Die Lügen der Kriegstreiber

Die Lügen der Kriegstreiber

Die Lügen der Kriegstreiber

Karsten Montag
Ein Artikel von Karsten Montag

Ein Vergleich der militärischen Kräfteverhältnisse macht deutlich: Ein Sieg der Ukraine ist angesichts der immensen Überlegenheit Russlands trotz Unterstützung des Westens äußerst unwahrscheinlich. Ähnlich unwahrscheinlich ist es, dass Russland aufgrund der deutlichen Überlegenheit der NATO einen Mitgliedsstaat in Europa angreift. Ein Blick auf die sich verändernden Kräfteverhältnisse zwischen den NATO-Staaten auf der einen und den BRICS-Staaten Russland, China und Indien auf der anderen Seite gibt einen Hinweis darauf, warum westliche Führungspolitiker permanent das Gegenteil behaupten. Von Karsten Montag.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Angesichts der derzeitigen militärischen Erfolge Russlands in der Ukraine scheint kein Ende der Eskalationsspirale zwischen der größten Atommacht der Welt und den NATO-Staaten in Sicht. Nachdem der französische Präsident Macron Anfang Mai bekräftigt hat, dass er die Entsendung westlicher Bodentruppen in die Ukraine weiterhin nicht ausschließt, hat Russland damit begonnen, ein Manöver mit taktischen Atomwaffen in der Nähe der ukrainischen Grenze durchzuführen.

US-Außenminister Blinken erwog kürzlich, der Ukraine zu erlauben, amerikanische Waffen zu einem direkten Angriff auf russisches Territorium zu nutzen. Unterstützt wird dieses Vorhaben unter anderem von NATO-Generalsekretär Stoltenberg, dem französischen Präsidenten Macron, dem ehemaligen Grünen-Vorsitzenden Hofreiter und dem CDU-Verteidigungspolitiker Kiesewetter.

Mittlerweile haben die USA der Ukraine diesbezüglich eine Absage erteilt. Das hält das Land jedoch nicht davon ab, weiterhin mit Drohnen fragwürdige Ziele in Russland anzugreifen. Die Beschädigungen des russischen Atomraketen-Frühwarnsystems haben überhaupt keinen direkten Einfluss auf die Kämpfe an der Front in der Ukraine, könnten aber zu einer Eskalation des Konflikts und einem Eingreifen der NATO führen.

Derweil droht ein geplanter Friedensgipfel in der Schweiz Mitte Juni zu einer Farce zu werden, da Russland nicht eingeladen wurde und sowohl die Staatschefs der BRICS-Staaten als auch US-Präsident Biden nicht teilnehmen werden. Eine ernsthafte westliche Friedensinitiative ist also weit und breit nicht in Sicht, und das, obwohl der russische Präsident Putin seine Bereitschaft zu Friedensverhandlungen signalisiert.

Statt ernsthafte Friedensverhandlungen zu führen, dreht der Westen weiter an der Eskalationsschraube

Ob US-Präsident Biden, US-Verteidigungsminister Austin, Bundesverteidigungsminister Pistorius, Bundesaußenministerin Baerbock, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Strack-Zimmermann oder der CDU-Vorsitzende Merz – westliche Führungspolitiker werden nicht müde, direkt oder implizit zu behaupten, Russland würde nach einem eventuellen Sieg in der Ukraine nicht haltmachen, sondern danach weitere europäische Länder angreifen. Zugleich versichern sie, dass man der Ukraine nur genug Waffen liefern muss, damit sie den Krieg für sich entscheiden kann. Vor dem Hintergrund simpler militärischer Tatsachen ist es jedoch äußerst unwahrscheinlich, dass sich die beiden Behauptungen bewahrheiten werden.

Warum die Ukraine den Krieg gegen Russland nicht gewinnen kann

Der Erfolg auf dem Schlachtfeld ist von vielen Faktoren abhängig: Kampfmoral, Taktik, Ausrüstung, verfügbare Munition, Wetter, Kriegsglück, Momentum und Ähnliches. Der Erfolg in einem Abnutzungskrieg, wie er derzeit in der Ukraine zu beobachten ist, ist jedoch hauptsächlich abhängig von der jeweiligen Anzahl der Waffen, der Munition und der Soldaten, die den Konfliktgegnern jeweils zur Verfügung stehen. Ein einfacher Vergleich der militärischen Kräfteverhältnisse zeigt, dass die Ukraine einen Abnutzungskrieg gegen Russland nicht gewinnen kann.

