Und der Nächste! Nachdem sich Entwicklungsministerin Svenja Schulze mit einem Lachen vor eine Kriegsversehrtenstätte gestellt hat, legt Gesundheitsminister Karl Lauterbach nach. Er hat auf der Plattform „X“ ein Bild von sich und einer jungen Ukrainerin veröffentlicht, die neben ihm mit einer Beinprothese steht. Ihr Bein hat sie im Krieg verloren. Das wäre eine gute Gelegenheit für Lauterbach, das Grauen des Krieges grundsätzlich zu hinterfragen. Stattdessen macht er aus dem Foto mit einer Kriegsversehrten ein Propagandainstrument. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.
Nun ist es also so weit. Die amputierten Soldaten können nicht mehr ausgeblendet werden. Junge Männer, Frauen, deren Naivität schamlos für einen wahnsinnigen Krieg instrumentalisiert wird, kehren von der Front ohne Gliedmaßen zurück. Ja, auch das ist Krieg. Deshalb sagen vernünftige Menschen von Anfang an: „Waffen nieder!“ Wer die Schrecken des Krieges begreift, zeigt nicht auf „die Bösen“ und „die Guten“, er spricht nicht von kämpfen und siegen. Wer begriffen hat, was Krieg für die Soldaten an der Front bedeutet, will nur eins: Dass das gegenseitige sich Abschlachten, so schnell es nur geht, aufhört. Dabei spielen die gegebenenfalls „guten“ oder „schlechten“ Gründe für einen Krieg, für den Kampf, für Angriff oder für die Verteidigung eine untergeordnete Rolle. Was zählt: schneller Waffenstillstand und Verhandlungen. Dafür sind Politiker verantwortlich.
Karl Lauterbach ist Politiker. Aber er ist kein Friedenspolitiker. Er sagt nicht: „Waffen nieder!“ Im Oktober 2022 sagte er stattdessen: „Wir sind im Krieg mit Putin!“ Eine Aussage, wohlgemerkt vorbei an der offiziellen Linie der Bundesregierung. „Kniefälle vor Putin“ dürfe es nicht geben. „Es muss weiter konsequent der Sieg in Form der Befreiung der Ukraine verfolgt werden“, so Lauterbach weiter. Wie viele Soldaten hätten wohl ihre Gliedmaßen noch, wenn damals markige, ja, auch abgrundtief dumme Worte (!) durch echte Diplomatie ersetzt worden wären?
Das wissen wir nicht, aber was wir wissen, ist, dass Lauterbach vor einigen Stunden ein furchtbares Bild auf seinem „X-Kanal“ mit 1,1 Millionen Followern veröffentlicht hat. Auf dem Bild steht eine junge ukrainische Soldatin. Ihr linkes Bein fehlt komplett. Es ist ersetzt durch eine Prothese. Lauterbach steht neben ihr. Er hält eine Prothese in seinen Händen. Um die beiden herum stehen ganz viele Prothesen auf dem Boden – aufgestellt für das Foto. Lauterbach grinst.
Diese junge Frau hat an der Front in der Ukraine ihr Bein verloren. Wie zehntausende andere Ukrainer. Die Prothesen im Hintergrund werden morgen wieder von solchen Menschen getragen. Wann stoppt Putin endlich diesen verbrecherischen Krieg so dass es wieder Frieden in Europa gibt? pic.twitter.com/6wGxuY7sfs
— Prof. Karl Lauterbach (@Karl_Lauterbach) May 27, 2024
Ungewollt kommt auf dem Bild in symbolisch verdichteter Form zum Vorschein, was die Politik zu verbergen versucht. Wer für den Kampf ist, bekommt das auf dem Bild Gezeigte als Ergebnis. Als ob all das nicht schon schlimm genug ist, kommentiert Lauterbach das Bild auch noch mit den folgenden Worten:
„Diese junge Frau hat an der Front in der Ukraine ihr Bein verloren. Wie zehntausende andere Ukrainer. Die Prothesen im Hintergrund werden morgen wieder von solchen Menschen getragen. Wann stoppt Putin endlich diesen verbrecherischen Krieg, so dass es wieder Frieden in Europa gibt?“
Die Zeilen offenbaren eine Denke, die ein Kleinkind bei einem Konflikt an den Tag legt: „Soll doch der andere aufhören!“ Nur ist Lauterbach eben kein Kleinkind, und wir reden hier nicht von einer Sandkastensituation, sondern von einem Krieg mit komplexen geostrategischen- und tiefenpolitischen Zusammenhängen. Der Gesundheitsminister, das darf man ihm zutrauen, ist zur Erfassung von Komplexität in der Lage. Wenn folglich ein Politiker wie er so reagiert wie hier gezeigt, dann handelt es sich um Propaganda in Reinform.
Doch diese Propaganda entlarvt sich leicht. Man muss sich nur folgende Fragen stellen: Wer spuckt große Töne? Wer steht auf dem Foto und hat noch beide Beine? Nein, weitere Fragen sind nicht notwendig.
Titelbild: Karl Lauterbach via X