Der CDU-Politiker Armin Laschet betont in der Sendung „Der Sonntags-Stammtisch“ des Bayerischen Rundfunks (BR), es müsse im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine erlaubt sein, Friedensverhandlungen zu fordern. Die Journalistin Anja Kohl entgegnet ihm, dann könne er auch gleich sagen, die Erde sei eine Scheibe. Hört sich das absurd an? Ja, aber so war das. Das ist das Niveau, das der öffentlich-rechtliche Rundfunk den Gebührenzahlern bietet. Unwissen und Stumpfsinn dürfen auf einem milliardenschweren Boden einen Paarungstanz aufführen. Ergebnis: Friedensverhandlungen sind doof. Und bitte keine unliebsamen Meinungen. Nordkorea: guten Tag! Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
Ob Denker ohne Gedanken, ob in Stahlbeton gegossene Ideologie, ob Überzeugung ohne Unterbau oder Propaganda mit Ansage: Seit Langem liefert der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Schreckensbild ab. Journalistisch in weiten Teilen entkernt, fungiert er als Planierraupe für die „richtige“ Weltanschauung – die, wer hätte es erwartet (?!), freilich auf bemerkenswerte Weise mit handfesten politischen Interessen im Einklang steht. Dieser ÖRR lädt also zum Stammtisch ein. Mit dabei unter anderem: Armin Laschet und die Fernsehmoderatorin und „Stammgästin“ Anja Kohl.
Laschet sagt: „Man darf sagen: Ich will Friedensverhandlungen jetzt!“ Darauf reagiert Anja Kohl mit den Worten: „Ja, man kann auch sagen, die Erde ist eine Scheibe.” Wer es nicht glaubt, dass sich das so abgespielt hat, kann es sich anschauen. Vielleicht sollte man an dieser Stelle einen Warnhinweis aussprechen: „Das Video ist nur für Zuschauer geeignet, die einen offenen Sinn- und Wirklichkeitsbruch betrachten können.“ Denn ja, das mutet der öffentlich-rechtliche Rundfunk dem Publikum zu.
Der Öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einige Probleme. Eins davon ist Anja Kohl. pic.twitter.com/p78cYGrvZR
— Nurder Koch (@NurderK) July 14, 2024
Kohl redet sich um Kopf und Kragen: zunächst ruhig, dann mit zunehmender Aufgeregtheit darüber, dass Laschet – wohlgemerkt als CDU-Politiker – Sahra Wagenknecht verteidigt. Laschet kritisiert das Schweigen der Friedensbewegung, er moniert das Diskussionsklima im Land und prangert an, dass „die andere Meinung“ immer wieder völlig „diskreditiert“ werde – wie etwa, wenn Wagenknecht zu Illner eingeladen wird. Was Wagenknecht sage, sei „oft nicht pazifistisch, sondern falsch“, entgegnet Kohl. Ehe sich der Zuschauer versieht, will Kohl die Runde darüber belehren, dass Wagenknecht keine Meinung, sondern „falsche Fakten“ verbreite. Beleg: Die BSW-Politikerin habe im Bundestag „nicht die AfD“, sondern Die Grünen als „Staatsfeind Nr. 1“ bezeichnet. Und dann? Bahnen sich gewisse, nun: Machtgelüste ihren Weg: „Dann hätte ich die in keine Talkshow mehr eingeladen“, sagt Kohl.
Kurzum: Wer eine wohl aus Kohls Sicht nicht zu ertragende politische Ansicht vertritt, soll von den großen Diskussionsbühnen der Öffentlich-Rechtlichen verbannt werden. Demokratieverständnis? Nordkorea, guten Tag!
Was die Staatsfeind-Nummer-1-Aussage angeht, muss man Kohl wohl sagen: In einer Demokratie hätte jeder das grundgesetzlich garantierte Recht, frei zu sagen, wen er als Staatsfeind Nr. 1 betrachtet. Doch dieses Zitat ist nie gefallen. Richtig ist vielmehr, dass Wagenknecht die Grünen im letzten Jahr als „die gefährlichste Partei im Bundestag“ bezeichnet und das auch begründet hat. Das muss man sicherlich nicht so sehen, kann es aber so sehen. Das nennt sich dann Meinungsfreiheit, und die ist in Deutschland immer noch durch das Grundgesetz garantiert. Das Fälschen von Zitaten könnte man jedoch auch als das Verbreiten „falscher Fakten“ bezeichnen – Kohl macht also das, was sie Wagenknecht so aufgeregt vorwirft.
Doch damit nicht genug. Kohl redet sich heiß. Laut der Journalistin soll Wagenknecht in Bezug auf den Ukraine-Krieg gesagt haben: „Russland hat Interessen, die Ukraine hat Interessen – man weiß nicht so genau, wer hier wen überfallen hat. Falsche Fakten!“ Der Zuschauer stellt sich die Frage: Was soll ein „falscher Fakt“ daran sein, dass sowohl Russland als auch die Ukraine Interessen haben? Wenn jemand bei der Erfassung der Realität schon an dieser Stelle scheitert, braucht man wohl erst gar nicht zu erwähnen, dass nicht nur Russland und die Ukraine Interessen haben, sondern auch noch die USA, die NATO, der Westen – von Geostrategie und Tiefenpolitik ganz zu schweigen. Davon abgesehen: Wagenknecht soll gesagt haben, sie wisse nicht, wer wen überfallen hat? Hat Frau Kohl dafür einen Beleg und nicht nur eine vielleicht aus dem Kontext gerissene, bis zur Unkenntlichkeit und zur Verkehrung ins Gegenteil paraphrasierte Aussage? Auch hier wieder: falsche Fakten, nicht von Wagenknecht, sondern von Kohl.
Von einer Sendung, die „Stammtisch“ heißt, darf ein gewisser Grad an Dampfplauderei erwartet werden. Nach dem ein oder anderen Weizen überschlägt sich die Zunge nun mal, nur: Ein ÖRR hält doch selbst ständig seine Qualitätsansprüche hoch. Eine Sendung mit Namen Stammtisch sollte eher ein spielerisches, mit einem Augenzwinkern versehenes, aber dennoch ein gewisses intellektuelles Niveau nicht unterschreitendes Format sein. Für das, was jeder Zuschauer für den Preis eines Biers in der Kneipe um die Ecke betrachten kann, braucht es keine Milliarden.
Und so darf das Publikum bewundern, dass sich Frau Kohl in Anbetracht von hunderttausenden Toten, Verstümmelten, Traumatisierten darüber empört, dass mit einem, wie sie Putin bezeichnet, „Kriegsverbrecher“ verhandelt werden soll. Ein Krieg – das sollte eine Journalistin und Moderatorin im Alter von 53 Jahren wissen – ist keine Hüpfburg, kein Ponyhof und auch kein Sandkasten. Jeder Mensch, der wenigstens emotional begreift, was in der Ukraine passiert, will nur eins: dass das gegenseitige Abschlachten sofort aufhört – selbst wenn man hierzu mit dem Teufel persönlich verhandeln müsste. Mit dieser einfachen Erkenntnis ist der „Sonntags-Stammtisch” des BR überfordert.
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Titelbild: Screenshot BR