Abbildung 1: Militärpersonal, menschliche Reserven, Landstreitkräfte, Luftstreitkräfte, Seestreitkräfte und Rüstungsausgaben in Russland und in der Ukraine, Datenquelle: Global Firepower 2024 (globalfirepower.com)

Selbst die westliche Unterstützung kann daran wenig ändern. Einerseits werden der Ukraine aufgrund ihrer Bevölkerungsgröße im Vergleich zu Russland immer zu wenig Soldaten zur Verfügung stehen. Andererseits reichen die westlichen Waffenlieferungen nicht aus, um die russische Überlegenheit zu kompensieren. Beispielsweise verfügt Russland über mehr als 800 Kampfflugzeuge. Wie soll eine Lieferung von 80 F16-Kampfflugzeugen die russische Luftüberlegenheit in der Ukraine beenden? Die westlichen Waffenlieferungen haben lediglich einen verzögernden Effekt, der zu noch mehr Opfern auf den Schlachtfeldern führt.

Warum Russland es kaum wagen wird, ein NATO-Land anzugreifen

Aus dem gleichen Grund, warum die Ukraine den Krieg gegen Russland nicht gewinnen kann, wird es Russland kaum wagen, ein NATO-Land anzugreifen. Denn gemäß Artikel 5 des Nordatlantikvertrags sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, einem angegriffenen Mitgliedsland Beistand zu leisten. Eher könnten es sich die NATO-Staaten leisten, Russland anzugreifen und zu besiegen, wenn dieses nicht über das weltweit größte Atomwaffenarsenal verfügen würde.

Abbildung 2: Militärpersonal, menschliche Reserven, Landstreitkräfte, Luftstreitkräfte, Seestreitkräfte und Rüstungsausgaben in Russland und in der NATO, Datenquelle: Global Firepower 2024 (globalfirepower.com)

Abbildung 3: Nukleare Sprengköpfe, Datenquelle: Statista (de.statista.com)

Worum es wirklich geht

Wenn die westliche Unterstützung der Ukraine nicht zum Sieg verhelfen kann und wenn die russische Staatsführung wahnsinnig sein müsste, ein NATO-Land anzugreifen, warum behaupten dann westliche Führungspolitiker permanent das Gegenteil? Sind sie verzweifelt, weil sie gehofft hatten, Russland mit den Waffenlieferungen an die Ukraine und den Wirtschaftssanktionen in die Knie zu zwingen? Handelt es sich lediglich um Durchhalteparolen, weil man Russland unterschätzt und die eigenen Kräfte überschätzt hat? Derartige Fehleinschätzungen sind zumindest einzelnen europäischen Führungseliten zuzutrauen. Doch gilt das auch für die USA?

Geht man davon aus, dass es den Vereinigten Staaten im Kalten Krieg nie um die Eindämmung des Kommunismus ging, sondern um die Verhinderung der Entstehung einer Supermacht auf dem eurasischen Kontinent, dann wird ersichtlich, warum die Kriege und Stellvertreterkriege in Asien und Europa nach dem Ende des Kalten Krieges nicht aufgehört haben. Nur eine Supermacht, die sich über Asien und Europa erstreckt, könnte den USA auf Dauer gefährlich werden, da sie über deutlich mehr Ressourcen verfügen würde, als auf dem amerikanischen Kontinent vorhanden sind.

Die Ideologien mögen wechseln. Ob Eindämmung des Kommunismus, Krieg gegen den Terror oder die Bekämpfung autokratischer Herrscher mit neoimperialistischen Absichten – das eigentliche Ziel der Vereinigten Staaten bleibt immer gleich: Chaos und Kriege in Europa und Asien zu fördern, um eine Einigung zu verhindern. Dieses Vorgehen hat unter anderem der US-amerikanische Geostratege und Präsidentenberater Zbigniew Brzeziński in seinem Buch „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ näher erläutert.

