„Wichtiges Signal…“ – Die fragwürdige Begründung für EM-Sonderflüge von Außenministerin Baerbock

„Wichtiges Signal…“ – Die fragwürdige Begründung für EM-Sonderflüge von Außenministerin Baerbock

„Wichtiges Signal…“ – Die fragwürdige Begründung für EM-Sonderflüge von Außenministerin Baerbock

Florian Warweg
Ein Artikel von: Florian Warweg

Weil Außenministerin Annalena Baerbock aus Privatinteresse ein für das Weiterkommen der deutschen Nationalmannschaft irrelevantes Vorrundenspiel anschauen wollte, wurde extra das strenge Nachtflugverbot für Frankfurt aufgehoben und in Kauf genommen, Tausende Menschen aus dem Schlaf zu reißen, zu dem Zeitpunkt wohl vor allem Kinder. Die NachDenkSeiten wollten auf der Bundespressekonferenz wissen, wie das Auswärtige Amt dieses Verhalten rechtfertigt und wieso nicht auf klimafreundlichere und kostengünstigere Verkehrsmittel zurückgegriffen wurde. Die Antworten überzeugen nicht und offenbaren ein hohes Maß an Doppelmoral. Von Florian Warweg.

Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 3. Juli 2024

Frage Warweg

Herr Wagner, es gilt ja mittlerweile als bestätigt, dass die Außenministerin nach ihrem Besuch des Vorrundenspiels gegen die Schweiz das Nachtflugverbot über Frankfurt hat aushebeln lassen, um sich von der Flugbereitschaft der Bundeswehr die 200 Kilometer Luftlinie nach Luxemburg fliegen zu lassen. Begründet wurde das Ganze mit öffentlichem Interesse. Da würde mich interessieren: Wo genau liegt denn in den Augen des Auswärtigen Amtes das öffentliche Interesse daran, dass Frau Baerbock mutmaßlich aus Privatinteresse an einem auch nicht mehr entscheidenden Vorrundenspiel teilnimmt und dafür das Nachtflugverbot in Frankfurt aushebelt?

Die gleiche Frage geht natürlich auch an die Kanzlersprecherin. Deren Chef hatte das ja ebenfalls getan.

Vize-Regierungssprecherin Hoffmann

Ich kann gerne anfangen. – Ein solcher Besuch des Bundeskanzlers bei den Spielen der Nationalmannschaft erfolgt ja aus einem dienstlichen Anlass. Das ist ein Zeichen dafür, dass der Bundeskanzler die Spiele der deutschen Nationalmannschaft und die Europameisterschaft insgesamt als ein europäisches Ereignis wertschätzt, und damit verleiht er seiner Wertschätzung Ausdruck. Deshalb besucht er diese Spiele und muss sich dann natürlich auch dorthin bewegen und von dort wieder wegbewegen.

Wagner (AA)

Ja, das kann ich auch aus meiner Sicht nur unterstreichen. Die EM und der Umstand, wie wir uns hier in Deutschland als Gastgeber gerieren, haben ja nicht unwesentliche Auswirkungen darauf, wie die Welt auf Deutschland schaut und wie Europa auf Deutschland schaut. Insofern ist die Teilnahme von Mitgliedern der Bundesregierung natürlich ein wichtiges Signal – nicht nur dafür, aber eben auch für die Unterstützung der deutschen Mannschaft. Insofern ist es ja auch Usus, dass der Bundespräsident, der Bundeskanzler, die Außenministerin, die Innen- und Sportministerin an Spielen teilnehmen, nicht nur der deutschen Mannschaft, sondern auch von anderen Mannschaften, zumal, wenn vielleicht sogar noch Amtskollegen und -kolleginnen aus dem Ausland an diesen Spielen teilnehmen.

