Der High Court in London hat nun den Termin für die am 20. Mai genehmigte Berufungsverhandlung bekanntgegeben. Am 9. und 10. Juli soll über die zwei Punkte, die zugelassen wurden, verhandelt werden. Diese Ankündigung überrascht, denn viele Beobachter inklusive mir hatten befürchtet, dass es erst im Oktober nach der Sommerpause zu dieser Verhandlung kommt. Der Termin im Juli ist für Julian Assange, der seit über fünf Jahren isoliert in London in Auslieferungshaft gefangen ist, ein weiteres nervenaufreibendes Datum. Einerseits kann es an dem Tag zu seiner Freilassung kommen oder aber es wird seine Auslieferung beschlossen. Dann könnte nur noch der schon informierte Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Auslieferung stoppen. Von Moritz Müller.
Julian Assanges Verteidigung hatte während einer Anhörung im Februar neun Punkte vorgebracht, die einer Auslieferung an die USA im Wege stehen. Es ging unter anderem darum, dass es sich bei dem Fall um einen politischen Fall handelt, dass ihm möglicherweise die Todesstrafe droht und dass die CIA Julian Assange in seinem Botschaftsasyl ausspioniert hatte. Dabei wurden Gespräche mit seinen Besuchern, inklusive Rechtsanwälten und Ärzten, abgehört.
Die Vorsitzende Richterin Victoria Sharp und ihr Beisitzer Jeremy Johnson hatten dann aber schlussendlich nur zwei Punkte zur Berufung zugelassen:
- dass seine Auslieferung mit seinem in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Recht auf freie Meinungsäußerung unvereinbar sei
- dass er aufgrund seiner Nationalität benachteiligt werden könnte (da er als Nicht-US-Amerikaner möglicherweise keinen Schutz durch den 1. Zusatzartikel zur US-Verfassung genießt)
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Die Anklage hatte „Zusicherungen“ gegeben, dass Julian Assange versuchen könnte, den Schutz durch den 1. Zusatzartikel zur US-Verfassung zu erlangen. Die beiden Richter bewerteten diese „Zusicherung“ im Mai als nicht überzeugend und ließen eine Berufungsverhandlung zu einem späteren Termin zu. Craig Murray, der im Mai im Gerichtssaal anwesend war, äußert sich in diesem Artikel sehr optimistisch und bringt dabei seine Einschätzung zum Ausdruck, dass er bei der Anhörung das Gefühl hatte, es habe ein Wandel stattgefunden.
In der Tat ist es schwer, sich auszumalen, welche Argumente die gleichen Richter, die sich nicht von den US-amerikanischen „Zusicherungen“ überzeugen ließen, dazu bringen könnten, die oben genannten Punkte der Verteidigung zu ignorieren. Man kann also wirklich zum ersten Mal seit Jahren optimistisch sein im Fall Assange, obwohl in den letzten Jahren beim Gang durch die Instanzen alle möglichen und unmöglichen Dinge von britischen Richtern zugelassen und die Rechte von Julian Assange mit Füßen getreten wurden.
Es fing schon eine Stunde nach seiner Verschleppung aus dem Botschaftsasyl an. Sein Verteidiger hatte einen Antrag auf Befangenheit eingebracht, weil der Ehemann der mit dem Fall befassten Richterin Emma Arbuthnot ungefähr 40 Mal in WikiLeaks-Veröffentlichungen als Rüstungslobbyist genannt wurde. Der Frau Arbuthnot unterstehende Richter wischte diesen Einwand ungeprüft zur Seite.
Stattdessen bezeichnete er Julian Assange in der Anhörung nach 15 Minuten und nur wenigen Sätzen von Assange als Narzissten. Normalerweise braucht man für so eine offizielle Einschätzung Stunden psychologischer Untersuchungen.
Aber vielleicht hat die britische Justiz wirklich erkannt, dass die oben genannten zwei Berufungsgründe nicht wirklich auszuräumen sind. Die USA hatten am Ende der „Zusicherung“ auch noch geschrieben, dass die Entscheidung, ob Assange den Schutz des Ersten Verfassungszusatzes genießt, schlussendlich bei den zuständigen US-Gerichten liegt. Es wurde sozusagen im selben Dokument zugegeben, dass die US-Behörden, die die Auslieferung Assanges verlangen, hier gar keine ultimative Weisungsbefugnis haben. Somit ist Craig Murrays Optimismus wirklich berechtigt.
Falls die Richter andererseits der Auslieferung aus welchen Gründen auch immer zustimmen, könnte Julian Assange direkt in ein Flugzeug in die USA verfrachtet werden, es sei denn, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte schreitet noch ein. Es ist aber fraglich, ob er dies tun würde und ob sich das Vereinigte Königreich dann an eine Verfügung dieses Gerichts halten würde.
Die NachDenkSeiten werden weiter über den Fall berichten und am Ball bleiben.