Aus dieser Perspektive betrachtet, war jeder militärische Einsatz der USA in Europa und Asien ein Erfolg, auch wenn einige davon, beispielsweise der Vietnamkrieg, als Niederlage erscheinen. Auch der Stellvertreterkrieg in der Ukraine hat bereits ein wichtiges geopolitisches Ziel der Vereinigten Staaten erreicht: die wirtschaftliche Trennung Russlands und Westeuropas. Sollten die USA weiterhin das Ziel verfolgen, ihre Vormachtstellung in der Welt zu bewahren, sind die nächsten Schritte auf diesem Weg bereits absehbar: Eingrenzung des wirtschaftlichen und militärischen Aufstiegs Chinas sowie Verhinderung einer Kooperation zwischen Russland und China.

Liest man die Nationale Sicherheitsstrategie der Biden-Regierung aufmerksam, finden sich – mit euphemistischen Formulierungen bereichert – ebendiese Ziele sowie deren ideologische Begründung:

Obwohl das internationale Umfeld umkämpfter geworden ist, bleiben die Vereinigten Staaten die führende Macht der Welt. (…) Die dringendste strategische Herausforderung für unsere Vision geht von Mächten aus, die autoritäres Regieren mit einer revisionistischen Außenpolitik verbinden. (…) Viele Nicht-Demokratien schließen sich den Demokratien der Welt an, um diesen Verhaltensweisen abzuschwören. Leider tun dies Russland und die Volksrepublik China (VRC) nicht. (…) Die VR China und Russland sind zunehmend aufeinander abgestimmt, aber die Herausforderungen, die sie darstellen, sind in wichtiger Hinsicht unterschiedlich. Wir werden der Aufrechterhaltung eines dauerhaften Wettbewerbsvorteils gegenüber der VR China Priorität einräumen und gleichzeitig ein nach wie vor äußerst gefährliches Russland in die Schranken weisen. (…) Die VR China ist der einzige Konkurrent, der sowohl die Absicht hat, die internationale Ordnung umzugestalten, als auch in zunehmendem Maße über die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht verfügt, dies zu tun. (…) Viele unserer Verbündeten und Partner, insbesondere im indo-pazifischen Raum, stehen an der Frontlinie der Zwangsmaßnahmen der VR China und sind zu Recht entschlossen, ihre eigene Autonomie, Sicherheit und ihren Wohlstand zu gewährleisten. (…) Unsere Strategie erfordert, dass wir mit den Partnerländern zusammenarbeiten, sie unterstützen und ihre wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Bedürfnisse befriedigen, nicht um des Wettbewerbs willen, sondern um ihrer selbst willen.“

Ultima Ratio: der dritte Weltkrieg

Nach dem Ende des Kalten Krieges ist insbesondere die Wirtschaftsleistung Chinas enorm gewachsen. Zusammen mit Russland und Indien holt die kaufkraftbereinigte Wirtschaftsleistung dieser drei Länder immer weiter im Vergleich zu den NATO-Staaten auf.

Abbildung 4: Kaufkraftbereinigtes Wirtschaftswachstum in US-Dollar in Preisen von 2017, Datenquelle: Weltbank (data.worldbank.org)

Dementsprechend steigen auch ihre Rüstungsausgaben. Dabei ist zu beachten, dass beispielsweise das Gehalt eines chinesischen Soldaten um das 16-Fache niedriger ausfällt als das eines vergleichbaren US-Soldaten. Auch die Arbeitskosten in der chinesischen Rüstungsindustrie fallen deutlich niedriger aus. Zudem gibt es aus US-amerikanischer Sicht große Zweifel, ob die chinesische Staatsführung alle Rüstungsausgaben offenlegt.

Abbildung 5: Rüstungsausgaben in US-Dollar in Preisen von 2017, Datenquelle: SIPRI (sipri.org)

Derzeit verfügen die NATO-Staaten hinsichtlich der militärischen Ausrüstung ihrer Streitkräfte noch über einen knappen Vorsprung vor Russland, China und Indien. Angesichts der schieren Überlegenheit bei der Anzahl der Soldaten, der verfügbaren menschlichen Ressourcen und des wirtschaftlichen Potenzials ist es jedoch nur eine Frage der Zeit, wann die drei Länder des BRICS-Blocks die NATO-Staaten überholen werden.

