Am 16. Juli hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärt: „Ich habe heute das rechtsextremistische ‚COMPACT-Magazin‘ verboten“. Der Erklärung vorausgegangen waren bundesweite Razzien ab 6 Uhr morgens, bei der auch Medienvertreter präsent waren. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund auf der Bundespressekonferenz unter anderem wissen, aus welchen Motiven Informationen zu Razzia und Verbot an ausgewählte Medien vorab durchgestochen wurden, wieso die Innenministerin, obwohl Presserecht ausschließlich Ländersache ist, mittels des Konstrukts des Vereinsrechts die dafür eigentlich zuständigen Stellen umgangen sowie auf eine Abwägung von Grundrechtsbindung und presserechtlichen Gesetzen verzichtet hat und wie das Ministerium die Kritik zahlreicher namhafter Juristen bewertet, die das Vorgehen als „nicht verfassungskonform“ bezeichnen. Von Florian Warweg.
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 17. Juli 2024:
Frage Warweg
Meine Frage nimmt Bezug auf das Verbot des „COMPACT-Magazins“. Zunächst würde mich der mediale Umgang des BMI damit interessieren. Zum Zeitpunkt der Razzia ab sechs Uhr waren auch Medienvertreter vor Ort. Wir alle kennen, denke ich, die entsprechenden Fotos und die schon kurz nach sechs Uhr veröffentlichten 12.000-Zeichen-Artikel bei gewissen Zeitungen.
Wie rechtfertigt und begründet das BMI dieses Vorabdurchstechen von Informationen zu Verbot und Razzia? Viele Juristen sehen darin unter anderem eine Verletzung des Dienstgeheimnisses, eine Verletzung des Persönlichkeitsschutzes sowie eine Gefährdung des Untersuchungszwecks.
Kall (BMI)
Herrn Warweg kann ich sagen, dass das Bundesinnenministerium gestern um etwa 6.45 Uhr oder 6.50 Uhr über das Verbot informiert hat. Es hat davor nicht darüber informiert und auch keine entsprechenden Informationen an die Presse gegeben. Viele Landesbehörden, viele Polizeibehörden, viele Verfassungsschutzämter waren an der Maßnahme beteiligt.
Uns ärgert es, wenn Informationen vorher durchdringen. Das ist nicht in Ordnung, und dem wird nachgegangen. Vom Bundesinnenministerium sind diese Informationen nicht gegeben worden.
Zusatzfrage Warweg
Frau Faeser hat erklärt – ich zitiere kurz -: „Ich habe heute das rechtsextremistische ‚COMPACT-Magazin‘ verboten.“ Presserecht ist eigentlich Ländersache. Das wird man auch im BMI wissen. Aus welchen Gründen hat die Ministerin entschieden, über das Konstrukt des Vereinsrechts erstmals in der bundesdeutschen Geschichte eine Zeitschrift verbieten zu lassen und damit die eigentlich dafür zuständigen Gesetzessystematiken inklusive von Landesrecht oder Abwägung, Grundgesetzbindung plus presserechtliche Gesetze zu umgehen?
Kall (BMI)
Herr Warweg, das haben wir ausführlich begründet. Das können Sie auch unseren gestrigen Mitteilungen entnehmen. Es ist mitnichten der Fall, dass es das erste Mal wäre, dass bestimmte Publikationen mit dem Mittel des Vereinigungsverbots verboten worden wären. Sie werden sich sicherlich an die Plattform Indymedia aus dem linksextremistischen Bereich erinnern. Dieses Verbot wurde übrigens vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Des Weiteren gab es Publikationsorgane, auch organisiert in Form von Unternehmen, von GmbHs, die der PKK zuzurechnen waren. Diese GmbHs sind verboten worden. Auch das ist vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden.
Selbstverständlich wurde die gestrige Verbotsverfügung sehr ausführlich begründet und liegen ihr sehr umfassende Beweismittel zugrunde, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz ebenso wie den beteiligten Landesämtern für Verfassungsschutz zusammengetragen worden sind. Der COMPACT-Verlag, die entsprechenden Publikationen sind seit 2021 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und waren vorher als rechtsextremistische Verdachtsfälle eingestuft. Insofern gibt es dazu umfassendes Beweismaterial. Alle 14 Durchsuchungsmaßnahmen, die gestern stattgefunden haben, sind gerichtlich angeordnet worden. Das ist ein wichtiger Hinweis.
Diese ausführliche Verbotsverfügung kann natürlich gerichtlich überprüft werden – dagegen besteht Rechtsschutz – unmittelbar vor dem Bundesverwaltungsgericht. Schon viele Verbotsverfahren sind vom Bundesverwaltungsgericht überprüft worden. Bisher hat das BMI diese Verbotsverfügungen jedes Mal erfolgreich verteidigen können. Sie haben bisher immer gehalten. So ist es im Rechtsstaat. Es gibt staatliche Entscheidungen, die dann gerichtlich überprüft werden, in dem Fall direkt in erster Instanz vom Bundesverwaltungsgericht, weil es eine sehr wichtige und auch sehr einschneidende Maßnahme ist, die aber im Grundgesetz unmittelbar vorgesehen ist. Wenn Sie in Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes schauen, dann sehen Sie, das Vereine, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen – Vereine, das ist ein weiter Begriff; darunter können auch Unternehmen fallen – zu verbieten sind. Das folgt unmittelbar aus dem Grundgesetz, ebenso wie die Pressefreiheit. Entsprechend ist in der Verbotsverfügung sehr ausführlich begründet worden, warum dieses durch und durch verfassungsfeindlich agierende Unternehmen zu verbieten war, und ist die Pressefreiheit ausführlich gegen die Gründe abgewogen worden, die für das Verbot sprachen, den Antisemitismus, den Rassismus, die eklatante Verfassungsfeindlichkeit dieser Publikationen. Das trägt dieses Verbot.
