Der russische Präsident Wladimir Putin gab sich nach den Ankündigungen aus Paris, Washington und Berlin, den Einsatz von Waffen gegen russisches „Kernland“ zu genehmigen, wortkarg. Er erklärte nur, die Vertreter der NATO-Staaten sollten sich Rechenschaft darüber ablegen, „mit wem sie spielen“, wenn sie Kiew erlauben, „legitime Ziele“ in Russland anzugreifen. Der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, erklärte, es habe schon Versuche gegeben, mit amerikanischen Raketen auf Ziele in Russland zu schießen. Aus russischen Medien erklingen teils harte Reaktionen. Aus Moskau berichtet Ulrich Heyden.
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Sprecherin Maria Sacharowa: „Eine inszenierte Diskussion“
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, hatte bereits am 30. Mai erklärt, „die Diskussion darüber, ob die NATO-Mitglieder diesem oder jenem erlauben, Waffen gegen das ‚alte‘ Territorium Russlands einzusetzen, ist ein Wortspiel“, eine „inszenierte Diskussion“, an der man „einfach nicht teilnehmen sollte”.
Die Ukrainer seien „einfach nicht in der Lage“, selbstständig die Waffen aus dem Westen einzusetzen. Das sei nur mit Hilfe von westlicher Satelliten-Aufklärung möglich. „Die Flugbahnen der Geschosse werden von den NATO-Ländern bestimmt,“ erklärte die Sprecherin.
Sacharowa verwies auf eine Äußerung von NATO-Generalsekretär Stoltenberg, der erklärt habe, dass Großbritannien der Ukraine die Lenkwaffe Storm Shadow über eine lange Zeit ohne jegliche Einsatzbeschränkung geliefert habe.
Scharfe Worte von Dmitri Medwedew
Der ehemalige russische Präsident und jetzige stellvertretende Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, gab am Freitag über Telegram eine scharfe Erklärung ab. Darin heißt es, die NATO agiere, was den Einsatz von Waffen betrifft, „mit fortlaufender Eskalation“.
Medwedew erklärte weiter, Kriegstechnik und Spezialisten der NATO-Staaten, „die gegen uns kämpfen“, werde Russland „vernichten“, und zwar auf dem Territorium der Ukraine „wie auf den Territorien anderer Staaten, wenn von dort Militärschläge gegen uns ausgeführt werden“.
Weiter erklärte der stellvertretende Leiter des russischen Sicherheitsrates, die Hilfe von NATO-Soldaten beim Einsatz westlicher Waffen in der Ukraine sei „‚keine militärische Hilfe´, sondern Teilnahme am Krieg gegen uns“. Diese Tätigkeit könne „ein Casus belli sein“.
Russland könnte taktische Atomwaffen einsetzen. Aber das wäre ein „fataler Fehler“. Der Präsident Russlands habe zu Recht darauf hingewiesen, dass die Staaten Europas dicht besiedelt sind. Für die „feindlichen Länder, die außerhalb der Reichweite taktischer Atomwaffen liegen, gäbe es schließlich noch das strategische Potential“. Niemand könne heute ausschließen, „dass der Konflikt in sein letztes Stadium übergeht“, also zu einem Atomkrieg wird.
Senator Andrej Klimow: Paris träumt von der Entente
Der russische Senator Andrej Klimow erklärte, die von Paris geplante Entsendung von Militär-Instrukteuren in die Ukraine seien „noch leere Worte“, aber „äußerst gefährlich“.
Dass Paris Militär-Instrukteure in die Ukraine schicken will, hänge zusammen mit den EU-Wahlen und der Herausforderin im Wahlkampf, Marine Le Pen.
Außerdem wolle sich Frankreich an Russland rächen, wegen des Verlustes von Einfluss in Afrika. Dabei sei Russland nicht schuldig für den Einflussverlust.
Ein dritter Grund, warum Frankreich Instrukteure in die Ukraine schicken wolle, sei, dass Paris sich gerne an die Zeit der Entente 1918 erinnere, als Frankreich im Rahmen der Intervention der Entente-Mächte im russischen Bürgerkrieg ein Truppenkontingent nach Odessa entsandte.
Senator Klimow erklärte, Frankreich sei abhängig von den USA und wolle auf Druck aus Washington Instrukteure in die Ukraine entsenden. Die USA wollten die eigenen Kräfte schonen und andere ins Feuer schicken.
Fernsehmoderator Solowjow: „So werden die Städte in Deutschland aussehen“
Der für seine patriotische Haltung bekannte Fernsehmoderator Wladimir Solowjow erklärte in seiner sonntäglichen Talk-Show zu der Entscheidung von Olaf Scholz, den Ukrainern den Einsatz von Waffen gegen Russland zu genehmigen, „Russland reagiert nicht auf jeden Mückenstich mit einem Knüppel. Wir reagieren, wenn unser Staat gefährdet ist“.
