Das Thema brennt eigentlich unter den Nägeln. Die postfaschistische Partei Fratelli d’Italia unter Meloni ist bei den EU-Wahlen die stärkste politische Kraft geworden. Die Nachfolgepartei des faschistischen Front National, das Rassemblement national (RN), hat dies auch in Frankreich geschafft, und die AfD in Deutschland folgt diesem Trend. Bevor man bestimmen kann, was man dagegen tun müsste, muss man die folgenden Fragen beantworten: Sind die postfaschistischen Parteien so stark geworden, weil man sich nicht entschieden genug gegen sie gestellt hat? Oder liegt deren Erfolg daran, dass die etablierten Parteien mit reaktionärer, kriegstauglicher und vaterländischer Politik die Tür zur Staatsmacht für sie aufmachen? Von Wolf Wetzel.
„Frieden braucht Verteidigung“ 2024
„Frieden“ 2024
„Europas Freiheit verteidigen“ 2024
„Krieg ist Frieden“ 1984
Wenn Sie nicht mehr wissen, welche Partei was zur Europawahl gesagt hat, dann verstehen Sie, warum es so viel Krieg gibt, so viel Unterstützung für einen Genozid, so viel Bereitschaft, Kriegsverbrechen zu decken und vorzubereiten.
Wer schafft mit Ausnahmezuständen (wie im Corona-Fall) und wachsender Repression gegen diese antidemokratischen Entwicklungen die Demokratie Zug um Zug ab? Werden die demokratischen Errungenschaften (Rede-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit) von (rechts/links) außen außer Kraft gesetzt oder von innen, aus den Zentren der Macht heraus, die kaum noch politische Legitimität besitzen? Ist die „Brandmauer gegen rechts“, die die Ampelisten und ihre zivilgesellschaftlichen Arme ausgerufen haben, kein guter Schutz, sondern eine absichtsvolle Irreführung, um von der eigenen rechten Politik abzulenken?
Ist also die AfD wirklich das eigentliche Problem und nicht das Symptom? Ist die Entwicklung in den letzten Jahren, die vom Ausnahmezustand in den Kriegsmodus übergeht, mit den 1930er-Jahren in Deutschland vergleichbar, als man der NSDAP in allen politischen Bereichen „entgegenkam“, bis man sich selbst lächerlich und überflüssig gemacht hatte?
Ich habe das Buch „Der Anti-Antifaschismus. Antifa, angebliche Nazis, rechtsoffener Staat und geheimdienstliche Neonazi-Verbrechen“ auf genau diesem Hintergrund geschrieben – ohne zu ahnen, in welcher Geschwindigkeit sich diese Entwicklung zuspitzt.
In Frankreich findet heute aufgrund der rasant schwindenden politischen Legitimität des Macronismus die zweite Runde der Neuwahlen statt. Das RN steht dabei mit über 30 Prozent kurz vor der Machtübernahme. Macrons Scheinpartei „Renaissance“ wird keine Rolle spielen. Und als würde die Zeit schnell zurücklaufen, um sich selbst aufzuhalten, ist eine neue „Volksfront“ aus Grünen, Sozialdemokraten, Kommunisten und den Unbeugsamen (La France insoumise) gebildet worden. Mit denen zusammen also den Postfaschismus aufhalten, die ihn zu guten Teilen stark gemacht haben?
Die Zeiten sind wahrlich wirr. 70 Jahre gab es im öffentlich-rechtlichen Deutschland so gut wie keine Nazis – nur Einzeltäter. Jetzt wimmelt es nur noch von Rechtsoffenen bis Halbnazis. Das sagen ausgerechnet jene, die so viel für Krieg und ‚Endsieg‘ übrighaben. Je mehr also vom Kampf gegen „Rechtsextremismus“ geredet wird, desto verschwommener werden die Begrifflichkeiten, die wie Seifenblasen durch den Raum wabern.
Was bedeutet exakt „rechtsoffen“? Was ist mit „Rechtspopulismus“ gemeint? Was ist unter „Rechtsextremismus“ zu verstehen?
Dass die jeweiligen Regierungen an einer exakten Zuordnung kein Interesse haben, ist verständlich und hat einen hohen Selbstschutzfaktor: Würde man genauer werden, müsste man erklären, wie „rechtsoffen“ die aktuelle Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP ist. Oder: Ist der „Rechtspopulismus“ ein Alleinstellungsmerkmal der AfD oder ein parteiübergreifendes Phänomen?