Zu dem von Ihnen angesprochenen ersten Komplex: Ich würde mir Ihre spezifische Wortwahl nicht zu eigen machen. Ich kann vielleicht noch einmal nachskizzieren, wie dieser Sonntag abgelaufen ist. Die Außenministerin ist ja mit dem Bundeskanzler nach Frankfurt geflogen, um eben an diesem Spiel teilzunehmen, und hat ja dann nach dem Spiel eine Reise zum Treffen des Außenrats in Luxemburg angetreten, der ja am nächsten Morgen begann. Dann ging es am Mittag des Montags weiter in den Nahen Osten. Insofern ist das auch kein Aushebeln von Regeln, sondern es hat da eine normale Weiterreise nach Luxemburg im Rahmen des gesetzlich Möglichen und der gesetzlichen Bestimmungen stattgefunden, die die Flugbereitschaft halt umgesetzt hat. Am nächsten Morgen stand, wie gesagt, in Luxemburg das Treffen der Außenministerinnen und Außenminister der EU an, das ja sehr früh begann.

Zusatzfrage Warweg

Es ging konkret um das Nachtflugverbot. Das heißt, die Mitglieder der Bundesregierung haben in Kauf genommen, dass Tausende von Anwohnern – zu der Uhrzeit mutmaßlich Kinder – aus dem Schlaf gerissen wurden. Da würde mich schon interessieren – es gibt ja sicherlich auch alternative Möglichkeiten -, wieso nicht etwa eine Fahrt am nächsten Tag im Auto oder mit einem Sondernachtzug ausgewählt wurde. Das wäre klimafreundlicher gewesen, hätte das Nachtflugverbot nicht ausgehebelt und wäre vermutlich auch entsprechend günstiger gewesen. Eine Flugstunde bei der Flugbereitschaft – korrigieren Sie mich, Herr Collatz – kostet, glaube ich, um die 7000 Euro. Da wären alle anderen Alternativen um Welten günstiger gewesen.

Wagner (AA)

Herr Warweg, es ist grundsätzlich so, dass wir bei Reisen der Außenministerin natürlich immer prüfen, welche die beste Transportmöglichkeit ist. Aber, noch einmal, es war an dem entsprechenden Tag so, dass die Ministerin ja eine Reise angetreten hat, die sie dann nach Luxemburg zum Außenrat und am Mittag des Montags weiter in den Nahen Osten – erst nach Israel und dann in die palästinensischen Gebiete und dann am Dienstag auch in den Libanon – führte. Insofern hätte es diese Flugbewegung ja ohnehin gegeben. Diese Reise war so ausgeplant, wie sie ausgeplant war.

Frage Eckstein (NDR)

Frau Hoffmann, ich habe jetzt im Zuge der Berichterstattung gelernt, dass der Bundeskanzler stets eine zweite Ersatzmaschine dabei haben muss, wenn er irgendwohin fliegt, eine sogenannte „Hot Spare“. Können Sie das einmal ausführen? Gilt das grundsätzlich auch bei Inlandsflügen?

Hoffmann

Da müsste ich Herrn Collatz um das Wort bitten.

Collatz (BMVg)

Tatsächlich ist es so, dass bei besonders hervorgehobenen Terminen von großer Bedeutung und den entsprechenden Persönlichkeiten, die dahinter stehen, die Flugbereitschaft ein zweites Flugzeug bereithält. Das muss nicht unbedingt mitfliegen. Aber damit sichergestellt ist, dass Termine von großer Bedeutung auch wahrgenommen werden können, wird ein sogenannter „Hot Spare“ – das ist richtig – dann auch bereitgehalten. Dazu, ob das jetzt bei der Fußball-Europameisterschaft der Fall ist, liegen mir keine Kenntnisse vor. Das müsste ich recherchieren.

Zusatzfrage Eckstein

Ich hatte gelesen, dass es diese „Hot Spare“-Maschine gewesen sei, die dann Frau Baerbock für den Weiterflug genommen habe. Könnten Sie das nachreichen?

Daran anschließend habe ich vielleicht auch noch die Frage, ob Sie das noch einmal ausführen können. Heißt das, es gilt dann aber auch bei Terminen des Bundeskanzlers im Inland, dass eine solche „Hot Spare“ zur Verfügung gestellt wird?

