Habecks „Retourkutsche“ gegen die CDU offenbart einmal mehr die vollkommene Ahnungslosigkeit unseres Wirtschaftsministers

Habecks „Retourkutsche“ gegen die CDU offenbart einmal mehr die vollkommene Ahnungslosigkeit unseres Wirtschaftsministers

Habecks „Retourkutsche“ gegen die CDU offenbart einmal mehr die vollkommene Ahnungslosigkeit unseres Wirtschaftsministers

Jens Berger
Ein Artikel von: Jens Berger

Die WELT verkauft die Nachricht als Scoop – um die Kritik der CDU an Habecks Management der Energiekrise zu kontern, habe dieser ehemals vertrauliche Dokumente veröffentlicht, die ihrerseits der Vorgängerregierung die Schuld in die Schuhe schieben. Eine „politische Bombe“, so die WELT. Es geht um Gaslieferungen aus Russland, niedrige Speicherstände und die Frage, ob Deutschland sich von Russland erpressen ließe. Es ist schon erstaunlich, dass der Mann, der im letzten Jahr eingestand, „wir alle wussten ja nicht, wie der Gasmarkt funktioniert“, sich nun auf eben jenem Feld als großer „Checker“ präsentiert. Doch das geht dann auch erwartungsgemäß komplett in die Hose. Abermals zeigt Habeck lediglich, dass er wirklich nicht die geringste Ahnung von energiepolitischen Themen hat. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

„Hinzu kommt, dass Russland mit Blick auf Nord Stream 2 zurückhaltend [Gas] nach Nordwesteuropa exportiert habe und Druck zur (vorzeitigen) Inbetriebnahme der Pipeline aufbauen könnte.“ Dieser Satz nicht näher genannter Experten wird von der WELT als „Schlüsselsatz“ zitiert. Gefallen ist er wohl im Wirtschaftsministerium im Sommer 2021. Minister war damals noch Peter Altmaier von der CDU. Es erschließt sich jedoch nicht, warum diese vorsichtig im Konjunktiv formulierte Einschätzung bis vor wenigen Tagen als Verschlusssache eingestuft war. Diese Deutung war im Sommer und Herbst 2021 in der politischen und medialen Debatte allgegenwärtig. Das ändert jedoch nichts daran, dass sie damals falsch war und auch heute falsch ist und den niedrigen Füllstand der deutschen Gasspeicher im folgenden Jahr nicht einmal im Ansatz erklärt. Wer dieser Frage ernsthaft nachgehen will, müsste sich eigentlich nur die Artikel zum Thema durchlesen, die in den Jahren 2021 und 2022 auf den NachDenkSeiten veröffentlicht wurden.

Der Faktor „Verträge und Markteffekte“

Die Gründe für die niedrigen Füllstände sind vielschichtig, und man muss wohl ein wenig ausholen, um sie wirklich verständlich darzustellen. Ein Faktor war – so wenig intuitiv es sich auf den ersten Blick anhört – Corona. Durch die auf die Coronamaßnahmen folgende weltweite Konjunkturdelle ging in den Jahren 2020 und 2021 die Nachfrage nach Gas und Strom durch die Industrie spürbar zurück. Dadurch wurden Probleme kaschiert, die zu diesem Zeitpunkt bereits schwelten. Deutschland hatte seine Atomkraftwerke Stück für Stück vom Netz genommen und die Verstromung von Kohle zurückgefahren. Der Ausbau regenerativer Energien hinkte jedoch den selbstgesetzten Zielen massiv hinterher und die Verstromung von Erdgas galt zu diesem Zeitpunkt als Schlüsselelement der Energiewende. Wo das Gas für die Gaskraftwerke herkommen sollte, war jedoch unklar.

Die große Koalition bekannte sich zwar zu russischen Gasimporten, die künftig auch über Nord Stream 2 laufen sollten, verabsäumte es jedoch, die perspektivisch deutlich steigenden Importmengen mit Russland über langfristige Verträge abzusichern. Stattdessen hatte man offenbar vor, die jeweils nötigen Mengen am Spotmarkt einzukaufen. Das war der erste Kardinalfehler, für den in der Tat die damals sowohl im Kanzleramt als auch im Wirtschaftsministerium regierende CDU wohl die Verantwortung trägt. Dieser Fehler hatte jedoch zunächst keine großen Auswirkungen, da die globale Nachfrage durch die Coronakrise zurückging und es für Deutschland erst einmal kein Problem war, die nötigen Mengen an Erdgas zu vertretbaren Preisen in den gewünschten Mengen am Spotmarkt einzukaufen. Dies änderte sich im Laufe des Jahres 2021, als die Konjunktur wieder anzog und das Gas plötzlich knapp wurde.

