In einer neuen ZDF-Dokumentation über den Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich spricht dieser auch über die harte Kampagne gegen ihn: Weil er 2021 den Corona-Impfstoffen skeptisch gegenüber gestanden hatte, war er zum nationalen Buhmann aufgebaut worden. Die Szenen sind ein bewegendes Echo aus einer schlimmen Zeit, in der Kimmich durch seine Haltung zur Impffrage vielen Bürgern Kraft gegeben hatte. Die Lautsprecher von damals halten nun die Klappe oder versuchen gar, von der emotionalen Story zu profitieren – ein fortgesetzter Skandal. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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Die neue ZDF-Dokumentation „Joshua Kimmich – Anführer und Antreiber“ über den Fußball-Nationalspieler zeigt der Sender am Samstag, 22. Juni, 23.45 Uhr, vorab ist sie in der Mediathek verfügbar.
Mit besonderem Interesse werden momentan die Szenen des Films aufgenommen, in denen Kimmich über die Zeit Ende 2021 spricht, in der er als Buhmann aufgebaut und fertiggemacht wurde, weil er sich die neuen Corona-Impfstoffe mangels Vertrauen nicht spritzen lassen wollte.
Die ZDF-Doku zeigt, wie sogar anscheinend unantastbare Fußballstars durch diese Zeit geschädigt wurden, wenn sie nicht brav auf Linie waren. Überraschend sind die offenen Worte Kimmichs zu seiner Enttäuschung über die damalige schäbige Behandlung durch den FC Bayern. Es sind vor allem die Szenen zur Impf-Frage, die einen zurück in die sehr beklemmende Zeit katapultieren.
Bewegende Szenen
Die Szenen, in denen der Fußball-Nationalspieler über den Konflikt um die Corona-Impfung spricht, sind zum Teil bewegend, an einer Stelle kommen Kimmich vor der Kamera die Tränen. Journalisten und Medien, die sich jetzt gerne am „Rührstück Kimmich“ beteiligen möchten, sollten sich aber an ihre eigene damalige Rolle erinnern und was sie selber zu dem Druck beigetragen haben, der damals auf Kimmich und zahlreichen anderen nicht geimpften Bürgern lastete. Jens Berger hat in dem Zusammenhang aktuell auf Facebook etwa an die Rolle der Bild-Zeitung erinnert, die damals den FC Bayern aufgefordert hatte, Kimmich nicht aufzustellen.
Friedrich Pürner, der gerade für das Bündnis Sahra Wagenknecht ins EU-Parlament gewählt wurde, schreibt zu der aktuellen Debatte auf X:
„So wie Joshua Kimmich erging es vielen. Er wurde massiv unter Druck gesetzt. Sein Körper ist sein Kapital. Die Verletzungen sind individuell unterschiedlich, jedoch sitzen diese tief. Es war eine üble und brutale Zeit für ALLE Ungeimpften! Deshalb Aufarbeitung.“
Ich möchte den Leidensdruck des Fußball-Millionärs Kimmich nicht mit dem „normaler“ Bürger gleichsetzen – Kimmich hatte sicherlich mehr materielle Möglichkeiten, die Zeiten der Impfschikane zu gestalten. Dass auch Kimmichs Handeln damals nicht frei von Widersprüchen war, hatte ich in diesem Artikel beschrieben. Aber der Druck und eine aus heutiger Sicht geradezu lächerliche moralische Ächtung trafen eben auch ihn – es ist ein Aspekt der Corona-Zeit, dass einige der Auswirkungen der unangemessenen Maßnahmen auch über soziale Grenzen hinweg spürbar waren, auch dadurch hatten sich gegen die Corona-Politik teils „seltsame politische Bettgenossen“ gefunden.