Abbildung 6: Militärpersonal, menschliche Reserven, Landstreitkräfte, Luftstreitkräfte, Seestreitkräfte und Rüstungsausgaben in Russland, China, Indien und in der NATO, Datenquelle: Global Firepower 2024 (globalfirepower.com)

Abbildung 7: Nukleare Sprengköpfe, Datenquelle: Statista (de.statista.com)

Man muss nicht viel Phantasie besitzen, um sich vorzustellen, dass US-amerikanische Politiker, welche die Hegemoniestellung ihres Landes mit allen Mitteln bewahren wollen, derzeit die militärische Konfrontation zumindest mit Russland und China suchen, um sich den mit der Zeit schwindenden Vorteil der NATO zunutze zu machen. Welche Position Indien in den drohenden Auseinandersetzungen einnimmt, ist derzeit ungewiss. Einerseits pflegt das Land Allianz-ähnliche Beziehungen zu den USA, andererseits weigert es sich gemeinsam mit China, die Sanktionen gegen Russland zu unterstützen, kompensiert diese sogar und weitet seine Handelsbeziehungen mit Russland und dem Iran aus.

Westliche Provokationen aus der Sicht Russlands und Chinas

Nachfolgend findet sich eine Darstellung, wie Russland und China das westliche Agieren in der Ukraine und in Taiwan wahrnehmen. Damit sollen ausdrücklich keine Kriegsverbrechen oder völkerrechtswidrige Angriffskriege gebilligt werden, sondern lediglich die Sichtweise der anderen Seite im aktuellen Stellvertreterkrieg in der Ukraine und möglichen zukünftigen Stellvertreterkriegen, beispielsweise in Taiwan, dargelegt werden.

Dieser explizite Hinweis ist mittlerweile notwendig, da der Bundestag Ende 2022 die Erweiterung des Paragraphen 130 des Strafgesetzbuches um den neuen Absatz 5 beschlossen und damit aus Sicht der Opposition möglicherweise die Meinungsfreiheit eingeschränkt hat. Völkerrechtswidrige Angriffskriege sowie Kriegsverbrechen sind immer zu verurteilen, egal ob sie von Russland in der Ukraine oder beispielsweise von den USA im Irak verübt werden.

Aus der Sicht Russlands haben westliche Länder die russischen Forderungen nach einer neutralen Ukraine ignoriert und die Absetzung des gewählten ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch offen und verdeckt unterstützt. In dem darauffolgenden achtjährigen Bürgerkrieg in der Ukraine hat die NATO die Teile der ukrainischen Armee, die unter der Kontrolle der Regierung in Kiew standen, aufgerüstet. NATO-Generalsekretär Stoltenberg hat sogar zugegeben, dass NATO-Verbände zu Beginn des Krieges bereits im Land waren.

„Als wir am Morgen der Invasion beschlossen, unsere Präsenz zu verstärken, konnten wir auf der verstärkten Präsenz aufbauen, die wir bereits in den letzten Jahren umgesetzt haben. Wir haben die Kampfgruppen im Jahr 2016 beschlossen. Und wir haben auch unsere Präsenz erhöht in den Monaten vor der Invasion, denn die Invasion war keine Überraschung“, so Stoltenberg auf einer Pressekonferenz Anfang 2023. Nach der Eskalation im Februar 2022 durch das direkte Eingreifen der russischen Armee in den Bürgerkrieg ist der Konflikt in einen Stellvertreterkrieg zwischen Russland und der NATO ausgeartet. Russland wurde in der Folge zum meistsanktionierten Land der Welt.