Gleichzeitig rückt die Parteienlandschaft in fast ganz Westeuropa nach rechts, so sehr nach rechts, dass man sich fragen muss, wie weit das von faschistischen „Lösungen“ entfernt ist. Was unterscheidet einen Orbán in Ungarn von einem Macron in Frankreich? Was bedeutet es, wenn in Italien die neofaschistische Partei Fratelli d’Italia bei den Wahlen 2022 gewinnt und nun die Regierung stellt? Deren Credo ist so alt wie der italienische Faschismus: „Gott, Familie und Vaterland“. Sind das alles „demokratische“ Varianten oder die Suche nach einer postfaschistischen Lösung?
Und wie kämpft man dagegen? Dem versucht das Buch nachzugehen.
Ulrich Schneider hat das Buch besprochen. Er ist Bundessprecher der VVN-BdA und Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) – Bund der Antifaschisten. Seine Besprechung ist in doppelter Hinsicht besonders. Zum einen setzt er sich mit einer politischen Position auseinander, die sich nicht im Umfeld der VVN bewegt. Zum anderen berührt Ulrich Schneiders Rezension einen zentralen Punkt in der antifaschistischen Debatte seit gut 50 Jahren: Wie geht man mit den „Lehren“ aus dem deutschen Faschismus um? Lag die schwere Niederlage des Antifaschismus in den 1930er-Jahren daran, dass man zu „radikal“ war? Hätte man damals mit der SPD und den national-bürgerlichen Parteien zusammen gegen die immer stärker werdende NSDAP kämpfen müssen?
Zum anderen steht auch immer die Frage im Raum: Kann man den deutschen Faschismus der 1930er-Jahre mit den faschistischen Tendenzen der Jetztzeit vergleichen? Welche Rolle spielt dabei die AfD, und wie und mit wem stellt man sich dem entgegen? Ich bin mir sehr sicher, dass diese Fragen heute mehr denn je unter den Nägeln brennen. Dazu gehört auch eine Diskussion darüber, worauf das politische System hinsteuert. Ist es eine kriegstaugliche Demokratie? Ist es ein totalitärer Staat oder gar ein faschistisches Rollback?
Das besprochene Buch bewegt sich in diesem Spannungsfeld, und darauf kommt auch Ulrich Schneider zu sprechen. Zuerst seine Rezension:
„Wolf Wetzel ist durch zahlreiche Veröffentlichungen, in denen er sich mit neofaschistischer Gewalt wie dem Münchener Oktoberfestattentat oder dem NSU-Komplex beschäftigte und gleichermaßen die Rolle des Staates und seiner Sicherheitsorgane, insbesondere der Geheimdienste kritisch unter die Lupe nahm, hinreichend bekannt. In seinem jüngsten Band versucht er sich an einem Rundumschlag, beginnend mit der Kontroverse um die Coronamaßnahmen über die Rolle der Geheimdienste im Zusammenhang mit den Neonaziverbrechen, um abschließend Überlegungen zur antifaschistischen Praxis zu formulieren.
Wetzel ist kein Beobachter, der mit ‚guten Ratschlägen‘ die Bewegungen kritisiert, sondern teilnehmender Aktivist, der für seine Polemik – auch gegen frühere Mitstreiter – bekannt ist. So kritisiert er in dem Band antifaschistische Strukturen als blauäugig und in Bezug auf staatliches Handeln mit Illusionen behaftet, und jene, die in der Coronadebatte eine regierungsnahe Haltung an den Tag legten, begreift er als Teil des staatlichen Narrativs. Zwar stellt er in der Polemik gegen das ‚Hamburger Bündnis gegen rechts‘ durchaus berechtigte Fragen, geht jedoch selbst zu wenig kritisch mit den bürgerlichen Protesten gegen die Coronamaßnahmen um, die zwar individuelle Freiräume reklamierten, aber keine gesellschaftlichen Lösungen boten.
In den Kapiteln NSU-Komplex, Oktoberfestattentat und ‚Stay behind‘ gelingt es Wetzel, an diesen Themen die politische Beziehungsnähe von staatlichen Einrichtungen und faschistischem Terror sichtbar zu machen. Zu Recht verwirft er die staatlichen ‚Einzeltäter‘-Thesen und leitet daraus ab, dass weder ‚Verfassungsschutz‘ noch die Bundesregierung gute Ratgeber in Sachen Antifaschismus seien.
