonstwie juristisch klar definierten Begriffe und stellen schon gar keine Straftaten dar. Genauso, wie übrigens die oft verwendeten Begriffe „Hass und Hetze“ nicht rechtlich definiert sind und daher auch nicht Grundlage für solche Grundrechtseingriffe wie hier sein können. Es gibt natürlich den Tatbestand der „Volksverhetzung“ gem. § 130 StGB, aber wenn das gemeint ist, sollte davon auch gesprochen werden.

Julian Reichelt postete gestern auf X, dass wohl eine der Grundlagen des Verbots ein angeblich antisemitischer Artikel in Compact sei, in dem er auch selbst erwähnt wurde. Ich zitiere aus dem Artikel, wie er in der Einstufung des Verfassungsschutzes zitiert wird:

Die B’nai B’rith Loge soll heute führend sein, was ihren Einfluss auf Politik und Gesellschaft betrifft und nicht mehr die Freimaurer. Aber alles, was im Geheimen geschieht, kommt eines Tages ans Licht.“

Und später:

Im B’nai B’rith vereinigen sich staatsübergreifend führende Medienzaren, Bankiers, Politiker, Diplomaten, Verleger, Zeitungsmagnaten – Kommunisten wie millionenschwere Kapitalisten, Gewerkschaftsführer wie Arbeitgeber reichen sich hier die Hand zum Bunde.“

Die Analyse des Verfassungsschutzes hierzu:

Hier wird durch die selektive Aufzählung elitärer und einflussreicher Positionen das antisemitische Narrativ einer jüdischen Elite aus Medien, Politik und dem Finanzsektor vermittelt.“

Naja. Ich habe meine Zweifel, ob sich damit vor Gericht schon irgendein Straftatbestand, etwa der der „Volksverhetzung“, substantiieren ließe. Noch einmal zur Klarstellung: Ich will hiermit nicht sagen, dass die Inhalte bei Compact nicht antisemitisch sein könnten. Da es aber bisher noch keine Verurteilung in diese Richtung gegeben hat, muss ich davon ausgehen, dass die Inhalte dort unterhalb der Strafbarkeitsgrenze sind. Das bedeutet, durch das Vereinsverbot und die extrem repressiven Maßnahmen unterläuft das Innenministerium die Gesetzessystematik und unser System des Grundrechtsschutzes. Nur aufgrund von strafrechtlichen und anderen gesetzlichen Grenzen darf die Pressefreiheit in ganz engem Rahmen eingeschränkt werden. Das ficht unsere Ministerin aber nicht an, sondern dieser ganz fundamentale und für unsere Demokratie überlebenswichtige Schutz der Presse- und Meinungsfreiheit wird hiermit einfach ausgehebelt.

Und dann erklärt unsere Innenministerin noch, das selbsterklärte Ziel von Compact sei die „Zerstörung unserer freiheitlichen Gesellschaft“. Auch hier fehlen Belege und diese würden mich im Einzelnen sehr interessieren. Denn ich fürchte, auch hier wird einer der rhetorischen Lieblingstricks von Regierungsmitgliedern seit der Corona-Zeit, eigentlich schon seit den PEGIDA-Demos in den Jahren 2015/2016, verwendet. Wobei „Trick“ vielleicht das falsche Wort ist. Es ist eine Art „Verblendung“, da sie es selbst tatsächlich so sehen.

Die Methode funktioniert so und ist im Geiste extrem obrigkeitsstaatlich und in sich anti-demokratisch: Politiker setzen sich selbst und ihre persönlichen und politischen Werte und Überzeugungen mit der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ und dem „Staat“ gleich und deuten dann jegliche Kritik an sich zu Kritik an der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ oder am „Staat“ (Stichwort „Delegitimierung des Staates“) um. Einfacher kann man es sich nicht machen. Das praktische Ergebnis: Man muss sich der Kritik nicht stellen. Sie wird delegitimiert. Das ist in meinen Augen das Gegenteil eines demokratischen Diskurses.

Weiter sagt sie: „Dieses Magazin hetzt auf unsägliche Weise gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit Migrationsgeschichte und gegen unsere parlamentarische Demokratie.“ Das Verbot zeige, dass man auch gegen „geistige Brandstifter“ vorgehe, die ein Klima von Hass schürten. „Unser Signal ist ganz klar: Wir lassen nicht zu, dass ethnisch definiert wird, wer zu Deutschland gehört und wer nicht“, betonte Faeser.