Die chinesische Insel Taiwan, die von 1895 bis 1945 von Japan besetzt gewesen war, fiel mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs an die Republik China. Nach dem Ende des Chinesischen Bürgerkriegs 1949 zogen sich die unterlegene Regierung der Republik China sowie ihre Eliten und verbliebenen Streitkräfte auf die Insel zurück. Unter dem Titel „Ein-China-Politik“ fordert die Regierung in Peking bis heute eine Eingliederung Taiwans in die Volksrepublik China. Doch die Vereinigten Staaten liefern Waffen an Taiwan und fungieren als dessen Schutzmacht. US-General Douglas MacArthur bezeichnete Taiwan einst als „unsinkbaren Flugzeugträger“ der USA, und bis 1979 unterhielten die Vereinigten Staaten Militärbasen auf der Insel und hatten dort Soldaten und Atomwaffen stationiert.

Während Hongkong 1997 von Großbritannien und Macau 1999 von Portugal an China friedlich übergeben wurden, verkünden die Vereinigten Staaten noch heute öffentlich, Taiwan in einem bewaffneten Konflikt mit China zu unterstützen. Zudem stationieren sie wieder US-Soldaten auf der Insel und führen Kriegssimulationen durch, um sich auf eine Invasion Chinas vorzubereiten. Im Gegenzug hat China jüngst eine Militärübung vor Taiwan durchgeführt, an der 62 Militärflugzeuge und 27 Kriegsschiffe beteiligt waren.

Derzeit erkennen nur 14 Länder Taiwan als eigenständigen Staat an, die USA und Deutschland gehören nicht dazu.

Welche Möglichkeiten haben die Menschen in Deutschland, die bestehenden Konflikte zu deeskalieren?

Die Behauptungen, Russland würde nach einem Sieg in der Ukraine nicht haltmachen, imperialistische Ziele verfolgen und weitere europäische Länder angreifen, sind zwar unrealistisch, könnten jedoch dem Zweck dienen, die Bevölkerung des Westens auf einen noch viel größeren Konflikt vorzubereiten. Es geht um nichts weniger als den dritten Weltkrieg, in dem die USA und ihre europäischen Verbündeten derzeit noch einen militärischen Vorteil für sich verbuchen könnten, um damit die Herausforderer des Hegemonen niederzuringen. Ein solcher Fall wird dann sehr real, wenn Russland, China und eventuell Indien nicht nur wirtschaftlich gegen die Interessen und Forderungen des Westens kooperieren, sondern auch ein militärisches Bündnis eingehen.

Eine wichtige Säule der Schlagkraft der NATO stellen die wirtschaftlich und militärisch starken Länder Europas dar, allen voran Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Ob sich das Ende der US-Hegemonie friedlich vollzieht, hängt also auch entscheidend davon ab, ob sich die Wähler in den westlichen Ländern in den kommenden Wahlen für Parteien entscheiden, die sich ausdrücklich gegen weitere Waffenlieferungen in die Ukraine sowie eine fortschreitende Eskalation und Aufrüstung stellen.

Wie sich die einzelnen im Bundestag vertretenen Parteien diesbezüglich positionieren, wird anhand ihrer Wahlprogramme zur im Juni anstehenden Europawahl deutlich. Es folgen einige aufschlussreiche Zitate aus den entsprechenden Dokumenten.

SPD: „Auf den russischen Angriffskrieg haben wir gemeinsam mit unseren europäischen Partnern entschlossen reagiert und die Ukraine politisch, wirtschaftlich und militärisch unterstützt. An diese entschlossene, gemeinsame europäische Politik wollen wir anknüpfen. (…) Der russische Angriff auf die Ukraine hat Krieg zurück auf den europäischen Kontinent gebracht. Aus der Entspannungspolitik unter Willy Brandt wissen wir, dass militärische Stärke wichtig ist, um das Friedensprojekt Europa zu schützen. Deshalb wollen wir den europäischen Pfeiler in der NATO stärken und mehr Verantwortung für unsere eigene Sicherheit übernehmen.“ (Quelle spd.de)

Bündnis 90/Die Grünen: „Wir stehen zu unseren Bündnisverpflichtungen im Rahmen der EU und der NATO und den dafür notwendigen Fähigkeiten und Kapazitäten. (…) Die verstärkte Zusammenarbeit der Streitkräfte, zum Beispiel innerhalb von permanenten EU-Einheiten oder transnationalen Verbänden wie dem Deutsch-Niederländischen Corps, wollen wir ausbauen. (…) Wir setzen uns dafür ein, dass die EU in ihrer humanitären, politischen, finanziellen und auch militärischen Unterstützung der Ukraine nicht nachlässt.“ (Quelle cms.gruene.de)