Kontrovers dürften seine Überlegungen für die Gegenwart sein. In dem Kapitel ‚Die Angst des Antifaschismus vor seiner eigenen Idee‘ kritisiert er die autonome antifaschistische Bewegung, die es nicht vermocht habe, einen eigenen politischen Ansatz gegen die rassistischen Übergriffe in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen – um nur die vier Symbolorte zu nennen – zu entwickeln. Dem ‚antideutschen‘ Spektrum bescheinigt er, fast völlig untergetaucht zu sein, während andere Teile der Antifa keinen tragfähigen gesellschaftskritischen Ansatz entwickelt hätten.
In seinem Schlusskapitel fragt er, auf welchem Weg sich die antifaschistische Bewegung befindet und warum es nur um Symbole und Symbolpolitik geht und nicht um die Frage, wie die Linke den antifaschistischen Widerstand begreift. Mit Blick auf die historischen Erfahrungen der Weimarer Republik konstatiert er, dass die Herrschenden sich aktuell keine ‚Kettenhunde‘ zur Sicherung ihrer Machtinteressen halten müssten. Er verkennt jedoch aus der Sicht des Rezensenten die Funktion der AfD, wenn er lapidar bemerkt, dass man die von dieser Partei ausgehende Gefahr als ‚halbwegs gering‘ einschätzen könne. Und so ist dieser Band zwar anregend, und Wetzel stellt oft richtige Fragen, kann aber nur im Ansatz überzeugen.“
Ich möchte Ulrich Schneider erst einmal für seine Überlegungen, Würdigungen und Einwände danken, denn sie laden zu einer Diskussion. Dabei möchte ausdrücklich in Erinnerung rufen: Als ich zum NSU-VS-Komplex recherchierte, regelmäßig Beiträge vor allem in der Junge Welt und auf den NachDenkSeiten schrieb, zahlreiche Veranstaltungen ab 2013 dazu machte, fiel mir eines besonders auf: „Meine“ politischen Zusammenhänge bzw. Bezugspunkte (wie die Antifaschistische Aktion in Berlin/AAB) lösten sich auf, während ich recht viele Anfragen aus VVN-Zusammenhängen bekam. Das berührte mich, denn es gab politische Differenzen, die kein Geheimnis waren. Dennoch war der gemeinsame (kleine) Nenner, der Antifaschismus, stärker als die politischen Differenzen – im Hinblick auf die politische Praxis, die man daraus entwickelt.
Abgesehen davon genießen Menschen und politische Zusammenhänge immer meinen großen Respekt, die die Gefahr des Faschismus nicht kleinreden, sondern für bedrohlich und akut halten.
Silencing oder Differenzen als Herausforderung
Normalerweise wird das Silencing bevorzugt, also das Ignorieren. Unterschiedliche Ansichten sichtbar und diskutierbar zu machen, gehört im Augenblick nicht zu den Stärken der „Linken“. Deshalb schätze ich seine Rezension. Dass ich auch meine eigenen (ehemaligen) Weggefährten kritisiere, begreife ich als Lob. Denn genau das sollte uns von den anderen unterscheiden, die „Linientreue“ betonen, wo auch immer die Linie gerade ist.
Deshalb waren wir vor 40, 50 Jahren gegen einen Antifaschismus, der uns nur vor dem noch Schlimmeren schützen will (den Faschismus / später den Islamismus / heute russischen „Imperialismus“). Das brachte uns damals auch Kritik ein, durch die deutlich wurde, wie unterschiedlich Antifaschismus war und ist. Denn auch im Kampf gegen den deutschen Faschismus gab es nicht den einen Antifaschismus, sondern sehr unterschiedliche! Und diese sehr gravierenden Unterschiede wurden (auf tödliche Weise) sichtbar, als der deutsche Faschismus besiegt wurde. Den „Sieg“ haben sehr viele Antifaschisten und Antifaschistinnen mit dem Tod bezahlt, als sie sich nicht damit begnügten, zum Kapitalismus zurückzukehren (Frankreich/Italien/Griechenland).