Promi-Bonus wird zum Fluch
Bei Kimmich kam noch der Pranger durch viele enthemmte Journalisten hinzu – in seinem Fall hatte sich damals der Promi-Bonus in einen Fluch gewandelt. Der Focus berichtet aktuell über diese Zeit:
„Ende 2021 schien es einige Wochen lang kaum ein wichtigeres Thema in Deutschland zu geben als den Impfstatus von Joshua Kimmich. Nachdem der Fußballnationalspieler im Oktober offenbart hatte, auf die Corona-Schutzimpfung wegen fehlender ‚Langzeitstudien‘ vorläufig verzichten zu wollen, brach ein medialer Tsunami über ihn herein.“
Die Anfänge dieses „Tsunamis“ hatte für die NachDenkSeiten damals Marcus Klöckner im Artikel „Journalismus: Wenn Kimmich sich impfen lässt, ist die Pandemie zu Ende” beschrieben:
„Deutschland, 23. Oktober 2021: Patrick Wasserziehr, Reporter beim TV-Sender Sky, konfrontiert Joshua Kimmich vor laufender Kamera mit Fragen zum Impfstatus des Bayern-Spielers. Ein Fußballspieler, Bürger und Mitmensch soll sich erklären, warum er nicht gegen Corona geimpft ist. Nun stürzt sich eine ganze Medienlandschaft auf den Bayern-Spieler – ganz so, als ob der weitere Verlauf der Pandemie von der Impfentscheidung eines 26-Jährigen abhängt.“
„Eine brutale Zeit“
In dem ZDF-Langzeitporträt, für das ihn der Filmemacher Jan Mendelin seit 2016 mit der Kamera begleitete, kommt auch Kimmichs Ehefrau Lina zu Wort. Sie erinnert sich an 2021: „Es hat ihn fertiggemacht. Weil’s teilweise sehr persönlich wurde, nicht mehr fair war.“ Kimmich sagt in der ZDF-Doku:
„Ist es meine Aufgabe als Sportler, Menschen vom Impfen zu überzeugen? Das war echt eine brutale Zeit.“
In einem Video-Gespräch, das der Filmemacher zur damaligen Zeit geführt hatte, bricht Kimmich in Tränen aus: „Ein Kumpel sagte mir, dass weniger Menschen gestorben wären, wenn ich mich hätte impfen lassen. Das ist brutal. Wenn du da keine Familie hast, dann kann’s zerbrechlich werden.“ Zahllose Behauptungen der Impfkampagne sind bekanntermaßen (spätestens) heute nicht mehr haltbar. Ob sich diese Person inzwischen bei Kimmich entschuldigt hat? Noch mehr müssten sich in meinen Augen die Politiker, Journalisten und Wissenschaftler entschuldigen, die mit ihrer evidenzlosen Panikkampagne Menschen wie Kimmichs Bekannten überhaupt erst zu solchen Äußerungen verleitet haben.
Auf diese Frage – also wie sich die damaligen harten Meinungsmacher verhalten, wenn sich der Propagandanebel dann mal verzogen hat, – geht auch ein Kommentar in der Welt von 2023 ein, unter dem Titel „Nebenwirkungsfrei? Wie das ‚Team Lauterbach‘ Joshua Kimmich jagte“:
„Der Einzelne, sein Körper und seine Entscheidung galten nichts: Klappe halten, impfen lassen. Nun hält das Team Lauterbach plötzlich selbst die Klappe, aus Lautsprechern wurden Leisetreter. Das Schweigen ist dröhnend. Die Blamage ist augenfällig, peinlicherweise mit herbeigeführt durch den obersten Verantwortlichen selbst, den Gesundheitsminister, der sich mit seinen jüngsten Wendungen noch zu retten versucht. Und da die Langzeitfolgen nun plötzlich doch existieren: Hat sich vom ‚Team Lauterbach’ eigentlich schon jemand bei Joshua Kimmich gemeldet?“
Privilegierter Fußball-Promi hin oder her: Kimmich zeigte in meinen Augen damals Mut, um gegen die Mehrheitsmeinung zu stehen, das hatte damals auch mich bestärkt. In meinen Augen hat er mit seiner (vorübergehenden) Standhaftigkeit genau die Vorbildfunktion ausgefüllt, von der ihm die Seite der Panikmacher vorgeworfen hatte, dass er sie durch seine Impfskepsis verraten würde. Kimmich hat sich dann schließlich doch impfen lassen – das sagt für mich aber weniger über seine „Charakterstärke“ aus als über die Macht des damals aufgebauten medialen und politischen Drucks gegen Andersdenkende in der Impffrage.
„Ethikrat”: Moralische Impfpflicht
Unter diesem Link sind einige emotionale Szenen der neuen ZDF-Doku zusammengeschnitten. Gestern habe ich im Artikel zum EM-Tweet von Göring-Eckardt auf Kimmichs treffende Aussagen zur aktuellen Umfrage über Rassismus unter deutschen Fußball-Fans hingewiesen. 2021 wurde über Kimmichs Impf-Entscheidung sogar in diversen Hauptnachrichten in abzulehnender Weise berichtet, z.B. in diesen Tagesthemen oder in dieser Tagesschau. Zum Abschluss und als willkürlich ausgewähltes Beispiel für den 2021 von vielen weiteren Seiten ausgeübten Impf-Druck auf Kimmich und für die „Qualität“ der Argumente dieser Seite soll hier auf einen damaligen Auftritt der damaligen Chefin des „Ethikrates“, Alena Buyx, hingewiesen werden:
Niemals vergessen >>>
Alena Buyx, 25.10.2021:#Kimmich pic.twitter.com/7R3QNCfTWE
— _horizont_ (@hori_____zont) June 20, 2024
Titelbild: Screenshot „Tagesthemen“