Aus Zeugenaussagen in einem derzeit laufenden Parlamentarischen Untersuchungsausschuss in Mecklenburg-Vorpommern geht hervor, dass Mitarbeiter von US-Geheimdiensten direkt in dem nördlichen Bundesland agierten, um die Fertigstellung von Nord Stream 2 mit geheimdienstlichen Mitteln zu verhindern. Der Obmann der dortigen SPD-Fraktion, Thomas Krüger, belegte dies anhand von konkreten Beispielen. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, wie die Bundesregierung diese belegte Einmischung von US-Geheimdiensten in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik Deutschland, namentlich die Planung und Organisation der Energieinfrastruktur, bewertet. Von Florian Warweg.
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Statt russische deckt Untersuchungsausschuss versehentlich US-Einflussoperationen auf
Am 28. Juni 2024 hatte der laufende Untersuchungsausschuss des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern zur Aufarbeitung der Anfang 2021 von der damaligen Landesregierung ins Leben gerufenen Stiftung Klima- und Umweltschutz (SKU) mehrere Vertreter von Umweltinstitutionen in Mecklenburg-Vorpommern befragt. Die SKU war gegründet worden, um den Bau von Nord Stream 2 trotz (völkerrechtswidriger) US-Sanktionen fertigzustellen. Bei der Befragung waren brisante Details zum Agieren von US-Geheimdiensten zur Verhinderung der Erdgas-Pipeline ans Licht gekommen. So erklärte der Obmann der SPD-Fraktion, Thomas Krüger, im Anschluss an diese Sitzung:
„Beiden Zeugen haben heute ausgesagt, dass sich Vertreter US-amerikanischer Geheimdienste bei Umweltverbänden in Mecklenburg-Vorpommern offensiv für eine Verhinderung von Nord Stream 2 einsetzten und ihre Unterstützung anboten. Ein Vertreter der Geheimdienste habe sich auch mit einem Zeugen direkt vor Ort getroffen und seinen Einsatz u.a. mit US-amerikanischen Interessen begründet.“
Diese Entwicklung ist nicht ganz frei von Ironie. Denn ursprünglich war der Untersuchungsausschuss von den Oppositionsparteien CDU, Grünen und FDP ins Leben gerufen worden, um die „Rolle der Landesregierung und der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV bei der Fertigstellung der Pipeline Nord Stream 2“ und Verbindungen der Stiftung zu Russland unter die Lupe zu nehmen:
Doch statt wie wohl von der schwarz-grün-gelben Opposition gehofft, Verbindungen zur russischen Auslandsspionage wie GRU oder SWR (Dienst für Außenaufklärung) aufzudecken, hat der seit dem 17. Juni 2022 tagende Untersuchungsausschuss jetzt mutmaßliche NSA- und CIA-Aktivitäten ans Licht gebracht. Und die haben es in sich. Denn nicht nur haben US-Geheimdienste versucht, siehe die zuvor zitierten Darlegungen des SPD-Obmanns, Einfluss auf deutsche Umweltverbände zu nehmen, sondern auch auf die zuständige Genehmigungsbehörde für die Erdgasleitung, das Bergamt Stralsund. Wie der Nordkurier berichtet, habe der Chef der Naturschutzstiftung Deutsche Ostsee in derselben Sitzung ausgesagt, ein US-Amerikaner, der sich als Vertreter des US-Energieministeriums ausgegeben hätte, sei auf ihn zugekommen und habe gefragt, was er gegen den Bau der Pipeline unternehmen würde.
Der Zeugenaussage nach soll derselbe US-Amerikaner auch in anderen Staaten versucht haben, Widerstand gegen Nord Stream 2 zu organisieren, und sei in der zuständigen Genehmigungsbehörde für die Erdgasleitung „ein und aus gegangen“.
Die fragwürdige Haltung der Bundesregierung
Es ist mehr als bezeichnend, dass weder die Vize-Regierungssprecherin noch der Vertreter des Auswärtigen Amtes von den Aufdeckungen des Untersuchungsausschusses zur beschriebenen Rolle von US-Agenten Kenntnis hatten. Ebenso bezeichnend erscheint es, dass beide Regierungsvertreter in dieser versuchten massiven Einflussnahme auf die Organisation und Planung der zivilen Energieinfrastruktur der Bundesrepublik keine Einmischung in innere Angelegenheiten erkennen wollen. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie anders die Reaktion auf der BPK und auch in der medialen Berichterstattung (bisher berichteten nur Nordkurier und Berliner Zeitung) ausgefallen wäre, wenn ein ähnliches Vorgehen nicht von US-, sondern von russischen oder chinesischen Geheimdiensten aufgedeckt worden wäre …
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 10. Juli 2024:
Frage Warweg
Aus Zeugenaussagen im derzeit laufenden Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Klimaschutzstiftung geht hervor, dass Mitarbeiter von US-Geheimdiensten direkt in Mecklenburg-Vorpommern agiert hatten, um die Fertigstellung von Nord Stream 2 zu verhindern. Die US-Geheimdienst-Mitarbeiter seien laut dem Obmann der SPD-Fraktion, Thomas Krüger, unter anderem in der Genehmigungsbehörde für die Erdgasleitung – das ist das Bergamt Stralsund – ein- und ausgegangen und hätten entsprechend Druck ausgeübt. Da würde mich interessieren: Wie bewertet die Bundesregierung diese nun belegte Einflussnahme des US-Geheimdienstes in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik, namentlich die Planung der Energieinfrastruktur?