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil: Noch nie wurde auf so beschämende Weise klar, wie wenig es mit Antifaschismus zu tun hat, wenn man mit der Regierung gegen „rechts“ demonstriert – wie nach dem Compact-Potsdam-Aufreißer.
Diese Haltung ist übrigens ganz und gar nicht neu. Die autonome L.U.P.U. S.-Gruppe wollte keine machtpolitisch bestimmte Linientreue, sondern „Treue“ zu den Gedanken, zur grundsätzlichen Kritik an Kapitalismus, Faschismus … und Herrschaft. Das schloss immer auch die Kritik an der „guten“ Herrschaft ein, wodurch man automatisch in Konflikt zu Genossen und Genossinnen gerät, die das nicht teilten.
Ich bereue diese Haltung nicht. Sie ist essenziell und die Grundlage dafür, darüber öffentlich und umgänglich zu streiten. Der letzte Absatz von Ulrich Schneider ist dafür ein wichtiges und prägnantes Beispiel. Er schreibt:
„Mit Blick auf die historischen Erfahrungen der Weimarer Republik konstatiert er, dass die Herrschenden sich aktuell keine ‚Kettenhunde‘ zur Sicherung ihrer Machtinteressen halten müssten. Er verkennt jedoch aus der Sicht des Rezensenten die Funktion der AfD, wenn er lapidar bemerkt, dass man die von dieser Partei ausgehende Gefahr als ‚halbwegs gering‘ einschätzen könne.“
Die AfD – in den Fußstapfen der NSDAP?
Hier geht es in der Tat ums Ganze, und das ist seit Jahrzehnten ein sehr wichtiger, nötiger Streitpunkt. Wir haben in den 1970er-Jahren, aber auch in den 1990er-Jahren die größte Gefahr nicht in den Neonazis gesehen, die es damals gab und heute gibt. Für uns war und ist entscheidend, wer ihnen den Weg bereitet. Die Gefahr des Faschismus kommt eben nicht von „rechtsaußen“, sondern von rechtsinnen, indem man sie – gegen den damals recht starken Antifaschismus und gegen die recht starke autonome Linke – einsetzt. Das bezeichnete man in den 1930er-Jahren als „Systemreserve“ in der Funktion von „Kettenhunden“. Man hält sie – die Nazis – an der Leine, man lässt sie (auf die Linke/auf Kommunisten/Anarchisten) los, wenn man zu extra-legaler Gewalt greifen will/muss.
Doch genau dieses Modell „Kettenhunde“ scheiterte. Denn, und das blenden viele heute in der Debatte aus: Damals wollte man die Nazis, die NSDAP an der Leine halten, also Herr des Geschehens bleiben. Aber genau das ging in die Hose. Denn die Hunde bissen sich von der Leine los und bissen auch manchen Hundehalter. Sowohl die spöttische Haltung vieler bürgerlicher Parteien, die NSDAP werde sich blamieren, wenn sie (mit-)regieren muss, erwies sich als fataler Trugschluss. Aber auch jene, die glaubten, man könne sie steuern und bei passender Gelegenheit loswerden, verschätzten sich gewaltig.
Das war sicherlich auch ein zentraler Grund, in den 1970er- und 1980er-Jahren die NPD ins Zentrum des Antifaschismus zu rücken. Man blockierte ihre Parteitage, man verhinderte deren Aufmärsche, und nicht wenige forderten ein (staatliches) Verbot der NDP. Diese Strategie teilte man mit (Gliederungen) der SPD (und kirchlichen und gewerkschaftlichen Gruppierungen) und wollte damit ein möglichst breites Bündnis schmieden. Bekanntlich bewahrheiteten sich die Befürchtungen nicht. Auch das NPD-Verbotsverfahren scheiterte auf eine blamable Weise. Es waren so viele V-Leute des Verfassungsschutzes in führenden Funktionen der NDP, dass das Gericht nicht darüber befinden wollte, was NPD, was Verfassungsschutz ist.
Die Situation seit 2023 mit dem Aufstieg der AfD ist ohne Frage eine andere. Es geht nicht mehr um die „Straße“, sondern um die Institutionen, um parlamentarische, politische Macht. Die angebliche „Brandmauer gegen rechts“ (was schon allein begrifflich eine Verhöhnung des Verstandes ist) fängt bereits jetzt Feuer, wenn die nächsten Landtagswahlen anstehen … und nichts ohne die AfD geht.