Wenn das Angebot stabil bleibt und die Nachfrage sich erhöht, steigen die Preise. Das ist Wissen, das jeder Ökonomie-Student im ersten Semester erwirbt. Im ersten Halbjahr 2021 verdoppelten sich die Preise, und nun sorgte die zuvor umgesetzte Liberalisierung des Gasmarktes für zwei Effekte, die maßgeblich zur späteren Energiekrise beigetragen haben. Privatwirtschaftliche Versorger hatten kein Interesse daran, zu diesen Preisen übermäßig viel Erdgas für den kommenden Winter einzulagern, waren sie sich doch unsicher, ob die Preise auf dem hohen Niveau bleiben. Wären sie im Winterhalbjahr nämlich – zum Beispiel durch größere Liefermengen aus Russland – wieder gesunken, hätte man das zu teuren Preisen eingelagerte Gas nur mit Verlusten verkaufen können. Um den Versorgern das Einlagern schmackhafter zu machen, strengte sich die Politik in dieser Zeit in der Tat an, russische Lieferanten davon zu überzeugen, die Liefermengen über das vertragliche Maß zu erhöhen. Das taten sie auch, aber nur zum Teil. Gazprom lieferte beispielsweise im ersten Halbjahr 2021 rund 40 Prozent mehr Gas als im Jahr zuvor. Zwar hätte Gazprom auch noch mehr liefern können, jedoch wollte der russische Konzern ja langfristige Lieferverträge schließen, was die Deutschen aus politischen Gründen ablehnten. Wahrscheinlich war der Druck aus den USA zu groß.

Hinzu kam ein weiterer Effekt: In den Jahren zuvor hatte Deutschland gegen den Wunsch Russlands die Preise für die langfristigen Verträge weg von der alten Ölpreisbindung hin zum Spotmarktpreis für Gas als Preisanpassungsklausel geändert. Mit anderen Worten: Je höher die Spotmarktpreise, desto mehr Geld verdiente Gazprom auch für die langfristig abgesicherten Volumina, die überhaupt nicht über den Spotmarkt gehandelt wurden. Gazprom hatte folglich sein ökonomisches Interesse daran, dass die Spotmarktpreise hoch bleiben. Das Unternehmen wäre also mit dem Klammerbeutel gepudert gewesen, Deutschland weit über die vertraglichen Mengen hinaus zusätzliches Gas zu verkaufen und damit nicht nur die Preise auf dem Spotmarkt, sondern indirekt auch die Preise für sämtliche im Rahmen der langfristigen Verträge gelieferten Volumina nach unten zu treiben. Deutschland hatte sich durch schlechte Verträge selbst ein Bein gestellt, und das wusste man sicher auch im Wirtschaftsministerium. Selbstkritik blieb jedoch aus, stattdessen machte man Russland für die eigenen Fehler verantwortlich. Nun hatte man hohe Preise und niedrige Speicherfüllstände und schaute wie das Kaninchen auf die Schlange.

Der Faktor „Polen“

Dass die Lage am deutschen Gasmarkt schon lange vor der russischen Invasion in der Ukraine vollends prekär wurde, liegt jedoch auch und vor allem an unserem östlichen Nachbarn Polen. Polen hatte 2021 einseitig einen Boykott auf russische Gasimporte verhängt. Wäre man freundlich, könnte man sagen, diese Entscheidung kam ein wenig voreilig, da die dafür nötige alternative Beschaffung von Erdgas aus Norwegen über die „Baltic Pipe“ erfolgen sollte, die aber erst 2023 in Betrieb ging. Polen musste also zwei Jahre lang seinen gewaltigen Erdgasbedarf aus anderen Quellen decken, und hier kam Deutschland ins Spiel. Seit dem Frühherbst 2021 importierte Polen große Teile seines Erdgases aus Deutschland. Physisch handelte es sich dabei um genau jenes Gas, das Deutschland über die Nord Stream 1 importierte – also russisches Gas.

Für Deutschland hatte dies zwei Effekte. Zum einen konnte man selbst auch physisch seine Speicher gar nicht füllen, da die Liefermengen (siehe oben) konstant blieben, das Gas aber nicht in die eigenen Speicher, sondern nach Polen geleitet wurde. Der zweite Effekt trat ein, als Robert Habeck bereits Wirtschaftsminister war. Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine wurden plötzlich Notfallpläne geschmiedet. Zu diesem Zeitpunkt importierte Deutschland sehr wohl noch russisches Gas und plante ja sogar, die eigenen Speicher nun mit russischem Gas erst einmal zu füllen, um dann weiterreichende Sanktionen gegen Russland zu verabschieden. Daraus wurde nichts, und daran ist nicht Russland, sondern abermals Polen schuld. Nun steigerte Polen nämlich seine Gasimporte aus Deutschland, um die eigenen Speicher randvoll zu bekommen. Dafür wurde die über Polen verlaufende Gaspipeline Jamal kurzerhand in den Rückwärtsbetrieb genommen. Anstatt russisches Gas über polnisches Gebiet in deutsche Speicher zu befördern, wurde über Jamal russisches Gas aus deutschen Speichern nach Polen befördert. Kamen im ersten Halbjahr 2021 noch 149.000 Terawattstunden (TWh) an Erdgas über Jamal nach Deutschland, flossen im ersten Halbjahr 2022 unter Robert Habecks Ägide 20.000 TWh von Deutschland nach Polen. In der Summenbilanz beträgt allein dieses Defizit 169.000 TWh – das entspricht ungefähr der Gesamtkapazität der deutschen Speicher.

Aber Russland ist schuld!

Titelbild: penofoto/shutterstock.com

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