Nun, ich nehme an, das Bundesamt für Verfassungsschutz hat vorab viel Material gesammelt und auch die Durchsuchungsbeschlüsse, die Grundlage der Aktion sind, sind richterlich ergangen und sicher findet sich bei der kompletten Beschlagnahmung aller E-Mails, Posts, Chats, Briefe, Tagebücher und so weiter, die gerade eifrig von den Beamten durchforstet werden, auch das eine oder andere, was diese Vorwürfe stützen kann. Das wird auch alles irgendwann vor dem Bundesverwaltungsgericht und später vor dem Bundesverfassungsgericht und dann dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte überprüft werden. Und mit großer Wahrscheinlichkeit, wenn Frau Faeser und auch ihre Regierung längst nicht mehr im Amt sind, wird Jahre später festgestellt werden, dass das Vorgehen rechts- und verfassungswidrig war. Aber dann wird es zu spät sein. Und das war vielleicht sogar das Kalkül, verbunden mit der Hoffnung, bei der umfassenden Beschlagnahmung etwas Belastendes zu finden, das nachträglich dieses massive Vorgehen rechtfertigen könnte, wenn schon nicht rechtlich, dann in den Augen der Öffentlichkeit. Oder das Wissen, dass hier Fakten geschaffen werden. Ob ihr recht habt oder nicht, das Magazin ist wirtschaftlich zerstört. Man nennt das auch „lawfare“ (Kriegsführung mit juristischen Mitteln).

Was wir hier haben, ist auf jeden Fall eine Eskalation. Auf beiden Seiten. Der Staat wird immer autoritärer und repressiver und der Widerstand und die Kritik an der Regierung werden immer aggressiver und hasserfüllter. Hass gebiert Hass. Repression stärkt Widerstand. Und darum ist diese Entwicklung auch nur mit gegenseitigem Verständnis und einer ganz massiven verbalen Abrüstung zu lösen.

Wenn ich gerade in dem Café, in dem ich dies schreibe, bei einer Frau am Nebentisch die taz-Titelseite mit der Schlagzeile „Einfach mal die Presse halten“ sehe, dann weiß ich, dass wir in unserem öffentlichen Diskurs und der politischen Auseinandersetzung zwischen Bürgern und Regierung auf dem Niveau eines Schulhofstreits angekommen sind oder bei der Phase in einem Beziehungsstreit, in dem beide nur noch „Halt einfach die Klappe!“ schreien.

Und ja, liebe Regierung, liebe Journalisten, liebe linksliberale Blase, zu der ich auch gehörte und bei vielen Themen und Werten immer noch gehöre, ihr seid genauso Teil dieser Dynamik und Entwicklung, wie die „Rechten“. Auch ihr müsst abrüsten und wieder lernen, mit Respekt, Anstand, Höflichkeit, Sachlichkeit auf abweichende Meinungen und (auch harte) Kritik zu reagieren. Wir befinden uns in einer Eskalationsspirale, außenpolitisch wie innenpolitisch. Und die Lösung ist nicht mehr Aggression, mehr Wut, mehr Hass, mehr Repression, sondern genau das Gegenteil.

Ich fühle mich hilflos und tieftraurig dabei, dieser Entwicklung zuzuschauen, dieser Spirale aus Hass und Entfremdung. Und das Schreckliche ist, wie unnötig es teilweise ist. Denn die Gegner in dieser Auseinandersetzung teilen ja viele Ideale. Ministerin Nancy Faeser und ihre Mitarbeiter und Unterstützer wollen ja nicht autokratisch handeln, sie wollen die Demokratie vor ihren Feinden retten, sie haben Angst vor einem gewaltsamen Umsturz, vor der Rückkehr von Faschismus und vor einem mörderischen Regime, in dem jüdische Menschen oder Menschen aus anderen Ländern oder Ethnien in Deutschland nicht mehr sicher sind oder sogar ermordet werden. Daran ist ja nichts falsch. Das teile ich aus tiefstem Herzen.

Aber, und hier wieder ein großes Aber, durch die Art, wie sie handeln und sich äußern, befördern sie eine Entwicklung in Richtung Gewalt und Beschädigung unserer Demokratie, anstatt die Situation zu befrieden.