Collatz (BMVg)

Details würde ich mir jetzt gerne im Paket von der Luftwaffe geben lassen, und dann werde ich das hier im Kreis verteilen.

Frage Warweg

Ich habe es noch nicht ganz verstanden. Sie haben ja jetzt noch einmal sehr detailliert den sehr eng getakteten Terminkalender der Außenministerin skizziert. Da stellt sich natürlich schon die Frage: War es denn wirklich notwendig, dass sie als Außenministerin – sie vertritt ja jetzt im Gegensatz zum Innenministerium auch nicht das Sportressort – nach Frankfurt fährt, um dieses Spiel live zu sehen – das hätte sie ja auch live am Fernseher sehen können -, mit all den Implikationen, die das dann hatte?

Wagner (AA)

Ich glaube schon, dass ich auf Ihre Frage geantwortet habe, aber ich kann es gerne noch einmal wiederholen: Diese Europameisterschaft ist ja ein auch nicht unwesentlicher Faktor dafür, wie die Welt und wie Europa auf Deutschland schauen, und wie wir uns dabei als Gastgeber gerieren, wird aufmerksam registriert. Darüber hinaus ist es natürlich auch ein wichtiges Signal der Unterstützung für die deutsche Mannschaft, dass die Bundesregierung diese Spiele auch wahrnimmt. Dafür gibt es ja auch Ehrenkontingente, die von der UEFA zur Verfügung gestellt werden. Insofern ist das, glaube ich, etwas, das total normal ist, dass der Kanzler und wichtige Mitglieder des Bundeskabinetts an diesen Spielen auch teilnehmen und sie im Stadion verfolgen.

Zusatzfrage Warweg

Vielleicht noch eine grundsätzliche Verständnisfrage: Im Februar 2022 haben Sie, also das AA, verlauten lassen, dass man den CO2-Ausstoß bei Auslandsreisen der Außenministerin möglichst gering halten wollte und verstärkt per Linie fliegen wollte. Könnten Sie ein kleines Zwischenfazit ziehen? Wie oft hat die Außenministerin Linienflüge und wie oft die Sonderflüge der Flugbereitschaft genutzt?

Wagner (AA)

Gerne, Herr Warweg! Ich hatte ja eben schon gesagt, dass wir uns bei jeder Reise immer wieder die Frage stellen, was jetzt das beste Transportmittel ist. Es ist in der Tat so – das geht einfach mit dem Beruf bzw. der Funktion der Außenministerin einher -, dass der Terminkalender und diese Reiseprogramme – einige von Ihnen, die hier sitzen, kennen das ja auch anschaulich von der Mitreise – sehr eng getaktet sind und es oft tatsächlich so ist, dass Inlands- und Auslandstermine in kombinierter Variante nur mit der Flugbereitschaft zu bestreiten sind.

Ich würde erst noch einmal sagen: Von den, glaube ich, bisher etwa 44 stattgefundenen EM-Spielen hat die Außenministerin an dreien im Stadion teilgenommen.

Was Ihre Frage nach anderen Transportmitteln angeht: In ihrer Funktion als Außenministerin ist sie bisher dreimal mit einem Linienflug geflogen und mindestens viermal mit dem Zug gereist. – Ich entnehme Ihrem Lächeln, dass Sie dem entnehmen, dass sie sehr oft die Flugbereitschaft benutzt. Das stimmt. Aber ich möchte noch einmal unterstreichen: Es liegt einfach im Wesen des Jobs der Außenministerin – es gab allein zehn Nahostreise in den letzten Monaten -, dass viele dieser Reisen aufgrund der engen Taktung einfach nur mit der Flugbereitschaft zu bestreiten sind. Aber wir stellen uns die Frage jedes Mal, vor jeder Reise, ob es nicht auch alternative Möglichkeiten für Transportmittel gibt.

Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 03.07.2024