Sie ist zwar nicht Verteidigungsministerin, aber sie spricht wie eine ideologisch begeisterte Kriegsbeauftragte: Außenministerin Annalena Baerbock hat in einer aktuellen Rede zur „Nationalen Sicherheitsstrategie“ das übliche grün-militaristische Theater aufgeführt: Die erst durch die eigene Politik zugespitzten Krisen werden laut diesem Skript heldenhaft bekämpft. Ein Trauerspiel. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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Die grüne Außenministerin Annalena Baerbock hat am Montag eine Rede zum Thema „Ein Jahr Nationale Sicherheitsstrategie“ gehalten, der Wortlaut findet sich unter diesem Link. In der Rede fällt auch diese Aussage:
„Wir richten unsere eigene Politik genau auf diese Realität aus, die wir uns nicht gewünscht, die wir uns auch nicht ausgewählt haben, aber die nun mal unsere Welt ist. Wir werden unser Europa, jeden Quadratzentimeter unseres Europas und unserer Freiheit verteidigen.“
Mit „dieser Realität“ ist die Gefahr gemeint, die von „Putins Russland“ und „Wladimir Putins Imperialismus“ ausgehe. Baerbock weiter:
„Wir sehen, dass Putins Ziel ist, die Sicherheit Europas weiter herauszufordern. Putins Russland wird auf absehbare Zeit die größte Gefahr für unsere Sicherheit in Europa bleiben. Und deswegen können unsere Sicherheitsmaßnahmen nur ein erster Schritt sein. Ideologisch ist Putins Russland auf dem Weg in den Totalitarismus. Wladimir Putins Imperialismus hört – wie er immer wieder in Reden zeigt – nicht bei der Ukraine auf. Wenn man sich die Zahlen anschaut: Russland richtet seine Streitkräfte auf einen großen Krieg aus, mit Plänen für eine jahrelange Kriegswirtschaft.“
Man muss feststellen: Baerbock setzt die Taktik der reinen Behauptungen bezüglich Russlands Plänen einfach fort. Auch ist zu betonen: Der Ukrainekrieg wurde zielgerichtet und mutmaßlich im Sinne von US-Interessen von einem Regionalkonflikt zu einer globalen Gefahr aufgeblasen. Der Krieg hätte außerdem leicht verhindert werden können. Und: Spätestens jetzt müsste die deutsche Diplomatie für einen Waffenstillstand auf Hochtouren laufen – doch die oberste deutsche Diplomatin wirkt genau in die andere Richtung.
Zusätzlich muss man es sich immer wieder vergegenwärtigen – die ganze Meinungsmache der „Zeitenwende“ beruht auf diesem von vielen Seiten permanent wiederholten, aber nirgends mit nachvollziehbaren Fakten unterfütterten Satz:
„Wenn Putin in der Ukraine nicht verliert, dann macht er einfach weiter.“
Im Stile einer Kriegsministerin
Bei Baerbocks Rede hat man das Gefühl, nicht der Außenministerin, sondern einer ideologisch begeisterten Kriegsbeauftragten zu lauschen:
„Allein mit dem Beitritt Finnlands wird die NATO 60 hochmoderne F 35 Kampfjets dazubekommen. 19.000 Soldatinnen und Soldaten, 238.000 Reservisten. Alles Akteure, die ohnehin schon in den NATO-Systemen durch starke Zusammenarbeit integriert waren. (…) Deutschland investiert jetzt bekanntermaßen über zwei Prozent in seine eigene Wehrhaftigkeit und Verteidigung. Wir haben zudem das European Sky Shield, die Initiative auf den Weg gebracht und wir verlegen eine Brigade nach Litauen.“
Baerbock verweist dann auf den Erfolg der oben angesprochenen Meinungsmache zur „Zeitenwende“, wenn sie zutreffend sagt:
„Auch das sind Punkte, die hätte man hier vor drei Jahren sicherlich sehr, sehr anders diskutiert, beziehungsweise, man hätte gesagt: Wovon redet diese Frau eigentlich?“
Unsere osteuropäischen Nachbarn seien „irritiert“, wenn es heißt: „Na ja, wir wollen in diesen Krieg nicht hineingezogen werden. Erstens: Wer will das schon? Niemand will das. Jeder möchte in Frieden leben“, so Baerbock. Diesem „niemand“ muss man widersprechen, denn Teile der Bundesregierung arbeiten mutmaßlich bewusst daran, dass Deutschland ohne nachvollziehbaren Grund immer tiefer in den Krieg hineingezogen wird, etwa in Form von Waffenlieferungen oder verweigerter Diplomatie. Baerbock hat sogar schon öffentlich festgestellt, dass für sie die grüne Ukraine-Ideologie über dem Wunsch vieler Bürger nach Entspannungspolitik steht, etwa als sie folgenden Satz sagte:
„Egal, was meine deutschen Wähler denken: Ich möchte den Menschen der Ukraine beistehen.“
