Ein angeblich in fünf Jahren möglicher Angriff Russlands auf die NATO soll die Bürger ängstigen und auf die neue Kriegsrethorik einstimmen. Trotz der zahlreichen Industrieanlagen, die mit umweltgefährdender Technologie und gefährlichen Stoffen – darunter hochgiftigen Chemikalien und Atomanlagen – arbeiten, verweigern sich viele europäische Politiker diplomatischer De-Eskalation und der Einhaltung internationaler Verträge zur gemeinsamen und gegenseitigen Sicherheit – unter Einschluss auch Russlands. Sie „übernehmen“ damit eine Verantwortung für ein Risiko, von dem niemand berechtigt ist, es einzugehen. Von Bernhard Trautvetter.
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Unter der Überschrift »Sie meinen es todernst« berichtet t-online.de am 13. Juli:
„Kein Zweifel, die Mehrzahl der NATO-Chefs meint es sehr ernst. … Vertreter der Allianz halten einen russischen Angriff auf das Bündnisgebiet in fünf Jahren für … wahrscheinlich.“
Alleine angesichts der erdrückenden quantitativen und qualitativen Überlegenheit der NATO betrachten das Kritiker als Angstmache zur Legitimierung der NATO-Auf- und Atom-Rüstung sowie der Spannungseskalation im Zusammenhang mit der NATO-Ost-Expansion.
Alleine die vielen umweltgefährdenden Industrieanlagen in Europa gefährden im Konfliktfall das Leben. Sie zwingen zu einer diplomatischen Politik im Sinne der Charta von Paris der OSZE-Staaten und der USA. Zitat:
„Sicherheit ist unteilbar, und die Sicherheit jedes Teilnehmerstaates ist untrennbar mit der aller anderen verbunden. Wir verpflichten uns daher, bei der Festigung von Vertrauen und Sicherheit untereinander sowie bei der Förderung der Rüstungskontrolle und Abrüstung zusammenzuarbeiten. … In diesem Zusammenhang bekennen wir uns zum Recht der Staaten, ihre sicherheitspolitischen Dispositionen frei zu treffen.“
Die NATO-Ostexpansion brach und bricht mit diesem Zusammenhang und ist insofern illegal. Sie ist laut NATO-Generalsekretär Stoltenberg der Grund für den Krieg in Osteuropa:
„Der Hintergrund war, dass Präsident Putin im Herbst 2021 … einen Vertragsentwurf schickte, den die NATO unterzeichnen sollte, um zu versprechen, dass es zu keiner weiteren NATO-Ausdehnung kommen werde. … Und das war eine Vorbedingung dafür, nicht in die Ukraine einzumarschieren. … Das haben wir abgelehnt. Also zog er in den Krieg, um die NATO, um mehr NATO, in der Nähe seiner Grenzen zu verhindern.“ (Übersetzung: B.T.)
Dieser von der NATO-Propaganda ausgeblendete Zusammenhang ist der Hintergrund auch für die klimaschädliche Hochrüstung der NATO-Staaten, die auch Lücken in der Sozial-, Bildungs-, Gesundheits- und Infrastrukturpolitik in den NATO-Staaten reißt.
Die Politik des Mentalitätswechsels hin zu einer sogenannten Kriegstüchtigkeit, die gegen das Friedensgebot der Verfassung steht, generiert zudem Risiken, die einzugehen niemand das Recht hat. Die politische Führung unseres Landes erweist sich hierbei als unverantwortlich blind gegenüber den Gefahren, die von ihrer Militärpolitik für Mensch und Natur ausgeht: Trotz der zahlreichen Industrieanlagen, die mit umweltgefährdender Technologie und gefährlichen Stoffen, darunter hochgiftigen Chemikalien und Atomanlagen, arbeiten, verweigern sie sich diplomatischer De-Eskalation und der Einhaltung internationaler Verträge zur gemeinsamen und gegenseitigen Sicherheit unter Einschluss auch Russlands. Sie lassen die Bundeswehr und NATO Szenarien durchspielen, die an einen Landkrieg in der vorindustriellen Zeit erinnern: Unter der Überschrift „Autobahnen und Gefangenenlager „Operationsplan Deutschland“: Diese Autobahn ist im Visier“ schrieb t-online:
„Welche Wege fahren Panzer, wenn es zum Krieg mit Russland kommen sollte? Das prüft die Bundesregierung in einem geheimen Bericht. … Im Rahmen des ›Operationsplan Deutschland‹ (OPLAN DEU) sollen … die militärischen und zivilen Anteile einer effektiven Landes- und Bündnisverteidigung in einem Gesamtplan zusammengeführt werden. Er legt fest, welche Wege und Brücken für den Transport genutzt und wo Rastplätze zur Verfügung stehen und wie diese geschützt werden können. … Während der Durchreise muss …auch für die Versorgung und Unterbringung der Truppen gesorgt werden. Dafür werden Großküchen, Feldbetten, Zelte und Treibstoff benötigt. Dazu kommen Vorbereitungen des THW für Störaktionen und Aufräumarbeiten auf Verkehrswegen.
Konkreter könnte das wie folgt aussehen: Alle 300 bis 500 Meter müssen die Konvois die Möglichkeit haben, zu stoppen. Ausweichrouten und Flächen an Flüssen für Behelfsbrücken müssen ebenfalls ausgemacht werden, sollten Straßen und Brücken nicht mehr intakt sein. Auch Pläne für ein Kriegsgefangenenlager soll es für den Fall bereits geben.“
Die verantwortlichen Politiker/innen und Militärs erweisen sich als unfähig, Schaden für die Menschen abzuwenden, denn auf keinem Kontinent der Welt gibt es so viele Kernreaktoren wie in Europa:
„Es ist also nicht verwunderlich, dass Deutschland, selbst wenn hier keine Atomkraftwerke mehr in Betrieb sind, nicht vor einem nuklearen Unfall sicher ist. In Polen, in Frankreich und in den osteuropäischen Staaten werden alte Kernkraftwerke betrieben und der Bau neuer geplant. So erwägt Polen etwa den Neubau eines AKWs in der Nähe von Danzig. In Tschechien, der Slowakei und in Ungarn stehen alte Kernkraftwerke, die noch aus Sowjetzeiten stammen und sehr anfällig für Störungen sind. In der Ukraine und auch in Russland um St. Petersburg gibt es die größten und auch die unsichersten Atomkraftwerke Europas. Und bei unserem französischen Nachbarn liegen 14 Kraftwerke wie an einer Perlenschnur aufgereiht im Rhonetal.“
Neben den nuklearen lauern auch konventionelle Gefahren:
„In Deutschland gibt es rund 3.800 Anlagen, die unter die Störfallverordnung fallen, zum Beispiel Chemiefabriken oder Lager für gefährliche Stoffe. Zur Information der Öffentlichkeit werden Angaben zu diesen Betrieben in einer europäischen Datenbank vorgehalten, etwa zum Betreiber und zu Standort und Art der Anlage. Die Datenbank wurde zum Ende des Jahres 2021 aktualisiert.“
Der Amtseid der Bundesregierung beinhaltet die Aufgabe, Schaden von den Menschen abzuwenden. Und sie verkaufen ihre brandgefährliche Politik als Sicherheitspolitik. Sicherheit gibt es in unserer Zeit nicht gegen einen Staat, schon gar nicht gegen eine Atommacht. Die Regierungen der NATO-Staaten betreiben eine Politik gegen die Menschen in ihren Staaten. Die Friedensbewegung wird darauf mit Herbstaktionen und dem Antikriegstag reagieren.
Titelbild: Collagery / Shutterstock