Entzug des Führerscheins, eingeschränkter Zugang zu finanziellen Mitteln: Der britische Premierminister lässt bei einem Fernsehauftritt die Katze aus dem Sack. Die Partei von Rishi Sunak hat vor, die Wehrpflicht wieder einzuführen, das berichtet The Telegraph. „National Service“ heißt das in Großbritannien. Es soll dabei um eine Mischung aus Dienst beim Militär und einem Dienst auf der zivilen Seite gehen. Wer sich widersetzt, dem sollen Sanktionen drohen. Zum Vorschein kommt der Geist des Autoritären und des Totalitären. Und das in einer Zeit, in der ein großer Krieg in den Bereich der Realität rückt. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
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Rishi Sunak, der Premierminister Großbritanniens, hat die Katze aus dem Sack gelassen. Kommt es zur Wiedereinführung des „National Service“, soll es keinen geben, der sich dem entziehen kann. Wer sich drückt, soll mit Sanktionen belegt werden. Sunak bringt den Entzug des Führerscheins oder einen „limitierten Zugang zu finanziellen Mitteln“ ins Spiel. Was genau er mit Letzterem meint, bleibt unklar. Allein das Gesagte lässt den Geist des Autoritären und Totalitären spüren. Der Staat will offensichtlich mit Macht den Widerstand junger Menschen zwischen 18 und 21, die zum nationalen Dienst verpflichtet würden, brechen.
Das ist erschreckend. Vor allem auch in Anbetracht der aktuellen Zeit. In Deutschland steht die Wiedereinführung der Wehrpflicht ganz oben auf der politischen Agenda. Auch in den USA gibt es Pläne, zurück zur Wehrpflicht zu gehen. Und nun in Großbritannien. All diese Schritte sind im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit Russland zu verstehen. Das Kriegsgeheul wird immer lauter. Mit anderen Worten: Wir reden hier nicht ‚nur‘ über ein militärisches „Trockenschwimmen“. Eine Realität zeichnet sich ab, in der junge Menschen, die gerade den „Dienst an der Waffe“ gelernt haben, tatsächlich in einen großen Krieg geschickt werden können. Was das heißt, lässt sich in der Ukraine sehen. Dort geht es nicht um Militär- und Kriegsromantik. Dort kehren von der Front Frauen und Männer ohne Arme und Beine zurück.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze hat gerade Millionen an deutschen Hilfsgeldern für ein Versehrtenwerk bereitgestellt. Und in der Ukraine gehen mittlerweile Schergen umher, die Männer von der Straße aus zwangsrekrutieren, wie zahlreiche Videos zeigen. Die Tagesschau spricht unter Verwendung einer furchtbar beschönigenden Formulierung von „Mitarbeitern des Einberufungsamts“.
Wenn heute von der Einführung der Wehrpflicht oder dem Pflichtdienst im zivilen Bereich die Rede ist, dann gilt es sich vor Augen zu halten: Große Gefahr droht. Unter anderen politischen Umständen könnte man in Ruhe darüber diskutieren, wie sinnvoll der freiwillige „Dienst in der Bundeswehr“ für junge Menschen sein kann oder wie es mit einem freiwilligen Dienst im zivilen sozialen Bereich aussieht (dann aber nur unter einer ausreichenden monetären Würdigung der zu erbringenden Arbeit).
Doch wir befinden uns in einer Situation, in der immer offener ein Krieg mit Russland regelrecht herbeigeredet wird. Wenn, wie zu beobachten, Politiker wieder junge Leute verpflichtend in die Armeen ihrer Länder rekrutieren wollen, dann müssen alle Warnsignale angehen. Kriege können geführt werden, wenn Soldaten da sind. Ohne Soldaten, um es platt zu sagen, gibt es keine Kriege. Die Situation, in der wir uns befinden, ähnelt einem Feuer. Je früher man dem Feuer den Sauerstoff entzieht, um so schneller und einfacher wird es ausgehen. Wer als Politiker einen Krieg ins Auge fasst und durch eine entsprechende Wehrpflicht schon einmal an das „Zunder“ für das Feuer kommen will, hat in der Politik nichts verloren. Gerade die aktuelle Politik braucht Diplomaten und keine Sitzgeneräle.
Hunderttausende tote, verstümmelte, schwer traumatisierte Soldaten auf beiden Seiten im Ukraine-Krieg zeigen, wohin das Fehlen oder das Versagen von Diplomatie führt. Wer sieht, wie reihum Länder versuchen, sich für die „Verteidigung“ zu rüsten, muss Schlimmes befürchten. Dass Sunak gar mit Repressionen junge Menschen unter die Fuchtel eines „nationalen Dienstes“ bekommen will, offenbart die Grundrichtung.
Die Briten, aber auch die Deutschen und die Angehörigen anderer Nationen sollten sich die Frage stellen: Wie würden wohl Politiker, die heute schon in ihren Ländern das Autoritäre durchblitzen lassen, mit den Wehrpflichtigen im eigenen Land umgehen, wenn es tatsächlich zum Krieg kommt? Würden wir vergleichbare Szenen wie in der Ukraine sehen, wo mittlerweile selbst Männer, die ihr Baby in der Hand halten, auf offener Straße unter körperlicher Gewalt aufgegriffen werden?
Die realistische Antwort lautet: Ja, damit muss gerechnet werden.
Titelbild: Michele Ursi / Shutterstock