Baerbock stellt Energiekrise auf den Kopf
Im folgenden Absatz stellt Baerbock in der aktuellen Rede die Entwicklungen der Energiekrise auf den Kopf. Es ist die übliche Strategie der Grünen, Entwicklungen, die sie durch verantwortungsloses und ideologisches Vorgehen selber mit zugespitzt haben, als höhere Gewalten zu bezeichnen, denen sie sich heldenhaft in den Weg stellen:
„Zu lange haben wir bei Russland darauf vertraut, dass wirtschaftliche Beziehungen am Ende beide Seiten kooperativer machen und kooperativ genutzt werden. Wir wissen heute, dass Handel nicht automatisch Wandel erzeugt und dass das Prinzip Hoffnung keine Sicherheitsstrategie ist, sondern manchmal ein Sicherheitsrisiko. (…) Ich bin etwas irritiert darüber, wenn es jetzt plötzlich wieder heißt: ‚Na ja, so abhängig waren wir eigentlich gar nicht vom russischen Gas. So schlimm war das nicht.’ Als wäre der Winter, vor dem wir uns alle gefragt haben: Wird es eigentlich möglich sein, dass wir gut durch den Winter kommen? – als wäre dieser Winter 20 Jahre her und nicht gerade einmal ein gutes Jahr.“
In einem früheren Artikel habe ich dazu geschrieben: Ausgerechnet das Abschneiden Deutschlands von russischer Energie durch einen westlichen Wirtschaftskrieg, der ebenfalls indirekt vor allem US-Interessen bedient, wird von der Ampel und befreundeten Journalisten zur Notlage durch höhere Gewalt umgedeutet und ist mittlerweile geradezu Gründungsmythos einer Schicksalsgemeinschaft: die „Rettung“ der deutschen Gasversorgung, nachdem „Putin uns den Gashahn zugedreht“ habe.
Im Zuge dieser „Rettung“ wurden die Bürger von der Bundesregierung ohne Not den höheren Kosten der zusätzlich auch noch klimaschädlichen Fracking-Industrie ausgeliefert. Solange der von der Bundesregierung vom Zaun gebrochene Wirtschaftskrieg nicht beendet und die russische Energie nicht wieder bezogen wird, kann man den Aktionismus der Ampelregierung als ein reines Doktern am Symptom bezeichnen.
Verantwortlich sind alle Parteien der Bundesregierung – nicht nur die Grünen
Im Artikel „Kinder oder Krieg: Die furchtbaren Prioritäten der Regierung“ heißt es: Die Grünen sind als die intensivsten Treiber einer Politik der Militarisierung und der Russlandfeindschaft zu identifizieren, die nicht nur außenpolitisch, sondern eben auch sozialpolitisch schlimme Folgen haben kann. Es ist Heuchelei von grüner Seite, einerseits Militarisierung und Sanktionspolitik zu forcieren, und sich dann über fehlendes Geld für das Familienministerium zu beschweren. Dazu kommt, dass mit dem Außen- und mit dem Wirtschaftsministerium zwei Orte unter grüner Kontrolle sind, an denen sie viel Unheil gegen die Bürger hierzulande anrichten können.
Aber: Verantwortlich sind alle Parteien der Bundesregierung, die scharfe Kritik sollte auch sie treffen: Die FDP ist, was die (Wirtschafts-)Kriegspolitik angeht, ideologisch fast auf Augenhöhe mit den Grünen, bei der kühlen Inkaufnahme der sozialen Folgen würde sie vielleicht noch weiter gehen. Innerhalb der Ampel erscheint mir die SPD noch am rationalsten.
Baerbock: Die „Queen Of Kitsch“
Annalena Baerbock ist nicht nur eine fragwürdige Außenpolitikerin, sie treibt außerdem ihre Selbstdarstellung in immer peinlichere Sphären. Dazu kommt eine dreiste Emotionalisierung vieler Themen durch die Politikerin – bereits jetzt kann man sie als die „Queen of Kitsch“ bezeichnen. Ihre Rede schließt sie dementsprechend mit dieser blumigen Bestandsaufnahme:
„Wir haben weltweit unglaublich viele Freunde und wir haben 83 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die wissen: Wenn wir zusammenhalten, als starke Demokratie, dann werden wir auch in Zukunft in Freiheit und in Frieden leben.“
Zusatz, 2. Juli 2024, 16:00 Uhr: Einen Punkt hatte ich vergessen. Ein Teil Russlands gehört ja geografisch zu Europa, Baerbock will „unser Europa“ also gegen sich selbst „verteidigen“. Der Hinweis ist keine Spitzfindigkeit: Diese Tatsache wird oft vorsätzlich vernebelt. Denn allein der ausweglose Fakt der geografischen Nähe macht deutlich, dass eine von Militaristen gewünschte „Friedensordnung gegen Russland“ Europa langfristig keinen Frieden bringen kann.
Titelbild: Screenshot ZDF
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