Der bekannte Fernsehmoderator wandte sich in seiner Talk-Show am Sonntagabend direkt an die Deutschen. Er ließ verschiedene deutsche Videoclips einspielen, die er kommentierte.
Zunächst sah man Annalena Baerbock (Minute 5:19) auf einer Wahlkampfveranstaltung. Sie lobte die deutschen Großväter und Großmütter, die es geschafft hätten, ein freies Europa aufzubauen. Dass viele deutsche Großväter und Großmütter an einem verbrecherischen Krieg gegen Russland teilgenommen haben, erwähnte Baerbock nicht.
TV-Moderator Solowjow meinte, Baerbock sei eine „Nazi Twar“ (Nazi-Kreatur). Der Großvater von Baerbock habe schon gegen Russland gekämpft und sei dafür ausgezeichnet worden. Die Deutschen „wollen uns wieder und wieder vernichten,“ so der Moderator.
Dann ließ Solowjow Luftaufnahmen der Deutschen Welle von der ukrainischen Stadt Woltschansk einblenden (Minute 7:05), die zum Teil von russischen Truppen erobert wurde und schwer zerstört ist. Man sah rauchende Trümmer und zerschossene Häuser. Der Fernsehmoderator erklärte mit lauter Stimme: „So werden die Städte in Deutschland aussehen und noch schlimmer. Wir werden alles vernichten. Und der russische Soldat wird bei euch bleiben, so dass ihr nicht noch mal angreifen könnt“.
Schließlich erklärte Solowjow, Deutschland gäbe es nur, weil Stalin und Gorbatschow sich dafür eingesetzt hätten. Mit diesem Satz spielte Solowjow darauf an, dass die USA und Großbritannien Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in verschiedene Teilstaaten aufteilen wollten, womit Stalin aber nicht einverstanden war.
In der weiteren Diskussion erklärte Solowjow, ein Ziel für die russische Armee könnten die Aufklärungsflugzeuge in den NATO-Mitgliedsländern sein.
Italien, Ungarn und Bulgarien sind gegen Angriffe auf russisches Territorium
Die Hoffnung stirbt in Russland wohl zuletzt. Das kann man aus den russischen Kommentaren herauslesen. Und die Hoffnung ist nicht unbegründet. Den riskanten Weg von Washington, Berlin und Paris wollen einige europäische Staaten nicht mitgehen.
Italien ist dagegen, den Ukrainern Waffen zur Beschießung von russischem Territorium zur Verfügung zu stellen. Auch der Präsident von Bulgarien, Ruben Radew, hat sich ablehnend zu den Äußerungen aus Washington, Berlin und Paris geäußert. Der Premierminister von Ungarn, Viktor Orban, erklärte, „wir werden nicht noch einmal gegen Russland marschieren“.
Vermutlich setzt der Kreml auch auf den Faktor Zeit. In der Ukraine wird fast täglich Luftalarm ausgelöst. Immer wieder werden energieerzeugende Unternehmen zerstört. Als Energielieferanten bleiben bald nur noch die ukrainische Atom- und die Wasserkraft, die Moskau aus naheliegenden Gründen nicht bombardiert.
Die Ukraine bezieht zunehmend Strom aus der EU. Außerdem gehen der Ukraine Soldaten und Arbeitskräfte aus. Die russische Führung hofft offenbar, dass sich die ukrainische Bevölkerung über kurz oder lang gegen Selensky erhebt.
Beschämende „Tagesschau“
Die Reaktion der ARD-Tagesschau auf die Erklärung von Olaf Scholz, man werde den Einsatz von deutschen Waffen auf russisches „Kernland“ genehmigen, war ein Offenbarungseid. Hauptstadt-Korrespondent Stefan Stuchlik verkündete nicht nur, er begründete auch, warum Kanzler Scholz mit Biden und Macron mitzieht. „Der Druck auf die Bundesrepublik Deutschland war einfach zu groß“, so Stuchlik. Das war schon häufiger ein „Argument“, um die deutsche Öffentlichkeit auf die Notwendigkeit einer Kriegsbeteiligung einzustimmen. Mit unabhängigem Journalismus hat diese Art Berichterstattung rein gar nichts zu tun.
Stuchlik oder andere ARD-Journalisten hätten problematisieren können, warum Deutschland einen direkten militärischen Schlagabtausch mit Russland riskiert, wo doch schon einmal Millionen deutsche Soldaten auf russischer Erde gefallen oder verwundet wurden. Doch der ARD-Hauptstadtkorrespondent hat das offenbar komplett verdrängt. Er hat seine „Einschätzung“ rausgehauen, so als ob eigentlich alles klar sei und es in der Bevölkerung keine Fragen und keine Zweifel gibt.
Titelbild: Melnikov Dmitriy / Shutterstock