Etwas hat sich gedreht: Wurden den Bürgern früher noch schamlos „blühende Landschaften“ versprochen, so wird ihnen nun kaltschnäuzig angekündigt, dass „wir“ alle ärmer würden. Auch Diplomatie wird nicht mal mehr in blumigen Phrasen gefordert oder als schmückende Folklore genutzt, geschweige denn praktiziert: Eiskalt wird sie als Irrweg dargestellt, Frieden nicht mal mehr als ferne Perspektive formuliert. Diese unverblümte Brutalität in der offiziellen Kommunikation ist neu und bedenklich. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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„Wir schaffen das“ ist passé – zum einen war es schon immer gemeint im Sinne von: „Ihr schafft das schon, was wir hier anrichten“. Zum anderen ist die Zeit der hoffnungsvollen offiziellen Signale wohl insgesamt vorbei, so durchschaubar und unzutreffend sie schon immer gewesen sein mögen.
Verstärkt seit der Corona-Politik nehmen viele Bürger Teile der Kommunikation vonseiten verantwortlicher Politiker und „verbündeter“ Medien geradezu als Schocktherapie „von oben“ wahr. Außerdem: Galt nicht früher eher die Regel, dass offizielle Stellen Panik vermeiden wollten und dass dafür auch gefährliche Vorgänge möglichst unter Verschluss gehalten werden sollten? Bei Corona wurde wurde das praktisch umgedreht: Eine Panik war erwünscht und sie wurde gezielt geschürt, die schlimmen und andauernden gesellschaftlichen Folgen dieses Schrittes wurden billigend in Kauf genommen. Neu sind seitdem auch (zumindest in dieser Deutlichkeit) hoffnungslose Ankündigungen wie die von Karl Lauterbach, dass künftig „der Ausnahmezustand die Normalität sein wird“.
Auch mit Ankündigungen wie der des grünen Wirtschaftsministers, dass „wir“ als Folge der eigenen Politik ärmer werden würden, hätten Politiker früher eher hinter dem Berg gehalten. Auch wenn manche einen „Wohlstand des Weniger“ begrüßen und das auch den Mitbürgern, die sowieso schon wenig haben, überhelfen wollen: Die große Mehrheit lehnt solche Vorhaben ab, aber man kann sie in der heutigen Zeit dennoch nicht nur vorantreiben, sondern auch noch vorher groß ankündigen. Wie absurd die Meinungsmache gegen einen auch auf russischer Energie beruhenden Wohlstand in Deutschland teils ist, habe ich im Satire-Artikel „Frieden und Wohlstand waren schreckliche Irrtümer” thematisiert.
„Ein einziger Abwehrkampf auf einer abschüssigen Bahn nach unten”
Die militaristische „Zeitenwende“ birgt nicht nur militärische Gefahr, sondern auch die des sozialen Kahlschlags zugunsten der Aufrüstung. Zur Kommunikation, die diese versuchte „Zeitenwende“ begleitet sowie jene zu Themen wie Klima oder Migration hat die Tagesschau bereits im Juni ein Interview mit dem Soziologen Hartmut Rosa geführt. Rosa leitet das Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt und er lehrt an der Universität Jena. In dem Interview sagt er etwa zu Waffenlieferungen an die Ukraine viele Dinge, bei denen ich ganz anderer Meinung bin. An anderer Stelle stimme ich ihm aber zu. Etwa bei der Diagnose, dass „die derzeitige Kommunikation schon jetzt fatale Folgen“ habe. Er sagt:
„In der politischen Bildersprache ist die Zukunft heute ein einziger Abwehrkampf auf einer abschüssigen Bahn nach unten. Gegen die Russen. Gegen den Klimawandel. Gegen den wirtschaftlichen Niedergang. Gegen die AfD. Gegen die Migration. Das sorgt für Hoffnungslosigkeit und Wut.“
Rosa fährt fort:
„Kriege gab es auch schon vor dem Ukraine-Krieg. Nehmen Sie Afghanistan, Irak oder Jugoslawien. Aber trotz Kriegen, Seuchen, Piraterie und Folter lautete in der Vergangenheit die Überzeugung immer: Wir müssen es schaffen, wir können es schaffen und wir werden es schaffen, diese zu überwinden, eine friedlichere und gerechtere Weltordnung zu schaffen. Mit der Zeitenwende hat Olaf Scholz deutlich auf den Punkt gebracht, dass wir diese Hoffnung aufgeben sollten. Die Zukunft sei Krieg. Das hat etwas Tiefgreifendes gemacht mit der Bevölkerung.“
Eine einzige dunkle Wand aus Kriegen, Seuchen und Klimakatastrophen
Es soll hier aber keineswegs gefordert werden, dass die Bundesregierung also fortan positive Botschaften verbreiten soll oder dass die Politik der Regierung eigentlich gut sei, dass sie nur besser dargestellt und verkauft werden müsse. Die Politik der Bundesregierung ist schlecht und gefährlich, das kann auch eine aufwändige Inszenierung nicht kaschieren: Die angeblich bekämpften Krisen wurden durch eigenes Handeln erst zugespitzt.
Statt einer besseren PR wird hier (ganz naiv) eine Politik gefordert, die den Bürgern eher dient und sie beschützt – und zwar „Schutz“ nicht in dem Sinne, wie Verteidigungsminister Pistorius das meint, und auch nicht im Sinne einer Stationierung von weitreichenden gegen Russland gerichteten US-Raketen in Deutschland. Denn das ist möglicherweise das Gegenteil von Schutz – und unbezahlbar ist die geplante deutsche Aufrüstung noch dazu. Es wird also hier eine Politik gefordert, die Waffenstillstand, Entspannung und Handel fördert und die dann (dieser Politik entsprechend!) auch eine positivere Meinungsmache nach sich zieht. Wichtig ist auch die gleichzeitige Aufarbeitung der Corona-Politik und die Versicherung, dass die Hoffnung berechtigt ist, dass sich eine auf unseriösen Daten beruhende, übergriffige Politik nicht wiederholt.
Zur oft wiederholten Behauptung mancher Politiker oder Journalisten, der aktuelle Unmut gegenüber der Bundesregierung beruhe nur auf Gefühlen, den Leuten gehe es doch eigentlich noch viel zu gut, sagt der Soziologe Rosa:
„Wenn wir wissen wollen, wie es den Menschen geht, dürfen wir nicht fragen, was sie haben, sondern, wohin sie gehen. Menschen nehmen ihr Leben als Bewegung wahr. Und da gibt es derzeit die Wahrnehmung einer Bewegung auf eine einzige dunkle Wand aus Kriegen, Seuchen und Klimakatastrophen zu.“
Panisch einerseits – leichtfertig andererseits
Die aktuelle Konfrontation und die vorsätzliche Ausweitung eines Regionalkonfliktes um Donbas und Krim zum internationalen Großkonflikt bergen potenziell große Gefahren – bis hin zum Weltkrieg. Es bildet sich darum ein schriller Kontrast in der offiziellen Kommunikation: zwischen dem verantwortungslos-leichtfertigen Herunterspielen dieser realen Gefahren einerseits und der Härte, mit der andererseits in der offiziellen Kriegsrhetorik und in weiteren apokalyptischen Szenarien gearbeitet wird.
Die Härte in der offiziellen Kommunikation hat nichts damit zu tun, dass sich Politiker und Journalisten nun endlich „ehrlich machen“ würden. So, wie früher möglicherweise falsche Heilsversprechen die Bürger besser „funktionieren“ ließen, so kann auch die heutige Botschaft der Hoffnungslosigkeit Widerstand lähmen. Heilsversprechen haben offenbar vorerst ausgedient. Die destruktive Atmosphäre einer tiefen Hoffnungslosigkeit wird vorsätzlich erzeugt.
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