Zum ersten Mal seit 14 Jahren kann Julian Assange seinen Geburtstag in Freiheit feiern, ohne elektronische Fußfessel, nicht im Botschaftsasyl und nicht auf sechs Quadratmetern im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Er ist mit seiner Familie wieder in seinem Heimatland Australien. Weltweit werden Assange-Unterstützer mit ihm feiern, und es werden bei diesen Feiern sicher auch seine Verdienste um Pressefreiheit und Aufklärung zur Sprache kommen. Das ist auch nötig, denn in vielen etablierten Medien werden alte Rufmordbehauptungen wieder aufgewärmt, die längst widerlegt sind. Im zweiten Teil dieses Beitrags findet sich eine Einladung zur Geburtstagsfeier in Berlin mit Newsletter. Von Moritz Müller.
Ich hoffe, dass es Julian Assange an diesem 3. Juli einigermaßen gut geht und er die Eindrücke bzw. Nichteindrücke der letzten Jahre irgendwie verarbeiten kann. Die Haft in Belmarsh, wo er in seiner kleinen Zelle bis zu 23 Stunden am Tag allein saß, nur mit „seinen Freunden, den Büchern“, war sozusagen die Steigerung der Isolierung in der ecuadorianischen Botschaft, wo er sich fast sieben Jahre aufhalten musste. Die Botschaft ist eine Wohnung im Londoner Zentrum ohne Garten oder sonstigen Außenbereich.
Diese Jahre unter diesen Bedingungen haben gravierende Spuren an Julian Assanges Gesundheit hinterlassen. Wie für jeden entlassenen Gefangenen muss es ihm in der wiedererlangten Freiheit sehr merkwürdig vorkommen. Es heißt, dass eine Inhaftierung einem noch viel schlimmer vorkommt, wenn man sich zu Unrecht eingekerkert fühlt.
Und das sieht ja nicht nur er so, sondern Millionen Menschen auf der Welt – solche, die den Fall beobachteten oder ab und an davon hörten oder für seine Freiheit kämpften. An diesen Aktivisten, die teilweise seit Anfang seiner Verfolgung für ihn eintraten, wird es wahrscheinlich auch gelegen haben, dass die USA und das Vereinigte Königreich den Fall nun zu den Akten legen wollten. Assanges Verfolger haben gemerkt, dass seine Unterstützer nicht nachlassen werden, denn wer 13 Jahre demonstriert, wird dies vielleicht auch 13 weitere Jahre tun, und im Fall Assange nahm die Zahl der aktiven Unterstützer mit der Zeit langsam zu.
Es wäre schön, wenn die einzelnen Unterstützergruppen – oder sogar ihre Gesamtheit – es schaffen würden, die entstandenen Strukturen und die vorhandene positive Energie in weitere wichtige Projekte zu lenken. Es gibt ja immer noch genug zu tun auf dieser unserer einen Welt, die aber auch so gespalten ist. Viele der regionalen Konflikte haben das Potenzial, sich zu einem richtig großen Krieg auszuweiten. Hier könnte die seinerzeit von WikiLeaks begonnene Aufklärungsarbeit über die Kriege in Afghanistan und im Irak auf die eine oder andere Weise wieder aufgenommen werden und die Menschen, die ja auch wegen dieser Aufklärung für Julian Assanges Freiheit eintraten, könnten helfen, die Hintergrundinformationen lautstark an die Öffentlichkeit zu tragen. Hoffentlich wird auch Julian Assange beizeiten wieder zu diesem Diskurs beitragen.
Bei den meisten Kriegen gibt es nicht nur schwarz und weiß, sondern viele Zwischentöne, und oftmals stecken ganz andere Gründe hinter den Dingen als die, die man uns weismachen will. Rüstungsfirmen wollen Geld verdienen, und eine Bevölkerung in Angst und Schrecken und prekären Lebensverhältnissen regiert sich leichter als eine, wo die Menschen wirklich Zeit und Muße zum Nachdenken und zu wirklicher politischer Aktivität haben.
Nach Julian Assanges Freilassung nehmen auch die Stimmen derer wieder zu, denen er ein Dorn im Auge ist, die zu sehr mit politischer und wirtschaftlicher Macht verbunden sind. Es wird behauptet, Julian Assange sei nicht wirklich ein Journalist und seine Enthüllungen hätten Menschen gefährdet. Sogar die US-amerikanische Richterin, vor der sich Assange im Rahmen des Plea Deals (Verständigungsvereinbarung) schuldig bekennen musste, hat bei der kurzen Verhandlung auf Saipan betont, dass durch die WikiLeaks-Veröffentlichungen niemand zu körperlichem Schaden gekommen ist.
Andere Vertreter der etablierten Medien behaupten nach wie vor, Assange sei gar kein richtiger Journalist und WikiLeaks habe keine redaktionelle Arbeit betrieben. Auch dies stimmt nicht, und Julian Assange ist oder war Mitglied mehrerer anerkannter Journalistenverbände. Außerdem ist er Träger einer großen Zahl von Preisen, die von Presseorganisationen ausgelobt sind.
Es gibt also noch viel zu tun, und als Erstes kann man spontan auf eine der Geburtstagsfeiern gehen, die sich hier auf FreeAssange.eu finden. Aufgeführt sind Veranstaltungen in Berlin, Cottbus, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg und Wien, und auch in London wird es vor dem Australia-Haus sicher hoch hergehen.