Genau das, was wir seit 40 Jahren betonen, ist nun eingetreten: Je mehr die bürgerlichen, demokratischen Parteien ihr eigenes System ruinieren, Grundrechte außer Kraft setzen, mit dem Ausnahmezustand agieren und politische Legitimation mit Repression auffüllen, desto mehr arbeiten sie den Postfaschisten in die Hände, die zu Recht darauf verweisen, dass das System bankrott sei und nur noch als Farce existiere. Darin wiederholen sich die Ereignisse in der Weimarer Republik, die zum Aufstieg der NSDAP und zum Wahlsieg 1933 geradezu einluden.
Doch es gibt noch sehr entscheidende Unterschiede zwischen der „Zeitenwende“ anno 2023 und der Weimarer Republik der 1930er-Jahre: Es gibt keine politische (und schon gar keine parlamentarische) Opposition, die man mit extra-legalen Mitteln beseitigen müsste. Dazu brauchte man damals die NSDAP (einschließlich SA und SS), dazu braucht man die AfD heute (noch) nicht.
Es spricht einiges dafür, dass die bürgerlichen Parteien (einschließlich der SPD und den Grünen) ein totalitäres Regime begünstigen, in dem es nicht auf die AfD ankommt. Im Kern geht es aber – bei allen gewagten Prognosen – um ein sehr zentrales Anliegen: Will ich alles darauf setzen, die gegenwärtige Kriegsregierung zu bekämpfen, oder will ich im vermeintlichen „Kampf gegen rechts“ Stand-by-Regierungspolitik machen, indem wir die AfD „bekämpfen“, um so die Regierung an der Macht zu halten?
Ich bin der festen Überzeugung: Der beste Kampf gegen die AfD ist, die gegenwärtige Regierung zu bekämpfen, indem wir politische Alternativen sichtbar machen, die der AfD zuwider sind, anstatt ihr mit Regierungstalk in die Hände zu arbeiten. Und das bringt uns zum ganz zentralen Problem: Wollen wir einen Antifaschismus, der den Kapitalismus als Genese versteht und begreift, oder einen Antifaschismus, der den Kapitalismus (vor dem noch Schlimmeren) in Schutz nimmt?
Ulrich Schneider hat meine Entgegnung aufgegriffen und ist nochmals auf die vorhandenen Dissense eingegangen. Das hilft hoffentlich, diese Dissense besser auszuleuchten:
„Ich freue mich, dass Du meine kritischen Einwände nicht als Angriff auf Deine Person, sondern als inhaltliche Dissense verstanden hast, so waren sie gemeint und so bin ich es eigentlich gewohnt zu diskutieren. Die von Dir angesprochenen Fragen von Faschismus und Antifaschismus waren am vergangenen Wochenende auch Thema einer Tagung der Marx-Engels-Stiftung in Wuppertal. Sicherlich hätten einige der dort anwesenden Deinen Ausführungen mehr Beifall gezeigt als meinen Thesen, in denen ich meine Einschätzung zur antifaschistischen Strategie – insbesondere gegenüber der AfD – entwickelt habe. (…) Tatsächlich unterscheiden wir uns in unserer Einschätzung dahingehend, dass ich dem Handeln gegen die extreme Rechte einen gesellschaftlich mobilisierenden Stellenwert einräume, nicht nur dem Kampf zur Überwindung kapitalistischer Verhältnisse. Es ist vollkommen unstrittig, dass die früheren und aktuellen Regierungen diejenigen sind, die den Abbau demokratischer Rechte in Gesetzesform umsetzen, und nicht die AfD. Es ist aber auch gleichermaßen deutlich, dass die rassistische, völkische und neoliberale Propaganda der AfD der Feldbereitung dient. Damit ist für mich der Kampf gegen die AfD auch ein Handeln gegen die Spielräume der Rechtsentwicklung der Regierenden.“
Quellen und Hinweise:
- ANTIFASCHISMUS – Nur noch Symbolpolitik. Wolf Wetzels kritische Bestandsaufnahme des zeitgenössischen Antifaschismus, Ulrich Schneider/jW vom 8. April 2024
- Der Anti-Antifaschismus. Antifa, angebliche Nazis, rechtsoffener Staat und geheimdienstliche Neonazi-Verbrechen. Wolf Wetzel, Verlag Hintergrund, Berlin 2023, 120 Seiten, 14,80 Euro