Sie können das übrigens nicht nur der Auffassung des BMI entnehmen, sondern auch dem, was einige Landesinnenminister, deren Behörden dieses Verbot gestern ja mitvollzogen haben, geäußert haben, etwa der brandenburgische Innenminister, der hessische Innenminister. Viele haben sich dazu geäußert. Wie gesagt, sind Beweismittel des Bundesamts für Verfassungsschutz ebenso wie der Landesämter gestern eingeflossen. Bei den Durchsuchungen ist noch einmal umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden, das natürlich auch noch in dieses Verfahren einfließt.
Wenn das gerichtlich überprüft wird, dann sehen wir dem entgegen. Denn genau so soll es im Rechtsstaat sein, dass gegebenenfalls am Ende Gerichte entscheiden.
Frage (unbekannter Journalist)
Herr Kall, der Bundestagsvizepräsident Kubicki hat gestern getwittert, er gehe davon aus, dass das Verbot vor Gericht gekippt werde und dass in diesem Fall Frau Faeser als Innenministerin nicht zu halten sei. Ist sie bereit, ihre persönliche Zukunft als Ministerin mit diesem Verbotsverfahren zu verbinden?
Kall (BMI)
Solche Aussagen und politischen Meinungsäußerungen kommentieren wir von hier aus nicht. Das tun wir nie. Dass diese Verbotsverfügung ausführlich begründet ist, gerade auch in der Abwägung mit der Pressefreiheit, und sich an den Leitlinien, die aus der bisherigen Rechtsprechung folgen. Es gibt Urteile dazu, unter welchen Prämissen auch Publikationen trotz dem Schutz der Pressefreiheit aufgrund der eklatanten Verfassungswidrigkeit, der Verletzung der Menschenwürde, der Verletzung des Demokratieprinzips, der Verletzung des Gleichheitsrechts, des Rassismus, des Antisemitismus, des Geschichtsrevisionismus, der diese Publikationen durch und durch prägt. Das rechtfertigt das Verbot. Das ist ausführlich begründet. Insofern kann das dann gerichtlich überprüft werden.
Frage Warweg
Aber wieso ist man nicht von Anfang an den Weg über Staatsanwaltschaften und Gerichte gegangen, sondern hat das Konstrukt des Vereinsrechts genommen? Sie haben die Positivbeispiele genannt, die das bejahen. Aber es gibt zahlreiche, auch namhafte Juristen, die sehr hinterfragen, ob das verfassungskonform ist. Deswegen würde mich interessieren, wieso die Ministerin gerade diesen Schritt gewählt hat. Es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben.
Kall (BMI)
Das ist ein Instrument der wehrhaften Demokratie. Wenn die Beweismittel dafür vorliegen, dass so eklatant gegen die Verfassung verstoßen wird, dann muss man solche Mittel auch einsetzen. Das ist ausdrücklich in Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes vorgesehen, nicht nur im Vereinsrecht, das das einfachgesetzlich ausbuchstabiert und die konkreten Voraussetzungen nennt, sondern das sieht das Grundgesetz als wehrhafte Verfassung vor, die sich auch durch die Umsturzvorstellungen und Ähnliches, was bei „COMPACT“ propagiert wurde, nicht selbst aushebeln lässt, sondern diese wehrhaften Instrumente vorsieht. Wenn die Beweismittel dafür vorliegen, dann müssen die Sicherheitsbehörden sie auch einsetzen. Das ist ein anderes Instrument als die Strafverfolgung. Das kann parallel zueinander oder unabhängig voneinander stattfinden.
Schon im Vorfeld sind diverse rechtliche Instrumente eingesetzt worden, wie gesagt, zunächst Verdachtsfall in der Beobachtung durch die Verfassungsschutzämter, dann Einstufung als gesichert rechtsextremistisch, was die höchste Stufe ist, in die ein Beobachtungsobjekt eingestuft wird. Die entsprechenden Ausführungen dazu finden Sie auch im Verfassungsschutzbericht. Diese Instrumente sind im Vorfeld schon eingesetzt worden. Sie haben die entsprechenden Beweismittel ergeben, um das Verbot eines – ich sage es noch einmal – zentralen Akteurs der rechtsextremistischen Szene in Deutschland zu rechtfertigen.
Frage Warweg
Dann noch eine Verständnisfrage zur Zentralität von „Compact“: Nach eigenen Angaben hat „Compact“ grob eine Auflage von 40 000. Davon kann man vermutlich die Hälfte abziehen. Die Abfragen des Social-Media-Angebots sind auch überschaubar. Das hat also vermutlich 0,0 nochwas Prozent der Bevölkerung erreicht. Sieht die Ministerin in diesem Medium wirklich eine Gefährdung der bundesdeutschen Demokratie?
Kall (BMI)
Herr Warweg, das haben wir wirklich ausführlich dargelegt, und das finden Sie auch ausführlich dargelegt im Verfassungsschutzbericht. Darauf würde ich gerne verweisen.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 17.07.2024