FDP: „Wir stehen weiter fest entschlossen an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer. Die Ukraine muss den Krieg gewinnen und ihre territoriale Integrität und Souveränität zurückerlangen. Dafür muss die EU die Ukraine weiterhin humanitär, finanziell, wirtschaftlich und militärisch stärker unterstützen – auch mit der zusätzlichen Lieferung dringend benötigter Waffensysteme wie dem Marschflugkörper Taurus. Dazu müssen die Kapazitäten der europäischen Rüstungsindustrie gesteigert werden. (…) Wir wollen den europäischen Pfeiler der NATO und damit die gemeinsame politische Handlungsfähigkeit der EU-Partner im Bündnis stärken.“ (Quelle fdp.de)

CDU/CSU: „Wir wollen die europäische Verteidigungszusammenarbeit innerhalb der EU und der NATO stärken. (…) Wir wollen militärische Ausrüstung wie Kampfflugzeuge, Kampfpanzer, Drohnen und Flugzeugträger gemeinsam mit europäischen Partnern entwickeln und beschaffen. Wir brauchen eine wehrtechnische Industriestrategie, damit die europäische Verteidigungsindustrie wächst und Schlüsselindustrien für die Sicherheit Europas auch in Europa bleiben. (…) Die Ukraine muss beim Kampf für ihre Freiheit und territoriale Integrität weiterhin unsere umfassende Unterstützung erhalten.“ (Quelle europawahl.cdu.de)

AfD: „Ein wehrhaftes Deutschland ist unabdingbar für unsere Souveränität und Sicherheit in einer sich grundlegend ändernden Welt. (…) Auch Waffenlieferungen in Kriegsgebiete dienen nicht dem Frieden in Europa. (…) Aus der geostrategischen Lage Russlands, mit den daraus resultierenden historischen und wirtschaftlichen Verflechtungen, insbesondere auch mit Deutschland, ergibt sich die Notwendigkeit, mit diplomatischen Mitteln auf eine Beendigung des Krieges hinzuwirken und so auch für friedliche deutsch-russische Beziehungen zu sorgen. (…) Nach jetzigem Stand ist die Bundeswehr weder zahlenmäßig noch ausrüstungstechnisch zur Verteidigung des Bundesgebietes in der Lage. Die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands muss unverzüglich wiederhergestellt werden. Schwerpunkte sollen dabei die Befähigung zur Landesverteidigung und die Sicherung der Handelswege sein.“ (Quelle afd.de)

Die Linke: „Der Krieg [in der Ukraine] muss sofort beendet und die russischen Truppen aus der Ukraine müssen zurückgezogen werden. Dafür sollte die Europäische Union ihre diplomatischen Bemühungen verstärken, anstatt den Abnutzungskrieg zu befeuern. (…) Statt immer mehr Geld an Rüstungskonzerne zu verschwenden, brauchen wir massive Investitionen in die Zukunft und den klimagerechten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft – das schafft Energieunabhängigkeit und nachhaltige Sicherheit.“ (Quelle die-linke.de)

Bündnis Sahra Wagenknecht: „Frieden und Sicherheit in Europa können stabil und dauerhaft nicht im Konflikt mit der Atommacht Russland gewährleistet werden. (…) Auf EU-Ebene setzen wir uns für die Umwandlung der Europäischen Verteidigungsagentur in eine Europäische Agentur für Abrüstung, Rüstungskontrolle und Konversion ein sowie für den Abzug amerikanischer Atomwaffen aus EU-Mitgliedstaaten. Wir stellen uns gegen die weitere Militarisierung der EU. (…) Den Ukraine-Krieg auf dem Verhandlungsweg beenden: Wir fordern einen Waffenstillstand und die Aufnahme von Friedensverhandlungen. Um Russland zur Aufnahme von Verhandlungen zu motivieren, sollte für diesen Fall der sofortige Stopp aller Rüstungsexporte in die Ukraine angeboten werden.“ (Quelle bsw-vg.de)

Titelbild: Gannvector/shutterstock.com