Göring-Eckardts EM-Tweet: Mit Rassismus gegen Rassismus?

Göring-Eckardts EM-Tweet: Mit Rassismus gegen Rassismus?

Göring-Eckardts EM-Tweet: Mit Rassismus gegen Rassismus?

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Die grüne Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages hat sich auf X schräge Gedanken über die Hautfarbe der Fußball-Nationalspieler gemacht. Dabei könnte die Fußball-EM eigentlich eine Chance sein, Spaltungen des Kulturkampfs und einer überbetonten Identitätspolitik zumindest zeitweise etwas zu überbrücken – doch einige Politiker und Journalisten können es einfach nicht lassen, manche Gräben immer wieder zu erneuern. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die Grünen-Politikerin und stellvertretende Präsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt, hat mit einem von ihr veröffentlichten Beitrag beim Kurznachrichtendienst X heftige Kritik hervorgerufen. Wie Medien berichten, nahm sie darin Bezug auf die Hautfarbe der Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Nach Vorwürfen, sie habe sich rassistisch geäußert, löschte Göring-Eckardt den Beitrag und entschuldigte sich für ihre Formulierung. Die Politikerin hatte nach dem 2:0-Sieg der Nationalelf gegen Ungarn bei der Europameisterschaft geschrieben:

„Diese Mannschaft ist wirklich großartig. Stellt euch kurz vor, da wären nur weiße deutsche Spieler.“

Zahlreiche X-Nutzer waren zu Recht empört. Aus der Politik meldete sich etwa der stellvertretende Parteichef der FDP, Wolfgang Kubicki:

Ich finde es wirklich bedenklich, wenn Menschen in Deutschland nach ihrer Hautfarbe bewertet werden. Die Kollegin sollte diesen Text schnell löschen.“

Der Extremismusforscher, Autor und Psychologe Ahmad Mansour prangerte den Post der Grünen-Politikerin folgendermaßen an:

Wer bei der deutschen Nationalmannschaft die Hautfarbe der Spieler thematisiert, betreibt Rassismus, unabhängig von der Motivation dahinter.

Ich kann dem nur zustimmen: Hier wird Rassismus mit Rassismus begegnet. Und das in einer Form, die die angeblich verfolgte gute Sache (Kampf gegen Rassismus) kein Stück voranbringt.

Göring-Eckardt hat ihren Beitrag nach den negativen Reaktionen gelöscht, der Vorgang soll auch nicht überbetont werden – er wird hier aber betrachtet, weil er symptomatisch ist für Irrwege der Überbetonung einer Identitätspolitik. Später meldete sich Göring-Eckardt erneut auf X: „Habe meinen Tweet gelöscht. Tut mir leid, wie ich formuliert habe“, schreibt sie. „Mich hat aufgeregt, dass 21 % der Deutschen es besser fänden, wenn mehr ‚Weiße‘ in der Nationalmannschaft wären. Ich bin stolz auf diese Mannschaft und wünsche mir, dass wir auch die 21 % noch überzeugen.“

Zu diesem frommen Wunsch schreibt die Welt ironisch: „Und indem man die eine Hautfarbe gegen die andere ausspielt, wird das gelingen, ganz bestimmt.“ Und weiter: „Wer Rassismus mit Rassismus bekämpfen will, sollte sich schon darüber im Klaren sein, dass er rassistisch denkt oder handelt, welche hehren Ziele er auch immer zu erstreben angibt.“

Scheißumfrage“

Mit den erwähnten „21 Prozent“ bezieht sich Göring-Eckardt auf eine kürzlich durchgeführte Umfrage, laut der sich jeder fünfte Befragte mehr „weiße“ Nationalspieler wünschen würde. Mit der Kritik an der Veröffentlichung der Umfrage zum jetzigen Zeitpunkt und an einer Überbetonung der Rassismus-Frage wird selbstverständlich nicht das Ergebnis der Umfrage verniedlicht und werden auch keine rassistischen Einstellungen gerechtfertigt. Die Frage ist aber, welches Vorgehen tatsächlich positive Wirkungen gegen Rassismus entfaltet und welches Vorgehen einfach nur polarisiert. Dass die grüne Haltung zur Flüchtlingsfrage ohnehin eine einzige Heuchelei darstellt, habe ich etwa im Artikel „Grüne und Migration: Wer Waffenruhen sabotiert, sollte von „humanitärer“ Flüchtlingspolitik schweigen“ beschrieben.

Außerdem: Die EM könnte meiner Meinung nach eine Chance sein, identitätspolitisch aufgeladene Gräben zwischen den Bürgern hierzulande zumindest zeitweise und teilweise zu überbrücken – auch solche zwischen „Bio-Deutschen” und Bürgern mit Migrationshintergrund. Handelt man harmoniesüchtig, wenn man solche der EM innewohnenden Chancen nicht durch provokative „Rassismus-Umfragen“ torpediert sehen möchte? Ich denke: Nein. Darum stimme ich auch Bundestrainer Julian Nagelsmann zu, wenn er laut Medien sagt:

Ich hoffe, nie wieder von so einer Scheißumfrage zu lesen.“

Ich finde auch, dass der Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich in diesem kurzen Ausschnitt die richtigen Worte dazu gefunden hat:

Die in der gesellschaftlichen Debatte von manchen Akteuren praktizierte Überbetonung der Rassismus-Frage wirkt meiner Meinung nach nicht gegen Rassismus – auch dann nicht, wenn das Vorgehen möglicherweise gut gemeint sein sollte.

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Titelbild: photocosmos1 / Shutterstock