Und auch viele, die jetzt als „rechtsextrem“ bezeichnet werden, scheinen mir nicht die Demokratie als Staatsform oder sogar die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ der Bundesrepublik zerstören zu wollen, sondern zu argumentieren, dass diese aktuell von den Politikern an der Macht und im Amt gefährdet oder zerstört werden. Diese Einschätzung mag man teilen oder nicht, aber es ist doch ein großer Unterschied, ob Bürger und Journalisten Sorge um ihr Land äußern und Politiker kritisieren oder ob sie die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ oder gar die Demokratie abschaffen wollen. Und selbst wenn sie das wollten, wäre das auch noch vom Grundgesetz gedeckt. Das verlangt keine „Verfassungstreue“ von den Bürgern, nur von den Inhabern staatlicher Macht. Unser Grundgesetz verlangt nur, dass die Bürger nicht aktiv und gewaltsam an der Abschaffung und Zerstörung unserer Demokratie arbeiten. Und damit ist gerade nicht das Vorbringen von Argumenten und Äußern von Meinungen in Zeitschriften, auf Websites oder in Videos gemeint („geistige Brandstiftung“). Nun, die Gerichte werden es zu entscheiden haben.

Vielleicht ist der Ausdruck „wehrhafte Demokratie“ der problematischste Begriff in letzter Zeit. Frau Faeser und ihre Mitarbeiter, ebenso wie die Unterstützer ihres Vorgehens, glauben tatsächlich, sie würden die „Demokratie“ gegen ihre „Feinde“ verteidigen. Das ist der narrative Rahmen, in dem sie sich bewegen. Damit stellen sie sich in die Tradition des Staatsrechtlers und späteren Nationalsozialisten Carl Schmitt, der aus einer bestimmten Zeit heraus (20er und frühe 30er Jahre) für die Notwendigkeit einer solchen Wehrhaftigkeit plädiert hat, von ihm stammt auch das berühmte Zitat: „keine Freiheit für die Feinde der Freiheit“. Auch der Begriff „Verfassungsfeind“ geht interessanterweise auf ihn zurück.

Doch auch damals schon gab es andere Stimmen, die prominenteste Gegenposition vertrat der österreichisch-ungarische Jurist Hans Kelsen, einer der bedeutendsten Verfassungsjuristen des 20. Jahrhunderts. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir uns an seine Worte erinnern:

Eine Demokratie, die sich gegen den Willen der Mehrheit zu behaupten, gar mit Gewalt sich zu behaupten versucht, hat aufgehört, Demokratie zu sein (…), d.h. wer für die Demokratie ist, darf sich nicht in den verhängnisvollen Widerspruch verstricken lassen und zur Diktatur greifen, um die Demokratie zu retten.

(Verteidigung der Demokratie (1932), in: ders., Verteidigung der Demokratie. Abhandlungen zur Demokratietheorie, hrsg. von Matthias Jestaedt und Oliver Lepsius, Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2006, S. 229–237, hier S. 237.)

Um das gleich klarzustellen, ich glaube nicht, dass unsere Demokratie aufgehört hat, eine Demokratie zu sein. Sie ist es immer noch und darüber bin ich sehr froh. Aber, Schritt für Schritt geht die Spaltung voran und zerreißt unser Land, und Hass, Wut und Frust von Teilen der Bevölkerung werden immer größer. Genauso wenig glaube ich, dass unsere Demokratie ernsthaft gefährdet ist durch eine Zeitschrift und die – vielleicht auch abwegigen, vielleicht auch hetzerischen – Ideen und Aussagen ihres Chefredakteurs und seiner Autoren und Interviewgäste. So fragil ist sie nicht.

Ich bin vielleicht eine Idealistin und blauäugig, aber ich wünschte, wir würden alle aufhören, in so extreme Emotionen und Verzerrungen zu verfallen, und einfach wieder miteinander reden, einander zuhören und einander verstehen. Der Regierung wünsche ich dabei deutlich mehr Fähigkeit zu Selbstkritik und Reflexion über das eigene Versagen, und der „Opposition“ und auch den „Rechtsextremen“ wesentlich mehr Ruhe, Respekt und verbale Abrüstung. So schwer es fällt.

Ich bin sicher, wir könnten das Ganze auch im Gespräch lösen. Das ist für mich Demokratie.

„Leb wohl, deutsche Heimat, Land der Rätsel und der Schmerzen; werde hell und glücklich.“
– Heinrich Heine

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