INSM ködert „Die Zeit“ und den EZB-Präsidenten
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die mit viel Geld ausgestattete Propagandaorganisation der Metall-Arbeitgeber, hat gestern verkündet, EZB-Präsident Draghi sei auf der IX. Ludwig-Erhard-Lecture der INSM in Berlin aufgetreten. Das ist ein beachtlicher Vorgang, denn auch dem neuen EZB-Präsidenten müsste klar sein, dass er zu Gast bei einer neoliberal eingefärbten Lobby- und Propagandaorganisation ist. In der gleichen Presseerklärung wird davon berichtet, dass die INSM gemeinsam mit dem Zeit-Verlag einen Essay-Wettbewerb ausgeschrieben hat. Wenn Sie Leser der „Zeit“ oder gar Abonnenten kennen, machen Sie diese bitte auf diesen Vorgang aufmerksam. Für ein Medium, das mit der INSM zusammenarbeitet, Geld zu zahlen, ist höchst fragwürdig. Albrecht Müller.
Die INSM ist ein schlimmer Verein.
Und die Vorgänge, über die in der Pressemitteilung berichtet wird, sind geeignet, den Schimmer von Hoffnung, dass die Diskussion um das sachlich Notwendige Fortschritte machen würde, den Wolfgang Lieb in seinem Beitrag von heute mit Recht ausmachte, zu konterkarieren.
Die INSM macht weiter wie bisher. Sie tut so, als sei die von ihr propagierte neoliberale Ideologie einschließlich der einfältigen Sparideologie nicht gescheitert. Über die Rede des EZB Präsidenten wird in der Meldung der INSM berichtet
„Die Europäische Zentralbank (EZB) wird auch unter ihrem neuen Präsidenten Prof. Dr. Mario Draghi ein Garant für die Stabilität der Gemeinschaftswährung sein. Draghi zitierte Ludwig Erhard mit den Worten, dass Soziale Marktwirtschaft ohne konsequente Politik der Preisstabilität nicht denkbar sei. Er, Draghi, könne das heute nicht besser ausdrücken.
Zur aktuellen Lage sagte Draghi: “Die Entscheidungen des Europäischen Rates, zusammen mit den jüngsten Beschlüssen des Europäischen Parlaments sind ein Durchbruch für klare fiskalpolitische Regeln der Währungsunion.”
In diesen Kreisen ist immer noch nicht begriffen, dass man die Stabilität der Eurozone nicht dadurch erhalten kann, dass man undifferenziert Preisstabilität predigt und die Beschäftigungsproblematik, die Gefahr massiver Rezessionen und die Notwendigkeit der Anpassung der Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Volkswirtschaften verkennt.
Der zusammen mit dem Zeit-Verlag ausgeschriebene Essay-Wettbewerb wird ausgerechnet dem Kuratoriumsvorsitzenden der INSM, Professor Dr. Tietmeyer gewidmet.
Das müsste eine besondere Herausforderung für „Die Zeit“ und ihre Abonnenten sein. Tietmeyer hat die neoliberale Wende in der Bundesrepublik schon in den siebziger Jahren maßgeblich betrieben; er ist der eigentliche Geist hinter dem Lambsdorffpapier vom September 1982, der Scheidungsurkunde der sozialliberalen Koalition.
Tietmeyer steht für die Übergabe der Politik an die Finanzwirtschaft. Das hat er selbst mit am 3. Februar 1996 in Davos bezeugt:
„Ich habe bisweilen den Eindruck, dass sich die meisten Politiker immer noch nicht darüber im Klaren sind, wie sehr sie bereits heute unter der Kontrolle der Finanzmärkte stehen und sogar von diesen beherrscht werden.”
Der Herausgeber der „Zeit“, Altbundeskanzler Helmut Schmidt, hat in einem Offenen Brief vom 8. November 1996 das Wirken des damaligen Bundesbankpräsidenten Tietmeyer und insbesondere seine Missachtung der Beschäftigungsproblematik äußerst kritisch begleitet. Jetzt macht sich die „Zeit“ mit der schlimmsten Ausprägung der neoliberalen Bewegung gemein: der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und ihrem Kuratoriumsvorsitzenden Tietmeyer.
Das ist nicht der erste Missgriff der „Zeit“. Sie steht seit langem in Kooperation mit den bildungspolitischen Bertelsmann-Ableger CHE, dem Centrum für Hochschulentwicklung. Ihm verdanken wir eine Reihe von Fehlentscheidungen in der Hochschulpolitik.
Das Fazit: Wenn wir die Politik, insbesondere die Politik zur Überwindung der Finanzkrise, zum Besseren wenden wollen, wenn wir einem neuen Geist der Solidarität in unserem Land zum Durchbruch verhelfen wollen, dann dürfen wir der „Zeit“ – wie gegebenenfalls auch anderen Medien – eine gedankenlose oder bösartige Kooperation mit der INSM nicht durchgehen lassen.
Die Abonnenten und Leserinnen/Leser der „Zeit“ sind gefragt. Helmut Schmidt wäre eigentlich auch gefragt, wenn sein Blatt Tietmeyerfeiern fördernd begleitet.