Vize-Regierungssprecherin Hoffmann
Ich mache mir Ihre Äußerungen hier ausdrücklich nicht zu eigen und verweise darauf, dass die Ermittlungen zu Nord Stream von der zuständigen Bundesanwaltschaft geführt werden. An die sind auch bitte Fragen zu richten.
Zusatz Warweg
Entschuldigung, das war jetzt komplett am Thema vorbei! Wir sprechen hier von der Einflussnahme von US-Agenten auf den Genehmigungsprozess von Nord Stream 2. Das habe ich, glaube ich, auch so deutlich gemacht. Das hat null mit dem Generalbundesanwalt zu tun. Es geht darum, dass dieser Parlamentarische Untersuchungsausschuss jetzt zu dem Schluss gekommen ist, dass Agenten von diversen US-Geheimdiensten vor Inbetriebnahme Einfluss auf den Genehmigungsprozess genommen haben.
Hoffmann
Aber Sie beziehen sich hier auf Presseberichte, die ich nicht kommentiere.
Zusatzfrage Warweg
Aber es sind keine Presseberichte. Das ist der Parlamentarische Untersuchungsausschuss. Da würde ich zumindest gerne wissen – wenn nicht vom BPA, dann vom Auswärtigen Amt -, ob diese Art der Einflussnahme durch einen ausländischen Geheimdienst als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik gewertet wird.
Wagner (AA)
Ich habe dem, was die stellvertretende Regierungssprecherin eben gesagt hat, nicht viel hinzuzufügen. Herr Warweg, wenn ich mir Ihre Frage anhöre und mich noch einmal daran erinnere, wie damals die Debatte um Nord Stream war, gab es, glaube ich, a) kein Geheimnis darum, wie die US-Regierung zu diesem Projekt stand, und b) ist das Projekt ja realisiert worden. Insofern verstehe ich nicht ganz die Stoßrichtung Ihrer Frage und was Sie damit implizieren.
Zusatz Warweg
Ob das genehmigt wurde oder nicht, spielt ja jetzt überhaupt keine Rolle. Es geht darum, dass ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zu dem Schluss gekommen ist – –
Hoffmann (falsche Zuordnung durch Protokollführer, korrekt ist: Vorsitzende Buschow; F.W.)
Herr Warweg, ich werde nicht müde, immer wieder zu sagen: Es ist schwierig, wenn wir hier in Diskussionen verfallen. Ich bitte, so etwas bilateral zu machen.
Zusatz Warweg
Das ist ja keine Diskussion.
Hoffmann (hier ebenfalls korrekterweise: Vorsitzende Buschow; F.W.)
Sie können gerne eine Frage stellen. Aber das fing jetzt eher wieder wie eine längere Ausführung an. Stellen Sie also gerne eine Frage.
Zusatzfrage Warweg
Ja, weil es hier eine Unterstellung gab. Die wird von der anderen Seite ja auch getätigt. Darauf darf man, denke ich, adäquat antworten.
Aber um das noch einmal klarzumachen: Die jetzt herausgekommene versuchte Einflussnahme von US-Agenten auf den Genehmigungsprozess wird von der Bundesregierung nicht als Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik gewertet?
Wagner (AA)
Ich weiß nicht, auf was Sie sich beziehen. Ich kenne diese Berichte und diese Aussagen nicht. Insofern fällt es mir schwer, die hier zu kommentieren. Aber ich sage Ihnen noch einmal: Ich glaube, die Haltung der US-Regierung zu dem Projekt ist damals, jedenfalls nach meiner Erinnerung, sehr klar gewesen. Deshalb sehe ich da jetzt auch keine Einmischung.
Zusatz Warweg
Und das rechtfertigt den Einsatz von Geheimdienstmitarbeitern auf zivile – –
Wagner (AA)
Das ist ja Ihre Unterstellung, Herr Warweg. Dazu kann ich nichts sagen.
Zuruf Warweg
Nein, das ist das Ergebnis des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses! Das sollten Sie doch wissen!
Vorsitzende Buschow
Herr Warweg, ich beende jetzt tatsächlich die Diskussion, weil es offensichtlich ein Missverständnis zu geben scheint, dass Sie etwas wissen wollen, was nicht bekannt ist. Ich glaube, das führt an der Stelle jetzt nicht weiter.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 10.07.2024