Die Ergebnisse der gestrigen Europawahlen in Deutschland sind sicherlich nicht gerade überraschend. Die schweren Verluste der Grünen, die stabile CDU und die Gewinne der AfD entsprechen mehr oder weniger den jüngeren Umfragen und das respektable Ergebnis des BSW war auch in dieser Höhe durchaus erwartbar. Dennoch zeigt ein Blick auf die geographische Verteilung der Stimmen, dass das Ergebnis einen Trend manifestiert, der sich schon länger angedeutet hat – Deutschland ist politisch dreigeteilt in die östlichen und westlichen Flächenländer, sowie die Metropolen samt den Universitätsstädten. Von Jens Berger.
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Anmerkung: Ein Artikel von Albrecht Müller zu den Debatten rund um das Wahlergebnis folgt in den nächsten Stunden auf den NachDenkSeiten.
Schaut man sich die geographische Verteilung der jeweils in den Wahlkreisen stärksten Partei an, ergibt sich ein recht eindeutiges Bild. In den östlichen Flächenländern ist mittlerweile die AfD die dominante politische Kraft, in den westlichen Flächenländern sind dies CDU und CSU. In den Metropolen sind die Grünen hingegen eine starke, oft die stärkste politische Kraft – in Hamburg, Berlin und Köln haben sie die meisten, in München hinter der CSU die zweitmeisten Stimmen bekommen. Auch in Universitätsstädten wie Münster, Heidelberg oder Freiburg sind die Grünen die dominante Kraft. Die SPD konnte hingegen außerhalb der Stadtstaaten Hamburg und Bremen, wo sie in einigen Stadtteilen die stärkste Kraft war, nur noch Emden und Herne als Hochburgen verteidigen. Das Land ist politisch dreigespalten.
Diese Spaltung zeigt sich auch in den Ergebnissen der Linkspartei und des BSW. Die Linkspartei hat bei den Europawahlen ihre ehemalige Position als „Ostpartei“ verloren. Nur in Thüringen erreichte sie überhaupt noch mehr als 5 Prozent. In den anderen östlichen Bundesländern würde sie bei einem solchen Ergebnis bei Landtagswahlen nicht einmal in die Landtage einziehen. Ganz anders das BSW, das in Thüringen mit 15 Prozent sogar mehr Stimmen als alle drei Regierungsparteien zusammen bekam und in den übrigen östlichen Bundesländern nur knapp hinter dem Ergebnis aller drei Regierungsparteien zusammen liegt. Dafür hat das BSW jedoch in den westlichen Flächenländern eher schlecht abgeschnitten und liegt mit Ausnahme des Saarlandes im Westen noch durchgängig unter der Fünf-Prozent-Marke. Auch in den westlichen Metropolen sind die Werte des BSW kaum besser – nur in Berlin konnte man vor allem in den östlichen Stadtteilen gute Ergebnisse erzielen. Im Westen spielt die Linkspartei zurzeit keine Rolle. Nur in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg kam sie überhaupt – und das denkbar knapp – über die 5-Prozent-Marke, in den Flächenländern läuft sie mit rund zwei Prozent eher unter „Sonstige“. Überraschend ist dies nicht. Außer den Parteispitzen der Linkspartei hat wohl jeder dieses Ergebnis genau so kommen sehen.
Dass die AfD keine „reine Ostpartei“ ist, zeigt ein Blick auf die Verteilung der jeweils zweitstärksten politischen Kraft in den Wahlkreisen. Hier konnte sich die AfD vor allem im Süden der Republik etablieren, während in der Mitte und im Norden die SPD zumindest noch in den meisten Kreisen die zweitstärkste Kraft ist. Im Osten ist hingegen die CDU fast durchgängig die zweitstärkste Kraft hinter der AfD.
Auch wenn man die Ergebnisse der Europawahlen nicht ohne weiteres auf die kommenden Landtagswahlen oder die Bundestagswahlen in eineinhalb Jahren übertragen sollte, so bekräftigt die Dreiteilung der politischen Kräfteverteilung einen Trend, der sich schon länger andeutet und der sich künftig womöglich verfestigen wird.