Auch von den NachDenkSeiten alles erdenklich Gute und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!
Außerdem wäre es zum Schutz von Julian Assange und zum Schutz der Pressefreiheit sicher wünschenswert, wenn er zum Ehrenbürger weiterer Städte ernannt würde und z.B. Berlin in dieser Hinsicht auf Rom und weitere Städte folgen würde.
Doch nun zur Einladung nach Berlin von FreeAssangeBerlin, die auch wieder eine Art Newsletter ist. Einmal mehr ein großer Dank an Almut Stackmann und Thilo Haase!
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter für die Freiheit von Julian Assange,
für Presse- und Meinungsfreiheit und freie Rede,
Julian Assange ist frei! Was für ein historischer Tag! Endlich!
Wie haben wir für Julians Freilassung gehofft und gekämpft!
Was für eine Erleichterung für Julian, seine Familie, Freunde, Unterstützer und Aktivisten!
„Wie fühlt es sich an, ein freier Mann zu sein, Mr. Assange?” – als Julian Assange das US-Gerichtsgebäude auf der Pazifikinsel Saipan verließ, erklang diese Frage, und die würde auch ich ihm gerne stellen.
Julian Assange ist heute nach Canberra, Australien zurückgekehrt. 14 Jahre juristischer Kämpfe wegen der Auslieferungsgefahr an die USA, wo er von 175 Jahren Gefängnis bedroht war, gingen zu Ende und haben einen Fall beendet, der als größte Bedrohung für die Redefreiheit in unserem Jahrhundert angesehen wird.
Assanges Rechtsanwaltsteam und Assanges Frau Stella dankten vor dem Gericht in Saipan für die jahrelange, vielfältige und weltweite Unterstützung so vieler Menschen und der globalen Bewegung hinter Julian, für ihn und für diejenigen, die an die freie Rede glauben. Nur so habe dieses Ergebnis zustande kommen können. Anschließend richtete sich der besondere Dank an die Regierung Australiens und an Premierminister Anthony Albanese, ohne die dieser Fall so nicht hätte gelöst werden können.
Julian Assange bekannte sich heute schuldig im Sinne der Anklage (in einem von ursprünglich 17 Punkten) nach dem US-Spionagegesetz, nämlich geheime Informationen erhalten und veröffentlicht zu haben, die im nationalen Interesse waren.
Diese Informationen waren übrigens im öffentlichen Interesse, und für sie hatte er journalistische Preise erhalten und wurde jährlich seit einem Jahrzehnt für die Nobelpreisnominierung vorgeschlagen! Das Strafmaß wurde mit seiner Zeit im HMP Belmarsh „verrechnet”, auch verzichtete Julian Assange auf eine Revision. Das Gericht stellte zudem fest, dass durch die WikiLeaks-Veröffentlichungen niemand körperlich und gesundheitlich zu Schaden kam.
Bei aller Freude – es bleibt ein Gefahrenpotenzial für jeden Journalisten weltweit, da die USA versuchen, eine extraterritoriale Rechtsprechung zu etablieren, ohne die im First Amendment (Verfassungszusatz) der USA festgelegten Rechte für die Rede- und Meinungsfreiheit zu gewähren.
Aus juristischer Perspektive kann dieser Fall kein Präzedenzfall sein, dass sich Assange auf einen „Plea Deal“ eingelassen hat, oder sagen wir, einlassen musste. Solche „Deals“ können keine Präzedenzfälle sein.
woz.ch/taeglich/2024/06/25/freiheit-fuer-assange-anruf-bei-der-prozessbeobachterin
Was noch zu lösen ist: Die Diskrepanz zwischen dem First Amendment und dem Spionagegesetz der USA von 1917 und damit der Kampf für die wahre Presse- und Meinungsfreiheit! Es heißt also, weiterhin wachsam zu bleiben.
Für das Privileg, nach Australien fliegen zu dürfen, musste Assange einen Jet für eine halbe Million US-Dollar mieten x.com/wikileaks/status/1805643584328098080
Was für Absprachen mögen im Lauf der Zeit wohl noch auftauchen?
x.com/fwarweg/status/1805868279359009277?s=43&t=AIPrSj1eS12gi6Q_OddvnA
Hier noch ein Livestream von AP vom heutigen Tag, ein interessanter Artikel und ein Kommentar:
Artikel von Moritz Müller:
Julian Assange in seiner Heimat Australien angekommen
Lesenswerter Kommentar der Tagesschau:
tagesschau.de/kommentar/assange-kommentar-100.html
Doch nun lasst uns alle feiern!
Wir laden ein zum Geburtstags- und Freiheitsfest für Julian Assange!
Am 3. Juli 2024 werden ab 17 Uhr auf dem Potsdamer Platz Aktivisten, Künstler und Musiker Julian Assange und seine Freiheit feiern.
Mit frohen, erleichterten Grüßen
Almut Stackmann und Thilo Haase
FreeAssange Berlin
Web: FreeAssange.eu
Doc: free-whistleblower.jimdofree.com/free-assange-berlin-1/
Twitter/X: x.com/Berlin4Assange/status/1798820649114489284
Titelbild: AI – Generated with Adobe Firefly