Wie die USA den demokratisch gewählten Ministerpräsidenten Pakistans, Imran Khan, entmachteten – Einsichten von Jeffrey Sachs
Jeffrey Sachs berichtet in diesem Video im Detail, wie die USA den demokratisch gewählten Premierminister von Pakistan, Imran Khan, „seines Amtes entledigten“. „Das ist die Art und Weise, wie Amerika Außenpolitik betreibt“ – so Jeffrey Sachs. Susanne Hofmann hat übersetzt und berichtet davon für die NachDenkSeiten.
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Noch heute scheint für die USA und Europa zu gelten, was Hillary Clinton und George W. Bush nach dem 11. September 2001 sagten: You are either with us or against us. Was das bedeutet, musste der frühere pakistanische Premierminister Imran Khan erleben. Er beanspruchte für sich und sein Land das Recht, eine neutrale Haltung zum Ukraine-Krieg einzunehmen. Er sei als Regierungschef verantwortlich für 220 Millionen Pakistaner, sagte er in einem Interview mit der Deutschen Welle. Und sein Land sei von Russland abhängig: Es beziehe Öl, Gas und Weizen aus Russland. Auf einer Kundgebung stellte Khan klar: „Wir sind Freunde Russlands und wir sind auch Freunde der Vereinigten Staaten. Wir sind Freunde Chinas und Europas. Wir sind keinem Bündnis angeschlossen.“ Für Khan offenbar eine Lehre aus dem Kalten Krieg. Damals hatte Pakistan auf der Seite des Westens gestanden, die Beziehungen zu Russland entsprechend gelitten. Diese wollte Khan verbessern, im Interesse seiner Wähler, von denen rund 100 Millionen in Armut leben.
Doch der Westen, insbesondere die USA, wollten Pakistan keine neutrale Haltung zugestehen. Das legt ein internes Dokument nahe, das The Intercept veröffentlicht hat. Daraus geht hervor, dass die USA bei der Absetzung Khans als Premierminister im April 2022 ihre Finger im Spiel hatten. In einem kurzen Interview äußert sich nun der US-amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs (s. auch hier) zu dem Vorgang. Sachs, US-Ökonom und Berater von Regierungen, UN-Generalsekretären und internationalen Institutionen, ist nicht nur ein intimer Kenner der US-amerikanischen Außenpolitik, er kennt auch Imran Khan persönlich.
Imran Khan ist ein ausgesprochen feiner Mensch und ein hervorragender pakistanischer Staatsmann, und die USA haben dabei geholfen, ihn zu entmächtigen. Es ist eine sehr unangenehme Geschichte, die The Intercept ans Licht gebracht hat. Als sich Imran Khan nicht augenblicklich auf die Seite der USA geschlagen hat, was den Umgang mit Russland und China angeht, funktionierte der amerikanische Sicherheitsstaat nach dem Muster: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Imran Khan sagte: Nein, ich bin gegen niemanden, ich will gute Beziehungen zu den USA, zu China und zu Russland. Aber das funktioniert mit den USA nicht. Man ist auf ihrer Seite oder gegen sie.
Und so hat das US-Außenministerium den pakistanischen Botschafter einberufen und ihm mitgeteilt: Uns gefällt nicht, wie Imran Khan – der damals Premierminister war – spricht. Vielleicht ist das nicht gut für unsere Beziehungen, vielleicht sollte man da was unternehmen.
Und das gehört zur Standard-Regime-Change-Masche der Vereinigten Staaten. Der pakistanische Diplomat schickte die Nachricht nach Hause und Imran Khan wurde im folgenden Monat per Misstrauensvotum aus dem Amt gewählt. Das ist eine gängige US-Intervention. Imran Khan sagte mir und äußerte das auch öffentlich: Die USA haben mich aus dem Amt befördert. Die USA und das pakistanische Militär machten sich natürlich wegen dieser Behauptung über ihn lustig. Dann kam er an die Kopie des Memos, das auch The Intercept veröffentlichte. Und als er damit herumwedelte, wurde er wegen Spionage angeklagt. Einerseits tat man also so, als wäre die Einmischung seine Erfindung, andererseits beschuldigte man ihn der Spionage. Und man brachte ihn hinter Gittern, vor der Wahl, die kürzlich stattfand. Seine Partei wurde von der Wahl ausgeschlossen. Trotzdem fuhren die Anhänger von Imran Khan einen Erdrutschsieg ein. Dann wurden die Stimmen falsch ausgezählt – sie konnten zwar nicht alle Stimmen unterschlagen, aber genügend, um ihm die Mehrheit zu nehmen.
Mit anderen Worten: Trotz seiner Verhaftung, trotz der Vorwürfe, trotz der US-Masche ging Imran Khan als Sieger aus den Wahlen hervor. Und natürlich wurden die Stimmen falsch gezählt, ihm wurde die Macht genommen, und das US-Außenministerium zuckte wie üblich mit den Schultern, weil es der Welt nicht die Wahrheit sagt, es sagt dem amerikanischen Volk nicht die Wahrheit.
Das amerikanische Volk wüsste von all dem nichts, gäbe es die mutige Veröffentlichung des Intercept nicht. Wir haben es hier mit einem Teil dessen zu tun, was die US-Außenpolitik ausmacht, das sollten die Menschen wissen. Die US-Außenpolitik beseitigt Regierungen, die die USA nicht mögen: Pflegt keine Beziehung zu ihnen, verhandelt nicht mit ihnen, versucht, sie zu stürzen! Das kann durch offene Kriege bewerkstelligt werden oder verdeckt.
Das ist die Art und Weise, wie Amerika Außenpolitik betreibt. Es ist eine Katastrophe, eine Katastrophe für die USA, die Billionen von Dollar für nutzlose Kriege unter falschen Prämissen ausgibt; es ist eine Katastrophe für die angegriffenen Länder, die oft in jahrzehntelange Instabilität gezerrt werden wie beispielsweise Afghanistan. Afghanistans Zusammenbruch erfolgte, nachdem die CIA damit beauftragt worden war, 1979 die afghanische Regierung zu stürzen. Derlei ereignet sich weltweit.
Wir brauchen eine neue Außenpolitik, eine kooperative, ehrliche Außenpolitik, die Amerika mittels Frieden und Zusammenarbeit schützt und nicht durch Einmischung und Regime-Change-Operationen und Kriege in anderen Ländern im eigenen Interesse.