Corona: Hinweis auf Hetze bleibt (vorerst) erlaubt

Corona: Hinweis auf Hetze bleibt (vorerst) erlaubt

Corona: Hinweis auf Hetze bleibt (vorerst) erlaubt

Tobias Riegel
Ein Artikel von: Tobias Riegel

Ein Gericht hat festgestellt, dass es nicht strafbar ist, öffentlich getätigte Zitate der Kampagne gegen Andersdenkende während der Corona-Politik kommentiert zusammenzustellen (Stichwort: „Feindesliste“). Diese Position des Gerichts erscheint eigentlich als selbstverständlich, das gute Urteil muss aber in der gegenwärtigen Realität bereits als ein (überraschender) Sieg der Vernunft gewürdigt werden. Auf anderen Gebieten bleibt die Verweigerung der Aufarbeitung der Corona-Politik skandalös. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Im Sommer 2022 begann Michael Z., der bei Twitter unter dem Namen „MicLiberal“ schreibt, Zitate von Politikern, Prominenten und Medizinern zu sammeln, in denen Impfskeptiker und Kritiker der Corona-Politik etwa als „Idioten“ und „Bekloppte“ bezeichnet wurden. Das hatte die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen. Die Anklage lautete, dass mit der Sammlung der Zitate eine „Feindesliste“ erstellt worden sei. Jetzt wurde Michael Z. von diesem Vorwurf freigesprochen, wie Medien berichten. Das Plädoyer seiner Anwältin Jessica Hamed hat die Berliner Zeitung in diesem Artikel im Wortlaut dokumentiert. Darin heißt es:

„Heute ist nicht nur ein guter Tag für meinen Mandanten, sondern auch für die Meinungsfreiheit. (…) Das Gericht hat den Freispruch im wesentlichen mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsfreiheit begründet und folgte im Ergebnis unserer rechtlichen Würdigung.“

Weiter sagte Hamed unter anderem: „Mein Mandant ist ein glühender Verteidiger der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, er setzt sich für sie uneingeschränkt ein.“ Er habe „mit seinem Tweet eine Debatte ausgelöst, die die Gesellschaft dringend gebraucht hat”, so die Juristin in ihrem Schlussplädoyer. Es sei „nicht nur legitim, sondern sogar ethisch geboten, derartige grenzüberschreitenden Äußerungen von Menschen, die eine herausgehobene gesellschaftliche Stellung einnehmen (z. B. als Politikerin oder Arzt), scharf zu widersprechen. Denn diese Äußerungen waren diskriminierend und bedrohten den sozialen Frieden!“

„Deine Party ist Omas Tod“ oder auch „Lasst uns Impfverweigerer mit dem Blasrohr jagen, Waidmanns Heil!“ – so waren laut Medien einige der Aussagen formuliert, die Z. gesammelt und gebündelt veröffentlicht hatte. Z. hatte dazu geschrieben:

„Wir haben mitgemacht! Wir haben ausgegrenzt, diffamiert, diskreditiert, beleidigt und Menschen gecancelt. Im Dienste der Wissenschaft!

„Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten“?

Die Kölner Staatsanwaltschaft kam aber laut Medien zu der Einschätzung, „MicLiberal“ habe sich im Sinne der recht neuen und der bislang selten angewandten Strafnorm §126a StGB strafbar gemacht, mit dem Namen „Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten“.

Der Paragraf sei historisch auf den Mord am hessischen Politiker Walter Lübcke im Jahr 2019, sowie die Morde von Halle und Hanau zurückzuführen, so die Welt. Lübckes Adresse habe vor dessen Ermordung in rechtsextremen Kreisen auf einer „Feindesliste“ kursiert.

Strafbar sei die Veröffentlichung von personenbezogenen Daten mit der neuen Vorschrift dann, wenn die Art und Weise dazu geeignet und bestimmt sei, die Betroffenen oder ihre Angehörigen in Gefahr zu bringen. Aber: Z. hatte bei seinen Tweets lediglich die Namen in Verbindung mit Zitaten veröffentlicht. Er bediente sich dabei ausschließlich öffentlich getätigter Aussagen, die frei im Internet verfügbar waren.

Trotzdem habe man ihm vorgeworfen, mit Zitaten von Ärzten, Politikern und Personen des öffentlichen Lebens deren „individuelle Sicherheit“ und das Schutzgut des „öffentlichen Friedens“ verletzt zu haben. Die Staatsanwaltschaft argumentiere, dass auf der Website, die Z. verlinkt habe, der Faschismus verharmlost werde und die Betroffenen als „Täter“ bezeichnet wurden. So steht laut Medien auf der Website, die Z. in einem Tweet verlinkt habe, eine Abwandlung des Ignazio Silone zugeschriebenen Zitats über die Wiederkehr des Faschismus:

„Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‚Ich bin der Faschismus.‘ Nein, er wird sagen: ‚Ich rette euch vor einem Virus.‘“

Die Seite sei vom ehemaligen Rundfunkjournalisten Burkhard Müller-Ullrich betrieben worden und sei Anfang dieses Jahres aus finanziellen Gründen eingestellt worden. Die Inhalte der seinerzeit von manchen Journalisten als „Pranger“ verschrienen Website seien allerdings in Buchform aufgelegt und frei auf dem Markt erhältlich, so die Welt.

Corona-„Aufarbeitung“: Schwere Prüfung für das Rechtsempfinden vieler Bürger

Ich begrüße das Urteil, aber ich finde es auch selbstverständlich: Eine andere Entscheidung hätte das Rechtsempfinden zahlreicher Bürger empfindlich gestört. Und dieses Rechtsempfinden wird (unter anderem) beim Thema Corona-Aufarbeitung ohnehin einer andauernden und schweren Prüfung unterzogen – weil sich Verantwortliche einer extrem fragwürdigen Politik immer noch nicht in angemessener Weise rechtfertigen müssen, während Kritiker, die in den zentralen Punkten recht hatten, noch immer schikaniert werden.

Zu der in dem Verfahren behandelten Zitaten-Liste hatte damals ein Online-Kommentar sinngemäß geschrieben: „Diese Liste ist keine Menschenjagd – sie dokumentiert eine.“ Zur Erinnerung an die damals von manchen einflussreichen Meinungsmachern entfachte Stimmung gegen Andersdenkende folgt hier ein Zusammenschnitt:

Titelbild: Roman Samborskyi / Shutterstock

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